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Wandelbare Lichtlenker

Materialforschung. - Metamaterialien sind neuartige Designer-Werkstoffe aus dem Labor, deren optische Eigenschaften es in der Natur so nicht gibt. Damit bieten sie Optik-Ingenieuren ganz neue Möglichkeiten - von der Verkleinerung herkömmlicher Kameralinsen bis zum Bau hochauflösender Mikroskopobjektive. An der Duke-Universität tüftelt ein deutscher Forscher an wandelbaren Lichtlenkern, die optische Technologien revolutionieren könnten.

Von Ralf Krauter |
    Marco Rahm will Lichtstrahlen auf unkonventionelle Weise vom Kurs bringen: Mit neuartigen Designer-Werkstoffen, die es zum Beispiel erlauben, einen einfallenden Lichtstrahl parallel zu verschieben. In den Computer-Simulationen des promovierten Physikers funktioniert das bereits perfekt. Farbige Wellenfronten treffen auf eine dünnes Plättchen, treten ein Stückchen versetzt wieder aus und laufen exakt in ihrer ursprünglichen Richtung weiter.

    " Da die Wellenfronten nicht geknickt werden, entstehen keinerlei Abbildungsfehler wie bei konventionellen Optiken. Dieser Strahl-Verschieber wäre deshalb das perfekte Werkzeug, um einen fokussierten Laserstrahl über eine flache Oberfläche zu scannen - zum Beispiel um Löcher hinein zu bohren oder Strukturen einzuprägen. "

    " Natürlich könnten sie denselben Effekt auch erzielen, indem sie zwei Spiegel verwenden. Mit dem ersten lenken sie den Strahl ab, mit dem zweiten schicken sie ihn dann wieder parallel zum ersten auf die Reise. Aber unser Designer-Werkstoff macht das ganz von selbst: Es verschiebt die Wellenfronten senkrecht zur Ausbreitungsrichtung. Mit konventioneller Optik, wäre das viel umständlicher. "

    Marco Rahm ist Mitte 30, sitzt im Büro seines Chefs David Smith und spricht deshalb englisch. Seit knapp zwei Jahren arbeitet er in der Gruppe des renommierten Professors an der Duke University. David Smith war der Mann, der 2006 die erste funktionierende Tarnkappe aus einem Metamaterial gebastelt hat: Ein handtellergroßes Ensemble aus braunen Plastikringen, das einfallende Mikrowellenstrahlung so um ein Objekt in seinem Zentrum herumlenkt, als ob es gar nicht da wäre.

    Der Schlüssel für diesen Trick sind Myriaden millimetergroßer Drahtschleifen auf den Plastikringen: Elektromagnetische Resonatoren, deren Form und Anordnung so gewählt ist, dass sie einfallendes Licht einer bestimmten Wellenlänge gezielt ablenken. Mit einem verfeinerten Ansatz, bei dem zusätzliche Elektroden integriert werden, will Marco Rahm nun neuartige optische Bauteile konstruieren. Zum Beispiel jenes dünne Plättchen, das einen einfallenden Mikrowellenstrahl verschiebt.


    " Ich habe berechnet, welche Eigenschaften ein Material haben muss, um diesen Effekt zu erzielen. Momentan versuchen wir, es herzustellen, um solch einen Strahl-Verschieber erstmals experimentell zu demonstrieren. "

    Marco Rahm ist optimistisch, innerhalb der nächsten Monate die ersten Tests machen zu können. Die müssten dann zeigen, wie einfach sich die viel versprechende Idee in die Praxis umsetzen lässt. Das Anwendungspotenzial jedenfalls scheint enorm. Konfigurierbare Linsen zum Beispiel, die auf Knopfdruck ihren Fokus verändern, könnten die Mechanik in Kameraobjektiven einmal obsolet machen.

    " Man könnte sich sogar folgendes vorstellen: Sie platzieren eine Scheibe dieses Materials in einem Lichtstrahl, legen eine Spannung an und bekommen so den bereits erwähnten Strahl-Verschieber. Sie könnten aber auch ein anderes Spannungsmuster an das Metamaterial anlegen und dadurch ein völlig anderes optisches Bauteil realisieren - etwa eine Linse oder einen Spiegel. Es wäre physisch dasselbe optische Bauteil, aber je nachdem, wie sie es ansteuern, hätte es völlig unterschiedliche Eigenschaften. Auf diese Weise wollen wir eine komplett neue Klasse wandlungsfähiger Optiken verwirklichen. "

    Für Mikro- und Radarwellen könnten solche innovativen Lichtlenker vielleicht schon innerhalb der nächsten Jahre gelingen. Bei sichtbarem Licht, mit seiner tausendfach kleineren Wellenlänge, stehen allerdings noch viele Hürden im Weg. Marco Rahm will sich langsam herantasten. Sein nächstes Ziel sind optische Modulatoren für den Frequenzbereich zwischen Mikrowellen und Infrarotlicht, die so genannte Terahertzstrahlung. Im August tritt er eine Gruppenleiter-Stelle an einem darauf spezialisierten Fraunhofer-Institut in Kaiserslautern an.