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Wahlkampf in Ostdeutschland
Warum die AfD in Brandenburg so gut dasteht

Jeder fünfte Brandenburger will laut einer Forsa-Umfrage AfD wählen. Ressentiments, Wendefrust, Desinteresse anderer Parteien für abgehängte Gebiete - die Ursachen sind vielfältig, erklären Unterstützer der Partei in Cottbus und ein parteiloser Bürgermeister im entlegenen Oderbruch.

Von Vanja Budde | 23.08.2019
04.08.2019, Brandenburg, Cottbus: Andreas Kalbitz, Landesvorsitzender der AfD in Brandenburg, nimmt am Wahlkampfauftakt der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA) vor der Stadthalle teil. In Brandenburg und Sachsen wird am 01. September ein neues Parlament gewählt. Die Landtagswahl in Thüringen ist knapp zwei Monate später, am 27. Oktober. Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/ZB | Verwendung weltweit
Die AfD verspreche die blühenden Landschaften, auf die viele Brandenburger seit der Wende warten, erklärt sich mancher Beobachter den Erfolg der Partei in dem Bundesland (picture alliance / dpa / Patrick Pleul)
Ziegenwirt Martin Rubin ist Herr über 120 Deutsche Weiße Edelziegen - und parteiloser Bürgermeister von Zollbrücke im Oderbruch. Zwei Stunden Fahrt von der Landeshauptstadt Potsdam entfernt, die Bahnlinie nach Berlin nach der Wende eingestellt: Viel abgehängter kann man nicht sein. Entsprechend groß ist der Frust in der Region.
In Rubins Hofladen kauft ein Paar aus Hamburg Ziegenmilcheis und Käse. Die Fahrradtouristen treibt eine Frage um:
"Können Sie uns sagen, warum die Menschen alle AfD wählen?"
Rubin: "Uhhhh!"
"Haben Sie eine Hypothese dazu?"
"Ja, das kann ich ihnen sagen. Ganz einfach: Weil die anderen verlernt haben zuzuhören."
Vor kurzem sei CDU-Landeschef und Spitzenkandidat Ingo Senftleben auf Wahlkampftour bei ihm aufgetaucht, erzählt Michael Rubin später. Es sei das erste Mal gewesen, dass er einen der Spitzenpolitiker aus Potsdam in Zollbrücke gesichtet habe. In den 21 Jahren, die er den Hof hier nun schon betreibt. CDU und SPD und auch die Linke interessierten sich nicht für die Nöte der Menschen hier, meint der Bürgermeister.
Als da wären: Schlechte Verkehrsanbindung, lahmes Internet, Funklöcher, Unterrichtsausfall wegen Lehrermangel. Die AfD dagegen verspreche die blühenden Landschaften, auf die man hier seit der Wende vergeblich warte.
Andreas Kalbitz' (AfD) allmorgendlicher Rechtsruck
"Lassen wir hier die politische Sonne im Osten wieder aufgehen. Lassen wir sie dann über ganz Deutschland scheinen. Holen wir uns unser Land zurück, vollenden wir die Wende. Es ist an der Zeit!"
AfD-Wahlkampfauftakt in Cottbus: Die Menge bejubelt den nationalistischen Frontmann Björn Höcke. Der Brandenburger Landeschef und Gauland-Nachfolger Andreas Kalbitz ist auch da. Er gehört wie Höcke dem völkischen "Flügel" der AfD an. AfD-Anhänger scheint nicht zu stören, dass in Potsdam viele Kalbitz als Rechtsextremisten einschätzen.
Axel Vogel, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Landtag: "Wir hatten eigentlich immer gehofft, dass es doch für mehr Menschen erkennbar ist, dass die AfD Schaumschläger sind, die nichts bewegen hier im Parlament. Wir hatten eigentlich gehofft, dass es mehr Menschen gibt, die deutlich auf Distanz gehen zu einer Partei, die von einem erkennbar Rechtsextremen geführt wird. Bedauerlicherweise ist das nicht der Fall."
Nicht nur die Grünen, auch alle anderen Parteien warnen vor einem Sieg der AfD, der Brandenburg auch für Investoren weniger attraktiv machen würde. AfD-Spitzenkandidat Kalbitz weist das zurück.
"Dieses Gefasel vom Rechtsruck kann ich auch nicht mehr hören. Ich vollziehe ja schon einen Rechtsruck, wenn ich morgens aufstehe."
Keiner will mit ihnen koalieren
Gefragt, warum sie die AfD unterstützen, sagen die Menschen in Cottbus:
"Schauen Sie sich im Land um, gehen Sie mit geöffneten Augen durchs Land, dann wissen Sie das, warum wir AfD wählen. Damit Frauen auch nach 18 Uhr noch zum Beispiel die Straße betreten können."
"Es wird immer schlimmer. Ich hab Arbeitskollegen, die können nicht ihre Familie ernähren, gehen acht Stunden arbeiten. Und das kann nicht sein, dass wir nach fast 30 Jahren Wende immer noch kein Gehalt bekommen wie drüben im Westen."
Cottbus liegt in der Lausitz: Die Braunkohle-Region ist eine Hochburg der AfD. 25.000 Menschen bangen hier wegen des Kohleaustiegs um ihren Job.
Doch klar ist: Wer in Brandenburg AfD wählt, stimmt für Fundamentalopposition. Eine Koalition wird es nicht geben, SPD, Linke und Grüne betonen das unisono seit Monaten. In letzter Zeit hat es auch Ingo Senftleben klar gestellt, der CDU-Spitzenkandidat für das Ministerpräsidentenamt, der nach 30 Jahren SPD-Regierung den Machtwechsel herbeiführen will. Ihm hatten Kritiker mangelnde Abgrenzung nach rechts vorgeworfen. Nun, zehn Tage vor der Wahl, sagt Senftleben:
"Wir reden nicht mit der AfD über eine Regierung in Brandenburg. Das ist eine klare Aussage: Wir machen keine Regierung mit der AfD nach der Landtagswahl!"