Donnerstag, 02. Mai 2024

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Wanderung um den Klosterberg
Zu Besuch bei der heiligen Odilie im Elsass

Weinfeste, kulinarische Köstlichkeiten, Dörfer und Städtchen mit postkartenreifen Ortskernen - das Elsass ist bekannt für viele schöne Dinge. Über all dem wacht, hoch oben auf dem "Mont Sainte Odile", die Schutzpatronin des Elsass: die heiligen Odilie.

Von Rudi und Rita Schneider | 28.10.2018
    Kloster auf dem Odilienberg in den Vogesen, auch Kloster Hohenburg genannt, Elsass, Frankreich | Verwendung weltweit
    Blick vom Kloster auf die Tiefebene (dpa/ Jürgen Feuerer)
    Entlang des Ostkamms der Vogesen befinden sich eine ganze Reihe bekannter Burgen, wie beispielsweise die Haut Koenigsburg in Selestat. Etwas weiter nördlich in Sichtweite zu Straßburg finden wir erhaben auf einem roten Sandsteinplateau den Mont St. Odile. Praktisch zu Füßen des Mont St. Odile, dem Klosterberg der heiligen Odile, die die Schutzpatronin des Elsass ist, beginnen wir unsere Wanderung an einer ganz besonderen Quelle, die ihren Namen trägt.
    Der Legende nach ließ die heilige Odilie diese Quelle entspringen, indem Sie mit einem Stab an den Felsen schlug, weil sie einem völlig erschöpften und verdurstenden Mann helfen wollte. Mit Wanderstab und Rucksack treffen wir hier Prof. Dr. Alfred Osthof uns seine Frau Marga, und Marga benetzt offensichtlich nicht zum erstenmal hier ihre Augen mit dem Odilienwasser. "Wir wandern immer im Zweitagesrythmus. Einmal im Jahr gehen wir hier her und ich benetzte immer hier meine Augen. Ich habe eine Makuladegeneration und ich sozusagen in meinem ganzen Kreis die einzige Patientin, wo es weggegangen ist, also wo es nicht weitergegangen ist."
    Besondere Heilkräfte für Augenleiden
    Um diese Quelle ranken sich eine Vielzahl von Geschichten. Dieser Quelle werden besondere Heilkräfte für Augenleiden nachgesagt und sie ist traditionell eine wichtige Station der Wallfahrt zum Odilienberg. Alfred Osthof erzählt uns mehr über die Wanderwege rund um den Odilienberg und über seinen historischen Hintergrund. "St. Odilien ist ein uraltes Heiligtum hier. Die Kelten hatten schon hier oben einen Fürstensitz und das ist sozusagen in der christlichen Religion der heilige Ort der Elsässer geworden, der Odilienberg. Da oben hat man eine schöne Aussicht. Man sieht die uralte Wehrmauer, die da mit großen Steinen gemacht ist. Deswegen gehört diese Wanderung zu unserem Programm. Wir sind die mindestens schon fünfzehn - zwanzigmal gegangen. In jedem Jahr machen wir die, wenn wir unser Programm abspulen."
    Im Jahr 680 die Abtei gegründet
    Folgen wir also dem Programm der Familie Osthof und wandern zunächst hinauf zum Kloster, der früheren Hohenburg des Herzogs Eticho und seiner Frau Bereswinde. Im Jahr 660 soll Bereswinde eine Tochter zur Welt gebracht haben, die bei der Geburt blind war, weshalb Eticho das Kind, auch weil es nicht der erhoffte Sohn war, zunächst verstieß. Als Odilie im Kindesalter von Bischof Erhard getauft wurde, soll die das Augenlicht wieder erlangt haben. Odilie kehrte später zu ihrem Vater zurück. Eticho erkannte der Legende nach seinen Fehler und schenkte Odilie die väterliche Hohenburg, in der sie dann im Jahr 680 eine Abtei gründete.
    Statue der Heiligen Odilie, Frankreich, Bas-Rhin, Elsass, Mont Sainte-Odile
    Statue der Heiligen Odilie auf dem Klosterturm (dpa/ Jürgen Feuerer)
    Die damalige Hohenburg, die auf dem Felsplateau der Vogesen hoch über dem Rheintal tront, wurde über die Jahrhunderte durch etliche Gebäude ergänzt. Das heute dominierende Gebäude ist die Konventkirche, die Basilika Unserer Lieben Frau. Das Eingangsportal wurde 1819 errichtet.
