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Wahlkampf in Sachsen-Anhalt

Lange: Die Union hat sich am Samstag auf einer Präsidiumssitzung positioniert, was ihre Wahlkampfaussagen für die ostdeutschen Länder angeht. Gestern trafen sich in Magdeburg die ostdeutschen Landesverbände der SPD zu einem eigenen Sonderparteitag, um ihre Wahlaussagen zu beschließen. Die sollen als "Magdeburger Forderungen" in das Wahlprogramm der Gesamtpartei eingehen. - Am Telefon ist nun Reinhard Höppner, seines Zeichens Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, gewissermaßen der Gastgeber des Parteitags und Wahlkämpfer obendrein. Guten Morgen Herr Höppner!

    Höppner: Guten Morgen Herr Lange.

    Lange: Wie optimistisch sind Sie denn, dass die Forderungen von Magdeburg sich dann auch so im Wahlprogramm wiederfinden werden?

    Höppner: Da bin ich sehr optimistisch. Das ist ja der Unterschied auch zu den Papieren, die die CDU vorgelegt hat. Wir haben richtig durchgerechnet mit Programmen, mit konkreten Zahlen, die auch abgestimmt sind. Hans Eichel war mit dabei am Sonntag bei unserem Parteitag. Der wird schon aufgepasst haben, dass wir nichts beschließen, was man nicht auch finanzieren kann. Das heißt es ist ein sehr solides Zukunftsprogramm, was die Grundlinien für den weiteren Angleichungsprozess zwischen Ost und West, diesen "Aufbau Ost" liefert. Ich bin ganz optimistisch, dass das auch in die Programme der Gesamtpartei einfließen wird.

    Lange: Was davon wird denn mit Sicherheit umgesetzt und was hat dann doch eher den Charakter einer gut gemeinten Absichtserklärung?

    Höppner: Es sind ein paar Dinge darin, die ja bereits im Gange sind. Wir haben ein großes Stadtumbauprogramm, weil wir erstmals ja Städte planen und bauen müssen, in denen die Bevölkerung abnimmt. 20 Prozent Wohnungsleerstand muss beseitigt werden. Wir haben konkrete Programme was die Infrastruktur anbetrifft. Dort ging es darum, dass noch mal ein paar große Projekte wirklich in Gang kommen. Das hat der Kanzler in seiner Rede dann auch noch mal aufgenommen. Zum Beispiel die Nordverlängerung der A14 über Magdeburg hinaus nach Schwerin war für die Region hier besonders wichtig. Dann ging es vor allen Dingen auch noch mal um den Schwerpunkt Förderung von Forschung und Entwicklung. Ich will nur mal einen Punkt nennen, der für uns sehr wichtig ist. Wir haben es mit Abwanderung zu tun und die Bundesregierung wird noch mal ein Programm machen, das insbesondere dazu dient, junge Wissenschaftler an unseren Universitäten zu halten, damit sie nicht durch bessere Bezahlung im Westen abgeworben werden.

    Lange: Wie sieht es mit dem Versprechen aus, bis 2007 die Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst anzugleichen? Wird das nun definitiv eingehalten werden können?

    Höppner: Das ist ja kein Versprechen, sondern das geht auch auf eine Vereinbarung zwischen mir und unserem Partner von ver.di zurück. Wir haben uns vorgenommen, dass wir diese Forderung in die Tarifgespräche Ende des Jahres einbringen werden: Angleichung bis 2007. Das hat der Bundeskanzler jetzt unterstützt. Das heißt von Arbeitgeberseite wird das sicherlich so sein. Allerdings will ich sagen, die Tarifautonomie bringt mit sich, dass dies verhandelt werden muss. Ich bin aber sicher: wir können gar nicht länger warten. Die unterschiedliche Bezahlung zwischen Ost und West an einem Schreibtisch zum Teil hier im Osten ist tatsächlich nicht mehr länger zu akzeptieren.

    Lange: Sie selbst haben gesagt, dem Osten fehlt es im Grunde nicht an Geld, sondern es geht darum, diese Gelder effektiv einzusetzen. Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass es immer noch an diesem effektiven Einsatz hapert. Woran liegt das?

