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Walter-Borjans: Für eine gerechte Besteuerung das Bankgeheimnis knacken

In den Verhandlungen mit den EU-Finanzministern gehe es darum, den Druck aufrechtzuerhalten, sagt der NRW-Finanzminster Norbert Walter-Borjans (SPD). Die Schweiz müsse ihr Geschäftsmodell, das Anonymität gewährt, ändern, damit es Steuergerechtigkeit gäbe.

Walter-Borjans im Gespräch mit Christiane Kaess | 15.05.2013
    Christiane Kaess: Jahrelang lagen die Verhandlungen der Europäischen Union mit Drittstaaten wie der Schweiz darüber, wie man bei der Bekämpfung der Steuerflucht besser zusammenarbeiten könnte, auf Eis. Spätestens seit gestern, beim Treffen der EU-Finanzminister, kommt Bewegung in die Positionen: Österreich hat als letztes Land seine Blockadehaltung aufgegeben und damit konnten die Finanzminister beschließen, der EU-Kommission ein Mandat zu geben, Verhandlungen aufzunehmen über neue Steuerabkommen mit der Schweiz, Liechtenstein, Andorra, Monaco und San Marino. Zwar sind Österreich und Luxemburg noch gegen die Verschärfung der sogenannten Zinsrichtlinie, mit der Steuerlöcher in der EU geschlossen werden sollen, aber auch da war zumindest Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zuversichtlich, dass ein entsprechender Beschluss schon auf dem nächsten Ministertreffen im Juni gefunden werden kann. – Am Telefon ist Norbert Walter-Borjans, Finanzminister in Nordrhein-Westfalen und Mitglied der SPD. Guten Morgen!

    Norbert Walter-Borjans: Guten Morgen, Frau Kaess!

    Kaess: Das sieht nach substanziellen Fortschritten bei der Bekämpfung von Steuerhinterziehung aus. Macht denn Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in den Verhandlungen mit seinen Kollegen gerade alles richtig?

    Walter-Borjans: Es gehört ein bisschen zur Methode von Wolfgang Schäuble, immer sehr schnell den Eindruck zu erwecken, man habe schon viel erreicht, und in der Tat ist ja eine Bewegung zu erkennen. Nur ich möchte dazu zwei Dinge sagen. Das eine ist: Dass diese Bewegung in Gang gekommen ist, das hat damit zu tun, dass wir ein schlechtes Abkommen mit der Schweiz als SPD und grün regierte Länder verhindert haben, denn dann hätten sich Luxemburg und Österreich nicht bewegt. Und auf der anderen Seite ist noch sehr viel Absichtserklärung und ich würde sagen, da muss man aufpassen wie ein Luchs, wo welche Hintertür gesucht oder möglicherweise jetzt schon wieder eingebaut wird.

    Kaess: Zu den Hintertürchen kommen wir gleich noch. Aber Ihr Kollege, Baden-Württembergs Finanzminister Nils Schmid, ebenfalls von der SPD, sagt, mit dem automatischen Austausch von Steuerdaten innerhalb der EU greife Schäuble eine alte SPD-Forderung auf. Das müsste doch ganz in Ihrem Sinne sein?

    Walter-Borjans: Absolut! Das haben wir ja auch schon in der Zeit, als wir über das Abkommen mit der Schweiz diskutiert haben, immer wieder gefordert, denn dieses Abkommen hat ja nur behauptet, es sei ein automatischer Informationsaustausch, und im selben Abkommen stand dann drin, dass eben nicht mehr auf Daten zugegriffen werden kann, dass das Bankgeheimnis gilt, die Anonymität gewahrt bleibt. Das war ja genau alles nicht automatischer Informationsaustausch. Wenn es dazu kommt, dann ist das eine wirkliche Grundforderung, die wir immer gestellt haben und die vor allen Dingen auch Voraussetzung dafür ist, dass wir zu einer Steuergerechtigkeit kommen, wie wir sie brauchen.

    Kaess: Und Wolfgang Schäuble nimmt der SPD auch ein Wahlkampfthema?