    Im nach Osten ausgerichteten Hochaltar wachen auf dem Tabernakel zwei goldene Engel, die eine Krone über der Monstranz der ewigen Anbetung halten. Das Bild erinnernt an die beiden Cherubim, die der jüdischen Tradition nach auf dem Deckel der Bundeslade wachen. Im Gegensatz zu manch anderen Monstranzen besteht der Schaft aus einer Elfenbeinstatue der hl. Odilie, die mit ihrer rechten Hand auf die Hostie über ihre zeigt. Neben dem linken Seitenaltar, der der hl. Odilie gewidmet ist, führt eine Tür in den deutlich älteren historischen Trakt des Konvents. Die Klänge gregorianischer Choräle wehen wie akustische Bänder durch den Gang und die kleinen Kapellen, die auf der rechten Seite zur stillen Meditation einladen.
    Aufschwung im 12. Jahrhundert
    Das Kloster erlebte im 12. Jahrhundert unter der Abtissin Relindis einen außergewöhnlichen, auch baulichen Aufschwung. Aus dieser Zeit stammt auch die Kreuzkapelle im romanischen Stil, über der sich die Bibliothek befindet, die einstmals mehr als 2000 Bände umfasste. Neben der Kreuzkapelle befindet sich die Odilienkapelle. Gegenüber dem kunstvollen Sarkophag der hl. Odilie zeigen sieben Ölgemälde die wichtigsten Stationen aus ihrem Leben. Hier ist mit Sicherheit neben dem Tabernakel in der Basilika der meditativste Raum der Abtei. Während die Turmuhr der Basilika das Konvent zur Sext oder Mittagshore ruft, wandern wir weiter zur hinteren Terrasse der Klosteranlage.
    Blick in die Tränenkapelle
    Blick in die Tränenkapelle (Deutschlandradio / Rudi und Rita Schneider)
    Dabei führt unser Weg im Kloster auch durch einen Trakt, in dem Pilger von Alters her und heute natürlich auch die Besucher nicht nur verköstig werden, sie können dort auch übernachten. Überhaupt, trotz der vielen Besucher herrscht im gesamten Klostergelände eine stille und ohne Zweifel auch spirituelle Atmosphäre, so berichten es viele Gäste, die aus den unterschiedlichsten Weltanschauen hier her kommen. Eine dieser Gäste ist Gisela Steinästel, die mir ihrer ganzen Familie aus der schwäbischen Alb gekommen ist. "Ich bin zum erstenmal auf dem Odilienberg. Wir machen mit der Großfamilie, Enkelkinder und anderen Eltern Urlaub im Elsass. Wir haben gedacht, das ist ein lohnenswertes Ziel, schon des Ausblicks wegen, aber auch wegen einer gewissen Spiritualität, die hier ausgestrahlt wird. Man empfindet das, wenn man hier reinkommt trotz der vielen Menschen, diese Stille und diese besondere Atmosphäre."
    Unvergleichlicher Blick in die Ferne
    Während unseres Aufenthalts hatten wir das Glück eines glasklaren Wetters, das eine seltene Fernsicht gestattete. Die noröstliche Ecke der Klosteranlage bietet einen fast unvergleichlichen Blick in die Ferne, das emfanden auch Jan Bergmann und Gisela Steinästel. "Es ist phantastisch, wenn man hier sehr schön auf der einen Seite die Vogesen, auf der anderen Seite den Schwarzwald sieht. Mittendrin fließt der Rhein hindurch. Die Sonne scheint auf das Land hinüber. Man kann auch diese wunderschönen Orte im Elsass einzeln identifizieren. Man sieht im Hintergrund sogar Straßburg ganz am Horizont, und auf beiden Seiten die Bergzüge." "Atemberaubend, das würde ich auch sagen. Wir haben sogar das Straßburger Münster gesehen. Man konnte es schemenhaft in der Ferne erkennen, sehr beeindruckend."
