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Wahlkampf in Sachsen
FDP will im Landtag bleiben

Die Sachsen wählen am 31. August ihren neuen Landtag. Die FDP in Sachsen will im zukünftigen Parlament vertreten sein, doch aktuelle Umfragen sehen die Partei derzeit unter fünf Prozent. Der Vorsitzende der sächsischen FDP Holger Zastrow übt sich in Galgenhumor.

Von Nadine Lindner |
    Der Vorsitzende der sächsischen FDP, Holger Zastrow, spricht am 03.05.2014 auf dem Landesparteitag der FDP in Chemnitz (Sachsen).
    Der Vorsitzende der sächsischen FDP, Holger Zastrow, will mit seiner Partei bei der sächsischen Landtagswahl am 31. August im Parlament bleiben. (dpa / Hendrik Schmidt)
    Wer dem sächsischen FDP-Vorsitzenden Holger Zastrow in diesen Vorwahlkampftagen zuhört, der kommt nicht um die Frage herum, ob es sich bei ihm um Kampfgeist oder Schönreden handelt: "Wir sind hier eine kampfstarke Truppe, wir können Wahlkämpfe, und ich glaube, das weiß hier jeder."
    Der Verdacht des Schönredens liegt nahe, denn am 31. August ist Landtagswahl, und die Umfragen sehen nicht gut aus für die FDP. Mit unter fünf Prozent - übrigens genauso viel wie die NPD - würde sie es derzeit noch nicht mal in den Landtag schaffen. Von der Regierungsbank in die Apo könnte es bald heißen. Doch das hängt auch davon ab, wie die kleinen Parteien insgesamt abschneiden werden. Die Grünen und die AfD liegen im Moment bei sechs Prozent. Parteichef Zastrow übt sich in Galgenhumor, wie zuletzt auf dem Bundesparteitag in Dresden: "Ansonsten geht es uns eigentlich ganz gut, wenn nicht ausgerechnet dummerweise in diesem Jahr gewählt werden müsste." Da blieb einigen sächsischen Delegierten vermutlich das Lachen im Halse stecken. Zu groß ist die Angst vor der politischen Bedeutungslosigkeit.
    Freiheit und Eigenständigkeit in der Politik
    Wie so oft empfängt der Parteivorsitzende und passionierte Motorradfahrer zum Gespräch in seiner Werbeagentur in der Dresdner Neustadt. Direkt vor den großen Fenstern fließt träge die Elbe vorbei. Die Firma mache ihn unabhängig, sagt Zastrow. Freiheit und Eigenständigkeit, das will er auch in der Politik. Er ist in Dresden geboren und hat die DDR und die Unfreiheit noch bewusst erlebt. Zastrow: "Die meisten von uns sind zur Wendezeit zur Politik gekommen. Im 25. Jahr nach der Wende muss man sich fragen, wofür wir damals auf die Straße gegangen sind. Das war der Freiheitsgedanke, das Bekenntnis zur Marktwirtschaft, zur Leistungsgesellschaft."
    Der 45-Jährige gilt innerhalb seiner Partei als kritischer Geist, wenn nicht sogar als Querkopf. Mit eigenen Ansichten, die er gern in Talkshow-Runden verbreitet und die sich immer wieder gar nicht mit den Ansichten der Bundespartei decken. So warben die Liberalen 2004 bei der Landtagswahl mit dem Slogan "Herz statt Hartz" - ungeachtet der Tatsache, dass die Bundes-FDP die Reformen ausdrücklich unterstützte. Unvergessen ist bei vielen auch die sogenannte "Plakat-Blondine", bauchfrei, aus dem Jahr 2009. Kritiker werfen Zastrow Erfolg durch Klamauk vor, doch er schaffte 2004 immerhin die Rückkehr in den Landtag, und 2009 holte er gut zehn Prozent. Das Plakative, der Hang zum flotten Spruch, das liegt dem Werbefachmann im Blut. Darum betrachtet er seine Partei auch eher wie eine Art Marke: "Die Marke ist beschädigt worden. Nicht von der jetzigen Bundesspitze, sondern von den Vorgängern. Wenn man so schwach und ungeschickt reagiert, dann zahlt man dafür einen Preis", sagt Zastrow.
    Breitseite in Richtung Berlin
    Und zack, da gibt es wieder eine Breitseite Richtung Berlin, nicht so sehr für Christian Lindner, dem er die Wiederbelebung der Marke FDP durchaus zutraut, sondern eher in Richtung Ex-Parteichef Rösler. Schon seit fünfzehn Jahren steht Zastrow der sächsischen FDP vor. Als er sie 1999 übernahm, hatte sie gerade eine krachende Niederlage bei der Landtagswahl erlitten, lag bei 1,1 Prozent. Seitdem hat er dem Landesverband seinen Stempel aufgedrückt, zuweilen kommt sie ein bisschen schrill, ein bisschen krawallig daher. Man ist anders, und man ist stolz darauf, keine Rücksichten zu nehmen. Zastrow: "Sachsen geht einen eigenen Weg, den sächsischen Weg, wir sehen hier einige Dinge anders. Wir haben die letzte klar marktwirtschaftliche Regierung in Deutschland. Wir haben in der Energiepolitik unseren ganz eigenen Stiefel gemacht, dass wir die Verspargelung unserer Landschaft mit Windkraftanlagen gestoppt haben."
    Mit diesem liberal-konservativen, klar marktwirtschaftlich orientierten Gegenkurs will er sich von der Bundespartei absetzen. In der Hoffnung, dass deren schlechte Zustimmungswerte nicht zu sehr auf ihn abfärben und er die Landes-FDP vor der politischen Versenkung bewahren kann. Die 2.200 Mitglieder der Parteibasis gehen diesen Krawall-Kurs mit: Besuch beim Ortsverband Dresden-Neustadt, dem größten in der Landespartei. Michael Deutschmann, der Vorsitzende, beschreibt das ambivalente Gefühl: "Die sächsische FDP wird von den West-Landesverbänden oft so ein bisschen, das sind die sächsischen Sonderlinge, wahrgenommen. Wir haben das Image, ein bisschen stur, ein bisschen eigen zu sein."
    Kopie der West-Verbände
    Man habe in den Neunzigern den Fehler gemacht, die West-Verbände kopieren zu wollen. Das sei gründlich schief gegangen. Nun grenze man sich ab. Diese Strategie soll auch am 31. August zum Ziel führen. Doch die Vorzeichen sind schlecht. Gerade in Sachsen ist die eurokritische Alternative für Deutschland stark: Bei der Europawahl erreichte sie 10,1 Prozent. Sie könnte der FDP genau die Prozente abjagen, die ihr dann zum Wiedereinzug fehlen. Doch Holger Zastrow gibt sich betont cool bei der Frage, wie er denn mit der AfD umzugehen gedenkt: "Gar nicht! Warum soll ich mit der AfD umgehen. Die gibt's, die sind da. Die bestehen aus Protestlern und Gescheiterten. Das ist eine ganz bunte Truppe."
    Als rechte Trümmertruppe bezeichnet Zastrow die AfD auch gerne. Kurz: Er hält die Eurokritiker für einen unsortierten Haufen, die seiner Partei mit ihrem ausgeprägten landespolitischen Profil weiß Gott nicht gefährlich werden können. Und in genau diesen Momenten schleicht er sich wieder ein, der Verdacht des Schönredens.