    Walter-Borjans: Das haben wir ja jetzt an vielen Stellen, egal ob es Mindestlohn, Frauenquote, Energiewende ist, dass die Bundesregierung erkennt, sie fährt in die falsche Richtung. Die SPD hat die richtigen Themen und dann dreht sie um und sagt, guckt mal, das machen wir ja auch. Das weiß man aber dann, glaube ich, auch zu bewerten.

    Kaess: Aber im Fall Hoeneß hat die SPD ja triumphiert, weil sie das Steuerabkommen mit der Schweiz verhindert hat. Das haben Sie jetzt auch hier noch mal ausführlich erklärt. Aber die Freude ist Ihnen doch jetzt genommen, sollte es zu entsprechenden Abkommen durch die schwarz-gelbe Regierung kommen?

    Walter-Borjans: Es geht nicht um Triumph. Es geht darum, dass wir wirklich in Zukunft sicherstellen, dass diejenigen, die große Einkommen erzielen, sich nicht aus dem Staub machen können, wenn es darum geht, mitzufinanzieren, was sie selbst vom Staat auch erwarten. Ich sage noch einmal: Das was wir jetzt hören, was gestern verhandelt worden ist, das gibt Anlass zur Hoffnung, es geht in die richtige Richtung, aber es sind unglaublich viele Wenn und Aber darin. Österreich und Luxemburg haben schon wieder erklärt, oder auch die Schweiz erklärt, das gilt natürlich nur, wenn weltweit Standards eingeführt werden. Man weiß also auch jetzt schon, wo die Sollbruchstellen sind. Insofern: Wenn das Ziel erreicht wird, dann haben wir einen großen Schritt getan, aber da sind wir noch nicht.

    Kaess: Warum, glauben Sie denn, geben Luxemburg und Österreich ihre Blockadehaltung zunächst einmal auf? Ist der Druck einfach zu groß geworden?

    Walter-Borjans: Ich glaube schon, dass dieses Gefühl oder die Gewissheit, dass man mit Steuerbetrug auf Dauer nicht Geld verdienen kann, sondern dass auch durch CDU-Käufe eine große Verunsicherung im Kreis derer entstanden ist, die ihr Geld nach Luxemburg, in die Schweiz, nach Österreich gebracht haben. Das ist das eine. Und das andere ist, dass man auch sieht, dass gerade der Finanzsektor am Ende auch unter einem schlechten Image leidet. Das heißt, man muss etwas verändern, es ist Unruhe entstanden, aber es geht auch um ein Milliarden-Geschäft und das bedeutet, man muss immer wieder gucken, wie man das eine mit dem anderen verbindet, auf der einen Seite ein gutes Image zurückzubekommen und auf der anderen Seite aber auch, dass man dieses Geld, das man ja auch sehr günstig bekommt, weil hinterzogenes Geld muss der Hinterzieher einigermaßen günstig anlegen, er hat da gar keine andere Chance, nicht verliert. Und da sagen wir: Diese Form von Win-win-Situation, die geht nicht. Am Ende muss stehen, dass es nicht mehr Geschäftsmodelle geben kann, die darauf basieren, dass man sein Geld damit verdient, dass in anderen Gemeinwesen das Geld hinterzogen wird.

    Kaess: Und wie kommen wir dahin? Sie haben gerade schon angedeutet, es wird Stolpersteine geben. Verhandelt werden soll jetzt mit den sogenannten europäischen Drittstaaten wie der Schweiz oder Liechtenstein. Welche Chancen sehen Sie und wo liegen die wie gesagt Stolpersteine?

    Walter-Borjans: Ich sehe Chancen an zwei Stellen. Das eine ist, dass sich Österreich und Luxemburg als EU-Mitgliedsstaaten ja eindeutig bekannt haben dazu, dass die Europäische Union, die Europäische Kommission überhaupt mal mit einer Stimme verhandeln kann. Das finde ich schon enorm wichtig und das geht auch in die Richtung, dass man an zweiter Stelle dann auch vereinbart hat, dass man sowohl internationale Abkommen sucht, dass man als EU verhandelt, aber dass man auch den Weg offen lässt, dass die einzelnen Länder ihre Schritte schon gehen können. Ich glaube, das haben ja auch die USA gezeigt: Man muss auch die Möglichkeit haben, einfach voranzugehen, weil wenn man darauf wartet, bis alle einstimmig etwas wollen, dann sage ich Ihnen voraus, dann wird das Ganze scheitern.