    Aufnahme des Klosters mit Statue
    Blick auf das Kloster. ES wird auch Kloster Hohenburg genannt. Rundum gibt es wunderschöne Wanderwege (Deutschlandradio / Rudi und Rita Schneider)
    Hier am Nordöstlichen Ende des Klosterberges befinden sich die Merowingergräber. Archäologen vermuten dort die ursprünglichen, in den Felsen gehauenen Gräber von Eticho und Bereswinde, und auch möglicherweise das ursprüngliche Grab der hl. Odilie. Die sogenannte Tränenkapelle steht genau an und fast über diesen Felsengräbern. Daneben, an der äußersten nordöstlichen Ecke des Klosterplateaus steht die Engelskapelle. Sehenswert sind in jedem Fall in beiden Kapellen die Deckenmosaike, die 1936 von den beiden Mosaikkünstern Alphonse Gentil und Francois Eugène Bourdet ausgeführt wurden. Über all das und die vielen Wunder, die hier auf dem Berg der hl. Odilie geschehen sind, hat der Rektor des Klosters, Pater Patrick Koehler ein Buch geschrieben, über das er in einer Reportage von France 3 in elsässischem Dialekt sagte: "Für mich ist das ein Liebebrief an die heilige Odilie um ihr Lebenswerk zu ehren. Und einen Liebesbrief schreibt man mit dem Herzen." Liebesbrief an die hl. Odilie, wir wollen den Gedanken, sagen wir, musikalisch und auch spirituell aufgreifen. Die ganz besondere Atmosphäre, die hier alle Besucher beschreiben, hat auch die Harfinistin Claudia Kuhn entdeckt, die sich hier oben… sie hören richtig, in einem Linden-Baum wiedergefunden hat.
    Bemerkenswerter Wanderweg entlang der Heidemauer
    "Im Klosterbereich wurde ich sofort von dem hohen Lindenbaum vor der Tränen und Engelskapelle angezogen. Ich konnte mit meiner Harfe innen rein in diesen hohlen Baum und in seinem lichten grüngoldenen Innern stundenlang spielen. Das war einfach nur wunderschön." Begleitet von Claudias Harfenklängen wollen wir jetzt den Klosterberg verlassen und weiter unten um ihn herumwandern. Eine ganze Reihe, hervorragend beschilderter Wanderwege lädt dazu ein. Der sicher bemerkenstwerteste dieser Wege führt uns entlang der sogenannten Heidenmauer, an der auch Claudia entlang wanderte. "Sie ist aus uralten großen Stein gebaut. Manchmal meterhoch, manchmal geht man innerhalb der Mauer, manchmal außerhalb. Auch das fühlte sich schon unterschiedlich an. Manchmal kann ein bischen auf der Mauer gehen. Uns kam es so vor, als führt die Mauer uns, und betraten ihr magisches Reich."
    Harfe-Spielerin an der Heidemauer
    Claudia Kuhn spielt Harfe an der Heidemauer (Deutschlandradio / Rudi und Rita Schneider)
    Diese unglaubliche Mauer windet sich mit mehr als 300.000 Steinquadern ganze elf Kilometer rund um den Klosterberg. Sie soll ursprünglich aus der vorchristlichen Bronzezeit stammen und ein Jahrhundert nach der Zeit, als Odilie das Kloster führte, restauriert worden sein. Das schließen Archäologen aus der Radiocarbon-Analyse von Eichenholzkeilen, mit der die oberen Steine verzahnt wurden. Ein weiteres Relikt ist die Duidengrotte aus zyklopischen Steinen. Aber, es sind nicht nur die Steine, die auf diesem Wanderweg verzaubern. "Am beeindruckendsten war für mich der Wald, durch den sie uns führte, ein richtiger Zauberwald. Ich lieb den Wald sowieso, aber einen solchen hatte ich irgendwie noch nie gesehen und noch nie erlebt. Viele Bäume sahen aus, als seinen sie Wesen, die tanzten und im Tanz erstarrt sind. Ganz wundersam geschwungene, verschlungene Äste, mit Moos und mit Flechten bewachsen." Wir folgen weiter dieser monumentalen Mauer, und der Melodie von Claudias Harfe, einer Melodie, die sie in diesem Wald nicht nur komponiert, sondern dort auch direkt gespielt hat.
