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Waldbrände
Brüssel koordiniert die europäische Hilfe

In Griechenland toben Waldbrände, die bereits zahlreiche Menschenleben gekostet haben. Wie schon im vergangenen Sommer hat das Land Unterstützung von der EU angefordert. Die Hilfe auf europäischer Ebene funktioniere ohne Probleme, sagt der Experte Johannes Luchner im Dlf.

Johannes Luchner im Gespräch mit Catrin Stövesand | 25.07.2018
    Mehr als 40 Waldbrände wüten in Schweden.
    Mehr als 40 Waldbrände wüten allein in Schweden (MAJA SUSLIN / TT NEWSAGENCY / TT NEWS AGENCY / AFP)
    Catrin Stövesand: Das "Europäische Zentrum für die Koordination von Notfallmaßnahmen" regelt, welches Land von welchen Stellen Hilfe bekommt. Der geläufige Name für dieses Zentrum lautet ERCC - das ist die Abkürzung für die englische Bezeichnung für diese Stelle. Das ERCC gehört zu einer Abteilung in der Europäischen Generaldirektion für Katastrophenschutz und humanitäre Hilfe. Abteilungsleiter dort ist Johannes Luchner. Er hat uns erklärt, wie genau diese Koordinierung funktioniert.
    Johannes Luchner: Wir hatten bisher für Waldbrände Anfragen von Schweden, Griechenland und Lettland. Der ERCC ist dafür da, diese Anfragen um Hilfe mit Angeboten abzugleichen. Das heißt, wir haben jetzt für diese drei Anfragen Einsatzkräfte aus 14 verschiedenen Mitgliedsstaaten einschließlich der Bundesrepublik zur Verfügung. Wir haben in Schweden sieben verschiedene Mitgliedsstaaten vor Ort. Und der ERCC ist schlicht und einfach dazu da, diese Arbeit zu machen und jedem einzelnen Land, das Hilfe braucht, die Arbeit zu ersparen, mit 27 anderen in Kontakt zu treten. Das läuft über ein Informationssystem in Brüssel, im ERCC. Und wir koordinieren dann auch soweit als möglich den Transport. Was wir noch machen im ERCC, was für solche Fälle sehr wichtig ist, die Satellitenkarten mit einer wissenschaftlichen Auswertung zur Verfügung zu stellen, damit die Einsatzleiter vor Ort auch immer eine Übersicht über die Katastrophe haben.
    Stövesand: Haben Sie drohende Notlagen schon auf dem Radar? Oder reagieren Sie jeweils nur auf Anfragen?
    Luchner: Unsere Hauptaufgabe ist es eigentlich rund um die Welt, 24 Stunden am Tag, zu beobachten, wo sich mögliche Krisen entwickeln. Wir sagen zum Beispiel schon seit einiger Zeit, dass das Waldbrandrisiko sich nach Nordeuropa langsam, aber sicher ausbreitet. Wir haben dann im Detail auch ein Waldbrandvorwarnsystem, das sich wiederum aus nationalen Systemen und Satellitendaten speist, um vorherzusehen, wo das Risiko in dem bestehenden Moment am größten ist.
    Hilfe soll dezentral sein
    Stövesand: Nun will die EU-Kommission das Prinzip freiwillige Hilfe der Nachbarländer ändern. Es sollen bestimmte Kapazitäten verpflichtend vorgehalten werden, die dann im Notfall bereit stehen, also Ausrüstung für bestimmte Katastropheneinsätze sowie medizinische Notfall-Teams. Welche Änderungen plant die EU-Kommission konkret?
    Luchner: Wir wollen auf dem freiwilligen Prinzip aufbauen, und es soll auch weiter bestehen. Wir haben jetzt schon ein System, einen sogenannten Pool, also eine Sammelstelle von Kapazitäten, die die Mitgliedsstaaten zur Verfügung stellen und wo die Mitgliedsstaaten sagen: Wir verpflichten uns diese Kapazitäten der Europäischen Union zur Verfügung zu stellen, außer wir brauchen sie gerade zu Hause. Das funktioniert auch ohne Probleme. Wir hatten aber über die letzten Jahre gesehen, dass dieses System an seine Grenzen stößt. Und wir sind auch jetzt fast wieder an der Grenze des Möglichen mit den Einsätzen die wir haben, um zu sagen, wir wollen auch eine europäische Notreserve schaffen, die auch in den Mitgliedsstaaten positioniert sein soll, also die auch dezentral aufgebaut werden soll, wo wir aber eine starke Koordinierungsrolle haben, um diese Mittel dann zum Einsatz zu bringen - und wenn sie besonders teuer sind, diese Mittel auch gemeinsam anzuschaffen.
    Stövesand: Welche Vorteile könnte das bringen? Also, sind die dann schneller da, oder steht einfach mehr zur Verfügung?
    Luchner: Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Für besonders ansteckende Krankheiten haben wir in den derzeitigen Zivilschutzbehörden in Europa kein Flugzeug, mit dem man zum Beispiel Ebola-Patienten evakuieren könnte. Auch da sagen wir, das ist für einzelne Mitgliedsstaaten zu teuer, macht für die Europäische Union aber Sinn. Wir suchen eben Mitgliedsstaaten, die ein solches Mittel dann für die europäische Allgemeinheit anschaffen und finanzieren das mit. Aber es geht nicht darum, jetzt irgendetwas in Brüssel zu stationieren, sondern das Ganze soll dezentral aufgebaut werden - schlicht und einfach weil wir wissen, dass wir ein stärkeres System brauchen, weil es derzeit zu oft an seine Grenzen stößt.
    Mehr für die Prävention von Waldbränden tun
    Stövesand: Nun geht es bei der Katastrophenhilfe ja auch immer um den Aufbau lokaler Kapazitäten. Portugal hat ja etwa nach den verheerenden Bränden im vergangenen Jahr ganz neue Strukturen zur Brandprävention und -bekämpfung aufgebaut. Wenn wir nochmal nach Griechenland schauen, das Land ist momentan mit der Brandbekämpfung überfordert. Wie realistisch ist es, dass sich das absehbar ändert?
    Luchner: Ich glaube, es ist sehr realistisch, dass sich das mittelfristig ändert. Ich glaube, wir sind alle in einem Umdenkprozess. Wir müssen mit dem Klimawandel leben. Das heißt, die Waldbrandgefahr im Süden wird sich weiter erhöhen. Sie wird aber auch nach Norden ziehen - wie wir jetzt in Schweden sehen. Letztes Jahr hatten wir die größten Waldbrände seit Menschengedenken in Grönland. Wir müssen uns gemeinsam darauf vorbereiten. Deswegen ist auch der erste Pfeiler unseres Kommissionsvorschlages zur Verbesserung des Systems: mehr für die Prävention und mehr für die Vorbereitung zu tun. Und wir sind auch willens, da viel zu investieren. Natürlich wird die Umstellung einige Jahre brauchen. Aber ich bin schon sehr, sehr optimistisch, dass die Mitgliedsstaaten da an einem Strang ziehen und das ernst nehmen.
    Stövesand: Vielen Dank, Johannes Luchner war das über die europäische Koordination von Notfallmaßnahmen.