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Walsrode und der Rockerfürst

Die Kleinstadt Walsrode beschäftigt den Presserat: Ein grüner Ratsherr wirft der Lokalpresse vor, seine Position in einem Streit nicht wiedergegeben zu haben – aus Angst vor der Rockergruppe Hells Angels.

Von Michael Weisfeld | 07.04.2012
    In Walsrode gibt es seit fast zwei Jahren eine lebhafte Debatte über die Rockervereinigung Hells Angels, die mit ihren Geschäften dort sehr präsent ist. Wolfgang Heer, der 67-jährige Schatzmeister der deutschen Hells Angels, betreibt in Walsrode unter anderen ein Bordell und eine Sicherheitsfirma.

    In der Wirtschaft und der Politik der Kleinstadt gewinnt Wolfgang Heer Kunden und Freunde. Durch wohltätige Spenden macht er sich einen guten Namen. Bis Detlef Gieseke, ein Ratsherr der Grünen, verlangt, dass die Gemeinde einen Trennungsstrich zu den Hells Angels zieht. Zum Beispiel dass das Stadtmarketing bei seinen Veranstaltungen die Rocker nicht mehr als Sicherheitsleute beschäftigt.

    Zunächst stoßen die Grünen damit auf den geschlossenen Widerstand der Kleinstadthonoratioren. Auch die Walsroder Zeitung zeigt keinerlei Ehrgeiz, die Verflechtungen aufzuklären zwischen den Hells Angels, die von den Polizeibehörden Deutschlands der organisierten Kriminalität zugerechnet werden, und der guten Gesellschaft der Kleinstadt. Und Heer, der Rockerfürst, dreht den Spieß sogar um. Er hat sich nämlich mit seinem Geld sogar in die Politik eingemischt indem er 2001 einen gemeinsamen Bürgermeisterkandidaten der FDP und der Grünen mit einer Spende unterstützte. Auf einer Diskussionsveranstaltung in der Stadthalle sagt Heer:

    "Herr Gieseke, können Sie sich nicht mehr daran erinnern, dass Sie mir vor Jahren ein herzliches Dankeschön haben ausrichten lassen? Wissen Sie das nicht mehr? Haben Sie nicht mal Spenden gesammelt für die Bürgermeisterwahl von Herr Filbrunn? Das waren Sie doch! Und sagen Sie nicht, dass Sie nicht wussten, dass das Geld von mir kam. Sie selber haben sich herzlich bei mir bedanken lassen."

    Sitzen die Grünen also mit im Spendensumpf der Hells Angels? Die Walsroder Zeitung zitiert diesen schlauen Konterschlag Heers in den folgenden Monaten gleich zweimal. Die Sicht seines Kontrahenten Gieseke dagegen kommt in der Zeitung nicht vor. Gieseke behauptet nämlich, er habe von Heers Spende zwar gewusst, sie sei aber an ihm vorbei direkt in die Wahlkampfkasse des parteilosen Kandidaten geflossen, und er, Gieseke, habe sich nicht bei Heer bedankt.

    Gieseke verlangt von der Walsroder Zeitung, dass sie eine Gegendarstellung veröffentlicht – ohne Erfolg. Das beklagt Gieseke beim Presserat.

    "Und als Zweites habe ich moniert, dass Heers Behauptung unkommentiert und ohne noch mal recherchiert worden zu sein, einfach so abgedruckt worden ist."

    Der Presserat gibt Gieseke Recht. Einstimmig entscheidet der Beschwerdeausschuss:

    "Es ist mit der journalistischen Sorgfaltspflicht unvereinbar, dass die Redaktion die Aussage eines Hells Angels veröffentlicht, dass auch der Ratsherr der Grünen für den Bürgermeisterwahlkampf eine Geldspende der Gruppe angenommen habe. Hier hätte die Zeitung den Betroffenen selbst zu Wort kommen lassen müssen."

    Die Walsroder Zeitung mochte gegenüber dem Deutschlandfunk dazu nicht Stellung nehmen. Auch die Frage, ob die Entscheidung – wie vom Presserat empfohlen - den Lesern in der Zeitung mitgeteilt werde, blieb unbeantwortet.

    Es sind überregionale Medien, die die Debatte um die Hells Angels von Walsrode beobachten und darüber berichten. Die Walsroder Zeitung, am Ort des Geschehens gut vernetzt, hält sich zurück. Warum? Das kann Detlef Gieseke nur vermuten.

    "Man war lange Jahre mit Herrn Heer gut bekannt, hat sich um seinen Hintergrund nicht gekümmert, und jetzt kommt da so ein grüner Lokalpolitiker, der hier eigentlich nichts zu sagen hat, und sagt, das ist schlecht, und die anderen Medien und sogar das Landeskriminalamt gibt diesem Mann auch noch Recht. Jetzt auf einmal sieht man sich ins Unrecht gesetzt."

    Die Lokalzeitung, sei sie gut oder schlecht – für einen Ratsherrn ist sie wichtig.

    "Es hat je keinen Sinn, irgendeinen Kleinkrieg zwischen einer politischen Partei und einer Lokalzeitung zu machen. Nachdem dieses Urteil des Presserats gekommen ist, habe ich sofort mit dem Chefredakteur Kontakt aufgenommen und hab gesagt: Wir sollten reden."