    Kaess: Das würde sich nicht widersprechen, bilaterale Abkommen auf der einen Seite und ein großes umfassendes Abkommen auf der anderen Seite?

    Walter-Borjans: Die Frage ist, ob es Abkommen sein müssen, aber bilaterales oder auch unilaterales, also einseitiges Vorgehen, das halte ich absolut für notwendig. Man muss Pflöcke einschlagen, in diesem Geschäft geht es um Milliarden und es geht darum, dass dann, wenn wir zur Ehrlichkeit zurückkommen, eine ganze Reihe auch viel Geld verlieren. Das bedeutet: Da kann man nicht auf Einvernehmen setzen, das sich so automatisch einstellt.

    Kaess: Herr Walter-Borjans, ist es richtig, jetzt schon vom Ende des Bankengeheimnisses zu sprechen?

    Walter-Borjans: Von der Notwendigkeit eines Endes muss man sicher sprechen, denn ich lege immer wieder Wert darauf, dass man unterscheidet zwischen dem Steuergeheimnis – das ist das Geheimnis, dass die Finanzbehörden gegenüber der Öffentlichkeit zu wahren haben; das sichert die Privatsphäre – und dem Bankengeheimnis, das am Ende nur den Betrug sichert, weil es sicherstellt, dass die Steuerbehörden nicht erfahren, wo welche Gelder liegen, die nicht versteuert worden sind. Das ist eine Voraussetzung, dieses Bankengeheimnis zu knacken, wenn man am Ende sicherstellen will, dass es zu einer ehrlichen und gerechten Besteuerung kommt.

    Kaess: Sind Sie optimistisch, dass Sie bald keine Steuer-CDs mehr kaufen müssen?

    Walter-Borjans: Das bin ich noch nicht.

    Kaess: Werden Sie weitere kaufen, bis Abkommen in Kraft sind?

    Walter-Borjans: Wir werden – und das ist die Grundvoraussetzung dafür, Erfolg zu haben – in den Verhandlungen den Druck aufrechterhalten, denn nur so geht es, dass sich diejenigen bewegen, die ihr Geschäftsmodell ändern müssen.

    Kaess: Der Fall Hoeneß war ja jetzt der prominenteste in diesem Zusammenhang. Beteiligen sich denn Bundesländer wie Bayern an den Kosten der CDs?

    Walter-Borjans: Da haben wir ja auch schon die eine oder andere Kehrtwende erlebt. Ich habe vor einigen Wochen einen Brief meines bayerischen Kollegen Söder bekommen, in dem er sagt, dass er sich an solcherlei Maßnahmen nicht mehr beteiligen wird. Ich habe ihm dann zurückgeschrieben und habe gesagt, Bayern bekommt daraus ja auch seine Einnahmen und es sei schon eine etwas ungewöhnliche Art und Weise, wenn der Bundesrat etwas abgelehnt hat, dann eigenmächtig eine Sanktion zu verhängen. Ich habe daraufhin die Nachricht bekommen, dass sich Bayern jetzt doch wieder beteiligt. Dasselbe gilt für Thüringen. Auch der Bund stellt sich jetzt wieder anders dar. Also ich habe schon die Hoffnung, dass wir am Ende, auch wenn mal vielleicht ein bisschen Pulverdampf sich verzogen hat, wieder zu einem vernünftigen Miteinander kommen und beide Seiten, A- und B-Länder, wie das so schön heißt, zu dem Schluss kommen, dass man Druck entfalten muss in diesem Bereich, um ein wirklich ungesetzliches, strafrechtlich relevantes Verhalten zu knacken.

    Kaess: …, sagt Norbert Walter-Borjans, Finanzminister in Nordrhein-Westfalen und Mitglied der SPD. Danke für dieses Gespräch heute Morgen.

    Walter-Borjans: Ja, gerne!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.