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Walter: Rezession ja, Inflation nein

Nach Ansicht des Bankers Norbert Walter, werden die finanzpolitischen Rettungsmaßnahmen der EU nicht in diesem Jahr wirken. Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank rechnet für 2009 vielmehr mit einer Rezession. Darüber hinaus kritisierte Walter die zusätzliche staatliche Schuldenaufnahme und bezeichnete sie als "Hypothek auf künftige Generationen".

Norbert Walter im Gespräch mit Jürgen Liminski |
    Jürgen Liminski: Vertrauen ist die Währung des Lebens, aber ist das Drehen an finanztechnischen Stellschrauben schon eine Besinnung auf diese Währung von immer? Reichen die Maßnahmen von London und Prag aus, um das Vertrauen in das Finanzsystem wieder herzustellen? - Zu diesen Fragen begrüße ich den Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Professor Norbert Walter. Guten Morgen, Herr Walter.

    Norbert Walter: Guten Morgen, Herr Liminski.

    Liminski: Herr Walter, der Rauch der Gipfelei ist verflogen, die alten Probleme sind noch da. Man hat eine Billion locker gemacht. Reicht das, um die Krise einzudämmen?

    Walter: Ich glaube, im Jahr 2009 nein, im Jahr 2010 kann es sein. Die Billion, die locker gemacht wurde, da weiß man nicht so genau, was alles in der Tüte drin ist. Da gibt es eine ganze Reihe von Dingen, die in ganz normalen Staatshaushalten sind, die jetzt nur unter neuer Firmierung auftauchen, damit man in der internationalen Debatte besser dasteht. Da gibt es aber vor allem ganz viele Dinge, die zwar lieb gemeint und auch vielleicht gut sind, aber die kurzfristig nicht wirksam umzusetzen sind. Deshalb bin ich skeptisch, dass viele dieser Maßnahmen von Peking über Tokyo, über New York, Berlin, Paris, London in diesem Jahr wirksam werden, und damit vermutlich eher große Rezession in diesem Jahr trotzdem.

    Liminski: Eine Billion Dollar frisches Geld, davor gab es noch mal Billionen in Amerika und Europa. Ist das Geld überhaupt gedeckt oder mit konkreten Werten hinterlegt?

    Walter: Wir haben Leistungsstärke. Das was jetzt geschieht ist ja der Ersatz von Nachfrage, die aus den privaten Märkten nicht zu Stande kommt, durch staatliche Maßnahmen - entweder indem der Staat selber nachfragt, oder indem der Staat wie bei der Abwrackprämie dafür sorgt, dass Private etwas tun, was sie sonst nicht getan hätten. Ist das Geld da? - Nein, das Geld ist nicht da. Es wird in sehr vielen Fällen durch zusätzliche staatliche Schuldenaufnahme finanziert. Es wird nicht durch Steuereinnahmen oder andere Gebühreneinnahmen gedeckt. Und das bedeutet natürlich in der Tat, dass wir eine Hypothek auf künftige Generationen wiederum packen, und da hat der Papst schon Recht: Bei solchen Fragen muss man dann Wertefragen anstellen und da muss die jetzige Generation sich fragen, ob sie ihren Kindern wirklich immer nur alles Gute tut.

    Liminski: Das Geld ist nicht da, wir müssen Schulden aufnehmen. Steuern wir damit auf eine Inflation zu?

    Walter: In diesem Jahr mit Sicherheit überhaupt nicht. Die Schweizer sind bereits in dem Zustand sinkenden Preisniveaus angekommen, wir Deutschen werden das im Verlaufe der nächsten Monate auch tun. Ich vermute, dass weltweit die Debatte eher über Deflation sich verstärken wird im Jahre 2009 als über Inflation. Diese Debatte über Inflation, die mit den staatlichen Ausgaben zu tun hat und dem Umstand, dass eben Steuereinnahmen die Ausgaben nicht decken, ist eine Debatte, die ihre Berechtigung wohl erst in den Jahren 2011 und 2012 haben wird. Die Frage, ob es dann Inflation gibt, entscheidet aber die Haltung der Zentralbanken, ob die Zentralbanken dann, wenn die Konjunktur stabilisiert ist, die Zinsen auch wieder so zügig heraufsetzen, wie sie sie jetzt zügig reduziert haben, wenn sie dann mit dem Staubsauger die Liquidität, die sie jetzt in die Märkte gepresst haben, auch wieder absaugen, was sie können, wenn sie wollen und wenn sie politisch dürfen. In Europa werden sie das dürfen, denn die Europäische Zentralbank ist unabhängig, und zwar uneingeschränkt unabhängig. In den USA ist das nicht so eindeutig der Fall und in vielen anderen Ländern gibt es auch eher Einflussnahmen der Politik auf die Zentralbanken. Würden die Zentralbanken weiterhin Geld drucken, auch dann, wenn die Konjunktur anspringt, dann gäbe es die Gefahr der Inflation. Das ist also eine theoretische Frage; es ist derzeit praktisch noch nicht beantwortet.

    Liminski: Vertrauen ist nicht nur im Alltag die Währung des Lebens, ist auch in der Maschinerie des Finanzsystems das eigentliche Schmierfett. Sehen Sie Anzeichen für eine Rückkehr des Vertrauens?

    Walter: Das ist zu früh. Ich glaube nicht, dass man das schon sagen kann. Ich glaube, dass wir, um im Bild zu bleiben, beim Absturz, den wir hinter uns haben, alle Leute, alle wichtigen Leute wohl im Schlauchboot haben, aber wir sind immer noch auf offener See und wir haben wahrscheinlich nicht genug Ruder oder nicht ausreichend kräftige Ruderer, um das feste Land zu erreichen. Das alles muss erst gesichert werden, erst danach kann man von Vertrauensbildung wieder sprechen. Die Institutionen, die wir brauchen - und zwar sowohl auf der privaten Seite, lebenskräftige Banken, lebenskräftige Börsen, wie auch effektive funktionierende Aufsichtsbehörden -, das ist noch alles in Debatte, aber noch nicht etabliert.

    Liminski: Ihr Chef, Herr Ackermann, hat sich heute Morgen in der Zeitung mit den großen Buchstaben gegen hohe Boni ausgesprochen. Stört Sie das?

    Walter: Nein, das stört mich nicht. Ich hoffe aber, dass die Interpretation, die im Verlauf der letzten Jahre ja immer negativ für ihn war, nicht auch darauf wieder negativ ist.

    Liminski: Ein bisschen Inflation in der Zukunft, aber viel Zuversicht heute inmitten der Krise. Das war Professor Norbert Walter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Besten Dank für das Gespräch, Herr Walter.