    "Das ist ein großer Kraftplatz"
    "Dazwischen immer wieder Felsen in Formen, die uns auch an lebendige Wesen erinnert haben. Auch mit Moos und Flechten, Bärten manchmal. Manche Felsen waren flach. Man konnte sich hineinlegen. Manche sehr groß zum draufklettern und einfach sitzenbleiben und die Atmosphäre genießen." An einigen Stellen geben die Felsen den Blick durch Baumlücken in ein grandioses Panorama frei. Auf unserer weiteren Wanderung durch diesen Wunderwald kommen uns drei Damen entgegen, die offensichtlich eine besondere Sensitivität zu dieser Natur haben. "Ich bin Shantidevi Felgenhauer. Wir erkunden gerade die ersten Meter der Heidenmauer und haben eben einen wunderschönen Herzplatz gefunden. Das sind so große Steine, wo man einfach nur draufsteht und glücklich ist und ein anderer davor, wo man einfach ganz tiefes Geborgen gespürt hat. Ich habe gehört, dass das ein großer Kraftplatz ist, und dass er auch sehr mit den weiblichen Energien verbunden ist, also mit Mutter Erde. Und von daher haben wir irgendwann gesagt, wir wollen was zusammen unternehmen als drei Freundinnen, und dann haben wir das gemacht."
    Sonnenuhr im Innenhof von Mont Sainte-Odile, Odilienberg, auch als Kloster Hohenburg bekannt, Vogesen, Elsass, Frankreich | Verwendung weltweit
    Sonnenuhr im Innenhof von Mont Sainte-Odile, Odilienberg... (dpa/ Jürgen Feuerer)
    Mit Shantidevi ist auch Hina Fruh in diesem Wald unterwegs. Shantidevi und Hina sind beide Buchautorinnen und Heilpraktikerinnen. "Uns hat die Engelskapelle sehr angesprochen. Die hatte eine ganz schöne Energie, da saßen wir auch lange und haben das einfach auf uns wirken lassen, das hat uns am meisten angesprochen." Die dritte der Freundinnnen im Bunde ist die Oecotropholgin Dr. Judith Wolschke "Ja, das kann mit Worten sehr schreiben. Ich würde mal einen Ton machen: "Hmmm" ja, das ist sehr tief, es ist sehr berührend und dennoch auch sehr lebendig. Ich fühle mich sehr angenommen und getragen." Es gibt aber auch andere Dinge, die die Besucher in diesem Wald verzaubern, oder sagen wir besser anlocken. Das ist der schier unendliche quadratkilometerweite Teppich an Heidelbeeren. Lucien Meier ist mit seinem Feund hier seit dem frühen Morgen unterwegs, um die köstlichen blauen Beeren rund um den Odilienberg zu sammeln.
    Heidelbeeren - ein sehr feines Obst
    "Ja, das ist schon ein schöner Frühsport in der reinen und puren Natur. Das macht Spaß. Ich mache das für meine Frau, das ist Liebesakt von meiner Seite. Ich selber laufe dem nicht nach, aber sie hat's sehr gerne, man muss ihr immer ein bisschen ein Pläsierchen machen." Die beiden benutzen, so sieht es aus, selbstgebaute Pflückkämme, die sie durch die Heidelbeersträucher ziehen. Dabei rupfen sich die Beeren ab und bleiben in der hinteren Auffangschale liegen, ein geniales Werkzeug. Seine Frau backt, so erzählt Lucien, einen einzigartigen und wie er sagt, unvergleichlichen Heidelbeerkuchen. "Es ist ein sehr feines Obst. Die Vogesen sind spezialisiert auf Heidelbeeren, sagt man das so auf Deutsch? Die Elsässer schwätzen alles unter einander in einem Satz. Wir ein richtiges Patchwork, wir sind an der Grenze, mal so und mal so. Wir sind schon richtige Europäer."
    Heidelbeer-Kamm mit Beeren in einer Schale
    Die Vogesen sind spezialisiert auf Heidelbeeren, es gibt unendliche quadratkilometerweite Teppiche an Heidelbeeren (Deutschlandradio / Rudi und Rita Schneider)
    Was für ein Spaß, beim weiteren Heidelbeer-Plaudern erfahren wir noch, dass Lucien mehrfach in Köln war, wo unser Funkhaus steht, und dass er dort nicht nur das blonde Bier, das wir Kölsch nennen, liebt, sondern auch die Höhner, die Kölner Kultband gehört hat. Um abschließend ehrlich zu sein, wir waren bei unserer Wanderung schon verwundert, mit welch interessanten Menschen und Situationen uns, wollen wir sagen, die liebe Odilie zusammengeführt hat, es war in jedem Fall "zauberhaft".
    "Monsieur… ja, so, also alles Gute, auf Wiedersehen, vielleicht ein anderes Mal, au revoir, schöne Zeit, danke, auch so."