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FDP
Letzte Hoffnung Brüssel

Auch acht Monate nach der verlorenen Bundestagswahl ist es für die FDP nicht leicht, Wählerstimmen zu gewinnen. Im Europawahlkampf versuchen die Liberalen, sich zu positionieren, auch gegen die mittlerweile zur ernsthaften Konkurrenz aufgestiegenen Alternative für Deutschland (AfD).

Von Klaus Remme | 20.05.2014
    Spitzenkandidat der FDP: Alexander Graf Lambsdorff beim Bundesparteitag der Liberalen in Dresden.
    Spitzenkandidat der FDP: Alexander Graf Lambsdorff (picture alliance / dpa / Arno Burgi)
    Es ist noch früh am Morgen, der EuroCity 171 nach Budapest hat Berlin hinter sich gelassen und rollt nun auf Dresden zu. Alexandra Thein sitzt im Speisewagen vor einer Tasse Kaffee auf dem Weg zum Bundesparteitag der FDP. Sie sitzt für die Liberalen im Europaparlament, seit ein paar Wochen ist sie FDP Landeschefin in Berlin. "Liebe kennt keine Grenzen", mit diesem Slogan zog sie in den Wahlkampf, wer den QR Code auf ihren Plakaten nutzte, der sollte im Netz eigentlich bei der FDP landen, Unbekannte überklebten den Code mit dem link zu einem gleichnamigen Porno-Film.
    "Ich war da einfach schockiert, andererseits hat's dem Plakat eine gewisse Aufmerksamkeit verschafft, die es sonst sicher nicht gehabt hätte. Wobei wir als Liberale in Berlin auch schon immer auf unserer Webseite stehen hatten "Aus Liebe zur Stadt". Also die kaltherzig schnöde Partei, die uns oft vorgeworfen wird, das war in Berlin eigentlich noch nie so."
    Das mag so sein, aber auch acht Monate nach dem Bundestags-Aus ist es immer noch kein reines Vergnügen, für die FDP zu werben. Die Liberalen wären diesmal wohl schon allein mit dem Stimmenzuwachs von 2009 zufrieden. Um 4,9 Prozent verbesserte man sich damals auf heute fantastisch erscheinende elf Prozent.
    "Mein Name ist Alexander Graf Lambsdorff, bei uns liegt eines in der Familie und das ist vernünftige Politik mit gesundem Menschenverstand."
    Positionierung gegen die AfD
    Der Name ist Programm. Gleich am Anfang des Werbespots sieht man ein Bild von Otto Graf Lambsdorff auf dem iPad in den Händen des Neffen. Kahle Wand, leerer Schreibtisch, nichts soll ablenken von Spitzenkandidat Graf Lambsdorff, der als Außenpolitiker schon seit zehn Jahren im Europaparlament Politik macht. In Umfragen kommt die FDP auf drei Prozent, Lambsdorff weiß aber auch um die 20 Prozent, die angeblich eine liberale Partei wollen. Beim Parteitag in Dresden ruft er:
    "Wer FDP will, der muss auch FDP wählen, ihr habt die Chance am 25., dann tut es auch."
    Wenige Meter neben Lambsdorff applaudiert Michael Theurer. Als Spitzenkandidat in Baden-Württemberg will er sein Brüsseler Mandat verteidigen.
    Das waren noch Zeiten: Die FDP macht 1984 Wahlkampf für das Europaparlament mit einem "Europazug".
    Das waren noch Zeiten: Die FDP macht 1984 Wahlkampf für das Europaparlament mit einem "Europazug". (Foto: dpa/ picture alliance/ Peter Popp)
    Nicht nur Theurer liegt im Clinch mit der AfD, homophob, islamfeindlich, so beschreibt er Äußerungen von Bernd Lucke, der starke Mann der AfD. Theurer warf ihm vor, wie ein verkappter Salonfaschist zu agieren. Antworten kamen prompt, es hagelte Proteste, sagt er und zückt sein Smartphone:
    "Hier zum Beispiel, Du vollgefickte verlogene Drecksau, wir haben genug von euch linksextremen Drecksfaschisten, die jede demokratische Bewegung im Keim ersticken wollen, jede Partei, die für das Volk spricht, wird von verkommenen Drecksäuen wie dir angegriffen, ihr elenden Dreckratten, hoffentlich bringt dich jemand um du Schwein."
    Für Michael Theurer steht fest:
    "Das zeigt ganz eindeutig, dass die sogenannte AfD ein Sammelbecken von rechtspopulistischen und nationalistischen Kräften ist und deshalb muss die FDP die AfD auch demaskieren und wenn man die Maske runterzieht, dann blickt man in eine streng nationale Gesinnung."
    Mit Themen wie soliden Finanzen, einem EU-Binnenmarkt für Strom und starkem Datenschutz wirbt die FDP mit Inhalt. Nicht ganz einfach.
    Christian Lindner: Unterstützung von der Mutter
    Hüpfburg geht immer. Während die Parteispitze in der Messehalle debattiert, kämpft die Dresdner FDP einige Kilometer weiter in der Fußgängerzone um Unterstützung. Die Kinder hüpfen, die Erwachsenen gucken.
    Rushhour, Stau, Verkehr, die kommunalen Themen sind den meisten näher als Brüssel. Marcel ist 22, sicher wählt er, entschieden hat er sich noch nicht:
    "Vermissen Sie die FDP?" - "Im Moment noch nicht, es ist ganz gut für sie, da kann sie sich mal sortieren und neu aufstellen, da ist ja doch einiges schiefgelaufen ist vor den Wahlen."
    Ja, das kann man wohl sagen, der neue Parteichef Christian Lindner hat mit dieser Neuaufstellung alle Hände voll zu tun. Apropos Lindner, die Befragung in der Fußgängerzone lehrt wenig später Interessantes über Zufälle und die Journalistenpflicht, möglichst immer nach dem Namen zu fragen:
    - "Der Christian Lindner müht sich ja redlich, sind Sie beeindruckt?"
    - "Ja, ich finde, er macht das sehr gut."
    - "Darf ich nach ihrem Namen fragen?"
    - "Ja, mein Name ist Lindner."
    - "Nicht verwandt und nicht verschwägert?
    - "In der Tat."
    - "Wie ist das Verhältnis?"
    - "Das ist mein Sohn."
    - "Das ist nicht wahr?"
    - "Doch."
    - "Dann bin ich ja froh, dass ich noch gefragt habe."
    - "Sie können das ja streichen, wenn Sie mögen."