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Wanderungsbewegungen
Falsche Fische im Panamakanal

Der Panamakanal ist nicht nur eine der wichtigsten Wasserstraßen der Welt, sondern auch ein sehr artenreiches Gewässer. Bei genauerer Betrachtung ist er sogar zu artenreich, hier finden sich nicht nur einheimische Süßwasserfische, sondern auch eine ganze Reihe Arten, die dort eigentlich gar nichts verloren haben.

Von Katharina Nickoleit | 21.02.2014
    Diana Sharp wirft den Motor ihres kleinen Bootes an und fährt raus auf den Gatunsee zum Fischen. Der See ist Teil des Panamakanals und der ist für die Biologin ein ganz besonderes Gewässer.
    "Der Kanal ist aus mehreren Gründen ein faszinierender Arbeitsplatz: Einer ist, dass es hier eine ganze Reihe eingeschleppter Arten aus verschiedenen Gegenden der Welt gibt. Sie alle koexistieren hier in diesem künstlichen Ökosystem."
    Da ist zum Beispiel der Tilapia, der eigentlich aus Ostafrika stammt und als schmackhafter Speisefisch im Kanal ausgesetzt wurde. Oder der Oscar aus Südamerika, eigentlich ein Zierfisch und irgendwer wollte wohl sein Aquarium auflösen. Am interessantesten ist für die Doktorandin aber der grüne Pfauenbarsch. Auch der stammt aus dem Amazonas und wird über einen Meter lang.
    "Der Pfauenbarsch wurde für den Angelsport ausgesetzt. In den 70ern wusste man noch nicht, wie gefährlich es ist, Arten von einem Teil der Welt in einen anderen zu versetzen. Die Leute dachten einfach, es wäre toll, wenn man den hier angeln könnte."
    Einheimische Arten verschwinden
    Für ihre Doktorarbeit vergleicht Diana Sharpe den Panamakanal mit einem anderen See, in dem es kaum fremde Arten gibt. Sie möchte wissen, wie sich die Einwanderer auf die heimischen Fischbestände auswirken. Die Unterschiede sind gewaltig.
    "Wir fangen hier vor allem eingeschleppte Arten. Doch viele der kleineren, heimischen Fische, die früher sehr häufig waren, fangen wir nur selten."
    Fische aus aller Welt im Kanal
    Eingeschleppte Arten, die das Ökosystem verändern, das ist ein Thema, das dem panamaischen Umweltschützer Lider Sucre große Sorgen macht.
    "Eingeschleppte Arten sind für Panama ein großes Thema und das hat mit dem Kanal zu tun, denn durch ihn kommen hier Schiffe aus aller Welt ins Land, und die bringen exotische Arten mit. Früher gab es hier schwarze Geckos mit rotem Kopf. Dann kamen weiße, asiatische Geckos ins Land, und die gibt es heute in allen Häusern Panamas."
    Die Einwanderer haben den heimischen Gecko verdrängt. Dafür sind nicht nur die Schiffe verantwortlich. Der Kanal verbindet zwei völlig unterschiedliche Lebensräume miteinander: Den Pazifik und die Karibik.
    "Glücklicherweise wurde der Kanal nicht auf Meeresniveau gebaut. Das wäre eine Katastrophe gewesen, vor allem für die Karibik, denn im Pazifik gibt es sehr aggressive Arten. Wenn die plötzlich in die Karibik hätten kommen können, hätte sich das Ökosystem dort völlig verändert."
    Das ist nicht geschehen - die beiden Ozeane sind durch Schleusen und einen riesigen Süßwassersee, den Gatunsee, voneinander getrennt. Doch ist das für die Fische eine unüberwindbare Barriere?
    Komplexes Zusammenspiel der Fischarten
    Diana Sharpe wirft ihr Netz aus.
    "Hier haben wir einen Mohara, das ist ein Meeresfisch, der auch Brackwasser und Süßwasser toleriert. Dieser hier kommt aus dem Atlantik. Es gibt hier verschiedene Arten, sowohl aus dem Atlantik als auch aus dem Pazifik. Die müssen durch die Schleusen durchgekommen sein, denn wir finden sie hier im Gatunsee."
    Die 26-Jährige ist nicht überrascht. Sie fängt regelmäßig Meeresfische in dem Süßwassersee. Eine große Zählung im Jahr 2004 ergab, dass es über 100 Meeresfischarten in den Gatunsee geschafft haben. Welche Folgen haben die invasiven Arten?
    "Wir schauen uns den Mageninhalt des Pfauenbarsches an und sehen, dass er sich stark von Meeresfischen ernährt. Das ist eine interessante Situation, denn womöglich nehmen die Meeresfische den Druck von den einheimischen Fischen. Das Zusammenspiel kann also sehr komplex sein."
    Ein künstliches Ökosystem mit Fischen aus aller Welt, von denen man nicht weiß, wer wen frisst - für die Forscher gibt es am Panamakanal noch viel zu tun.