    Höppner: Nein, das kann man daraus nicht schlussfolgern. Das ist nun wirklich nicht nur überinterpretiert, sondern falsch geschlussfolgert. Wir geben das Geld schon effektiv aus, aber es ist tatsächlich so, dass wir im Grunde genommen nicht mehr Geld zur Verfügung haben. Klar: die Kommunen würden gerne noch Geld nehmen und das noch ausgeben, aber der Rahmen ist nun mal so, dass guter Aufbau Ost auch solide Finanzpolitik bedeutet. Sonst können wir die zukünftigen Dinge nicht mehr bezahlen. Deswegen sage ich, es geht nicht um mehr Geld; es geht darum, dass ihr dieses Geld, das ihr habt, jeder auf seiner Ebene, so effektiv wie möglich einsetzt. Da ist ein Schwerpunkt, der auch noch mal deutlich unterstrichen worden ist, Forschung und Entwicklung, denn unsere Basis, die wir haben müssen, damit wir wettbewerbsfähig sind, damit Angleichung von Lebensverhältnissen in Ost und West passiert, können wir nur stärken, wenn wir unsere innovativen Betriebe, die neu gegründet werden, die neue Produkte auf den Markt bringen, stärken. Forschung und Entwicklung sowie Hochschulbildung sind sicherlich Schwerpunkte auch in Zukunft.

    Lange: Herr Höppner, Sie machen zur Zeit Wahlkampf für die Landtagswahlen. Da können Sie so eine Spendenaffäre wie in Köln nicht gebrauchen und sicherlich auch nicht diese arbeitsmarktpolitischen Vorstöße von Florian Gerster. Inwiefern merken Sie schon den Gegenwind durch diese Diskussionen?

    Höppner: Bei Florian Gerster habe ich ja so meine Erfahrungen. Den werden wir demnächst in den Osten einladen und dann wird er begreifen, dass die Dinge hier ein bisschen anders sind und das auch berücksichtigen. Die Spendenaffäre ist schon mehr als ärgerlich, vor allen Dingen weil hier so viele fleißige Leute engagiert für die SPD gearbeitet haben, jetzt für unseren Wahlsieg kämpfen und dann ein oder zwei Dutzend Leute, die dort nun wirklich skandalös und kriminell mit Geld umgehen, unsere Arbeit hier verderben. Das ist richtig ärgerlich. Schließlich werden auch alle Politiker darunter leiden nach dem Motto, die sind eben alle korrupt. Wir können jetzt nur eins tun: Wir können mit den Dingen klar, ehrlich, offen umgehen und auch diejenigen, die dort Fehlverhalten gezeigt haben, entsprechend bestrafen. Nur durch den Umgang mit so einem Skandal kann man versuchen, ihn etwas zu mindern. Ganz kriegt man das nicht weg!

    Lange: Aber die ostdeutschen Wähler gelten ja als sehr sensibel, um es vorsichtig zu sagen. Sie selbst haben damit Ihre eigenen Erfahrungen und sprechen selbst auch von einer Stimmungsdemokratie. Kann das durchaus noch auf Ihren Wahlkampf durchschlagen?

    Höppner: Ich glaube, dass das in diesem Falle mehr die Politiker insgesamt trifft und sich vielleicht in der Wahlbeteiligung niederschlägt. Ich hoffe nicht, dass es uns selber so sehr trifft, denn man muss im Augenblick auch mal dazu sagen: wir im Osten sind von derartigen Größenordnungen von Spenden so himmelweit entfernt. Das wissen glaube ich auch die Leute, dass das wirklich nicht unser Thema ist. Insofern denke und hoffe ich, dass wir von konkreten Folgen verschont bleiben.

    Lange: Herr Höppner, durch die Verkleinerung des Bundestages und auch als Folge der Abwanderung aus dem Osten werden ja demnächst deutlich weniger Bundestagsabgeordnete auch aus Ihrem Bundesland ins Parlament ziehen. Wird es in Zukunft schwerer werden, die ostdeutschen Belange zu bündeln und dann auch wirksam zu vertreten?

    Höppner: Ich glaube wir haben am letzten Wochenende etwas ausprobiert, was uns das eher leichter macht. Dieser Ost-Parteitag bei uns in Magdeburg war ein voller Erfolg: eine Stärkung für die Sozialdemokraten, die dort waren, und für die Sozialdemokratie Ost insgesamt. Ich glaube wir haben gelernt, dass es gut ist, sich zu treffen, die eigenen Positionen klar zu formulieren, auch mal dafür zu kämpfen. Da wird es ja auch noch Auseinandersetzungen zwischen Ost und West an der einen oder anderen Stelle geben. Insofern wenn wir es vernünftig anfangen - und so haben wir es gemacht am letzten Wochenende -, dann werden wir stärker werden, als das vielleicht in letzter Zeit der Fall gewesen ist.

    Lange: In den "Informationen am Morgen" war das Reinhard Höppner, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt. - Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Link: Interview als RealAudio