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Wallraff fordert mehr Unterstützung für bedrohten Shahin Najafi

Der im deutschen Exil lebende iranische Musiker Shahin Najafi wird mit dem Tode bedroht. Zwei hohe iranische Geistliche haben eine Fatwa gegen ihn ausgesprochen. Günter Wallraff sagt, dem Bedrohten gehe es den Umständen entsprechend gut - er brauche aber mehr Schutz.

Das Gespräch führte Doris Schäfer-Noske | 20.05.2012
    Doris Schäfer-Noske: Der im deutschen Exil lebende iranische Musiker Shahin Najafi wird mit dem Tode bedroht. Zwei hohe iranische Geistliche haben eine Fatwa gegen ihn ausgesprochen. Außerdem wurde ein Kopfgeld von 100.000 Dollar auf ihn ausgesetzt. Auslöser ist ein neuer Song des Musikers, in dem er sich über einen Imam lustig macht, der seit über 1100 Jahren tot ist. Najafi erklärte, der Song sei eine ironische Anlehnung an eine Facebook-Gruppe, die den Imam aus der Vergessenheit befreien wolle. Er habe aber niemanden beleidigen wollen. Der Musiker hat sich an den Journalisten und Schriftsteller Günter Wallraff gewandt, der auch Salman Rushdie 1989 bei sich aufgenommen hatte, als dieser wegen seines Buches "Die satanischen Verse" bedroht wurde. Inzwischen ist Najafi an einem geheimen Ort untergebracht und steht unter Polizeischutz. - Frage an Günter Wallraff: Herr Wallraff, wie geht es denn Shahin Najafi zurzeit?

    Günter Wallraff: Ja, wie sagt man? – Den Umständen entsprechend gut. Er lässt sich nicht unterkriegen, sondern im Gegenteil: Er nimmt das als Herausforderung an und er ist das auch denjenigen schuldig, die im Iran selber mundtot gemacht sind oder auch in Gefängnissen sitzen, und für die, sagt er, muss ich weitermachen, und er ist dabei zu überlegen, wann er wo wieder auftritt, natürlich unter Polizeischutz. Es gibt in Schweden – die sind da etwas mutiger – eine große Solidaritätsveranstaltung, die geplant ist. Also er fängt schon wieder an, neue Texte zu machen, und da würde ich sagen: Respekt.

    Schäfer-Noske: Es ist ja auch ein anderer Fall als damals Salman Rushdie, um den Sie sich auch gekümmert haben, denn Shahin Najafi ist ja ein Musiker, der auftreten muss im Grunde genommen. Wie gefährlich schätzen Sie seine Situation ein?

    Wallraff: Also die Bedrohung ist ganz enorm, weil alle paar Tage, ja, man kann sagen fast täglich gibt es neue Meldungen, dann sind andere Groß-Ayatollahs, die meinen, auch hier noch ihre Todesdrohung, ihre Fatwa abgeben zu müssen, und dann das Ganze entsprechend begründen. Dann fallen so Sätze, dass es für jeden Muslim eine Pflicht sei, dieses Todesurteil zu vollstrecken, das könne nun jeder machen, und dann melden sich auch schon im Internet welche mit Maske und über Videobotschaften, dass sie nun hier egal wo in der Welt ihn auch aufspüren würden. Dann kommt der außenpolitische Sprecher aus dem Iran und sagt, nein, das wäre kein Terror, was man hier veranstaltet, das sei völlig gesetzeskonform mit dem Scharia-Recht. Also es ist im Moment eine Kampagne gegen ihn. Man hat den Eindruck, man braucht solche Feindbilder.
    Aber was auch interessant ist: Ähnlich wie Salman Rushdie arbeitet er auch mit Ironie, mit Satire. Und Fundamentalisten, die Islamisten, die sich im Besitz der reinen Wahrheit wähnen, die verstehen nun überhaupt keinen Spaß. Die meinen das todernst im wortwörtlichen Sinne ihrer Absolutheitslehre. Er trifft einen Nerv und er ist ein Künstler, der übrigens keiner Richtung so richtig verpflichtet ist. Er ist kein Rapper, er hat eine viel breitere Palette. Er ist auch Poet, er macht Gedichte, er arbeitet mit Jazz, mit Soul. Und im Iran sind jetzt so viele Jugendliche, die sagen weitermachen, nicht aufgeben, und denen ist er auch verpflichtet.

    Schäfer-Noske: Herr Wallraff, Sie haben Künstler und Musiker zur Solidarität mit Najafi aufgerufen. Wie kann denn eine solche Solidarität praktisch aussehen?

    Wallraff: Ich meine, in Deutschland ist leider, leider Solidarität insgesamt, besonders wenn sie mit ein bisschen Mut zusammenhängt, nicht gerade überentwickelt. Hier herrscht in vielem Gratisangst und es sind doch wenige, die von sich aus sich da bekennen – vielleicht auch aus falscher Zurückhaltung, weil sie meinen, es ginge hier um religiöse Gefühle. Darum geht es ja gar nicht. Das muss man organisieren und ich bin da zuversichtlich, dass demnächst da auch gerade diejenigen von Rang und Namen sich hier bekennen. Aber da muss man noch ein bisschen warten, das dauert was.

    Schäfer-Noske: Was kann denn Kultur überhaupt gegen diese Politik, wie sie die iranische Führung und die iranische Geistlichkeit betreibt, bewirken?

    Wallraff: ... ihn noch bekannter machen, was ja auch gerade geschieht. Sie erreichen ja das Gegenteil von dem, was sie bezwecken. Wenn er jetzt in Sicherheit ist und vielleicht auch noch politisch etwas mehr Schutz erhält, dann ist genau das Gegenteil von dem, was bezweckt wird, erreicht. Und in allen Bewegungen waren es ja immer mal Einzelne, die hier die Revolution oder die Demokratisierung hervorgerufen haben, und er gehört jetzt vorrangig zu denen, die vielleicht als Beschleunigerteilchen das Ende so eines grausamen menschenrechtsverletzenden Regimes betreiben. Also hier braucht er nur mehr Unterstützung, überhaupt mehr Schutz. Er braucht ein Stipendium, Mensch was haben wir hier für Stiftungen, und er lebt mehr oder weniger von der Hand in den Mund. Er braucht die Bühne und von daher braucht er Unterstützung, und das ist bisher kläglich.

    Schäfer-Noske: Der Schriftsteller Günter Wallraff war das über den mit der Fatwa bedrohten Musiker Shahin Najafi.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

    Interview mit Shahin Najafi:

    "In meinen Texten geht es um Religion und Freiheit im Iran" - Kölner Rapper Shahin Najafi vom Iran mit Fatwa belegt