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Warnschussarrest ist der falsche Weg

Nach der Haftverschonung der jugendlichen U-Bahn-Schläger in Berlin will die Union in der Koalition den Warnschussarrest durchsetzten. Für den Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei ist dies der falsche Weg. So eine Tat müsse deutlich spürbar zu einer Strafe führen, sagt Bernhard Witthaut..

Bernhard Witthaut im Gespräch mit Nadine Lindner | 28.04.2011
    Dirk Müller: Die Diskussion geht seit Tagen um in Berlin: Sollen Jugendliche, die straffällig werden, in einen sogenannten Warnschussarrest kommen, als Mittel der Abschreckung, als Mittel der Drohung, dass künftig mit kriminellen jungen Menschen härter verfahren wird? Vor allem die Union macht hierbei Druck, sie will den Arrestwarnschuss in der Koalition durchsetzen. Meine Kollegin Nadine Lindner hat darüber mit Bernhard Witthaut gesprochen, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. Ist der Warnschussarrest ein probates Mittel!

    Bernhard Witthaut: Für mich ist das sicherlich etwas, was in der Kriminologie eine Rolle spielt, um so etwas anzusetzen, aber in diesem Fall bin ich erst mal davon überzeugt, dass das der falsche Weg wäre, insbesondere weil ich auch glaube, dass das Instrument Warnschussarrest ja erst dann greift, wenn eine Strafe verhängt worden ist, die ist zur Bewährung ausgesprochen, und damit der Klient mal merkt, wie es ist, wenn er sich in dieser Bewährungsphase nicht bewährt, geht aber für drei Tage in den Knast und guckt sich den von innen an. Deswegen ist das für mich in diesem Fall eine falsche Maßnahme.

    Nadine Lindner: Ist es für Sie eine falsche Maßnahme, weil es zu lange dauert, bis das Urteil gefällt wird? Schieben Sie den Schwarzen Peter da gerade an die Kollegen von der Justiz?

    Witthaut: Nein, ich schiebe den Schwarzen Peter gar nicht weiter, aber der Sinn eines entsprechenden Warnschussarrestes hat eine andere Bedeutung als in diesem Fall. In diesem Fall muss meines Erachtens sehr schnell die Strafe auf dem Fuße folgen, sie muss also auch meines Erachtens ganz deutlich sich auswirken, dass der Täter auch merkt, das, was du da gemacht hast, ist also wirklich nicht mehr zu ertragen und ist völlig falsch, während beim Warnschussarrest das ja nur im Grunde genommen so ein Hinweis ist: Du, wenn du in deiner Bewährungsstrafe dich jetzt nicht in irgendeiner Form vernünftig verhältst, gehst du mal für drei Tage in den Bau. Das ist der große Unterschied.

    Lindner: Sie lehnen den Warnschussarrest ab, wie sollte es denn Ihrer Meinung nach gestaltet sein, aus der Sicht der Polizeigewerkschaft, damit es wirklich eine effektive Wirkung auf gewalttätige Jugendliche hat?

    Witthaut: Zum einen ist für mich ganz deutlich, dass die Strafe auf dem Fuße folgen muss, zum anderen ist für mich deutlich, dass der Strafrahmen auch des Öfteren aufgestockt werden muss, und wenn zum Beispiel die Möglichkeit besteht, jemanden bis zu drei Jahren zu verurteilen und der kommt nur mit drei Monaten auf Bewährung in so einem Fall davon, dann ist das ein falsches Signal, es muss deutlich spürbar zu einer Strafe führen. Und auf der anderen Seite ist für mich natürlich auch ein Argument sehr wichtig, nämlich zu überlegen, wie können wir als Polizei in so einer Situation helfen. Und ich glaube, auch dort gibt es die Möglichkeiten, mehr Polizeipräsenz zu zeigen, auf der anderen Seite aber auch gerade in S- und U-Bahnen und in anderen Verkehrsmitteln des öffentlichen Bereiches dort auch Personal einzubinden. Wenn Sie sich vorstellen, dass möglicherweise bei den BVGen, sprich eben halt bei U- und S-Bahnen hier zu Beginn des Monats Hunderte von Menschen Fahrkartenkontrollen, aber nachts, wenn sie jemanden brauchen, ist niemand da, dann ist das Personal falsch eingeteilt.

    Lindner: Sie hatten es eben angesprochen, dass in den U-Bahnen mehr kontrolliert werden soll und nicht nur die Fahrkarten, sondern halt auch die Sicherheit, aber wer soll das denn eigentlich bezahlen? Denn allein in Berlin gibt es ja über 200 U-Bahn-Stationen, noch nicht mitgerechnet die S-Bahn-Stationen oder die Bushaltestellen. Wer soll das denn bezahlen, soll das die öffentliche Hand bezahlen, sollen das private Firmen übernehmen, wie soll das funktionieren?

    Witthaut: Natürlich ist meines Erachtens eine Entwicklung in Deutschland einhergehend, nämlich wir versuchen überall dort Automaten aufzustellen, wo wir die Menschen ersetzen können. Wir haben aber andere Länder zum Beispiel, dort finden Sie an jedem Eingang des U-Bahn-Schachtes noch eine persönliche Kontrolle, und das hat eine ganz andere Wirkung. Das ist bei uns in Deutschland in den letzten Jahren abgeschafft worden, und deswegen ist für mich auch jetzt eine Prüfung erforderlich, die besagt, wenn wir dann nur noch Kameras irgendwo aufgestellt haben, mit diesen Kameras verhindern wir keine Straftaten, die helfen der Polizei, im Nachhinein vielleicht eine Tat aufzuklären. Dann müssen wir aber auch überlegen, ob wir nicht mal Personal dort unten Streife laufen lassen. Und das ist ein Beitrag, den wir alle leisten müssen. Es gibt die Luftverkehrssicherheitsgebühr, es wird auch darüber nachgedacht, so eine Sicherheitsgebühr einzufahren, aber das ist der grundsätzliche Fehler, der gemacht worden ist: In den letzten Jahren ist das Personal abgebaut worden, und da müssen wir jetzt meines Erachtens auch für sorgen, dass das zurückgeholt wird. Kann aber nur ein Beitrag sein. Der andere Beitrag muss sein, wir müssen uns mit dem Thema Alkohol in der Gesellschaft auseinandersetzen, weil gerade junge Leute sich teilweise sinnlos besaufen, sich an ganz bestimmte Grenzen heransaufen – ich sage das auch so ganz deutlich – und dann völlig enthemmt möglicherweise dann ihre Aggressionen ausleben.

    Lindner: Fordern Sie strengere Gesetze oder nur die Durchsetzung der bestehenden?

    Witthaut: Ich bin nicht dafür, immer gleich nach strengeren Gesetzen zu rufen, sondern ich bin dafür, dass man das Gesetz und auch den Strafrahmen vernünftig anwendet, und deswegen habe ich vorhin auch dieses Beispiel genannt, das muss deutlicher spürbar werden. Derjenige, der bei uns etwas macht in dieser Gesellschaft, muss auch damit rechnen, dass er bestraft wird.

    Lindner: Sie hatten es eben schon angesprochen: Für eine wirklich effektive Wirkung dieser Strafen müssen sie auf den Fuße folgen. Aber genau das passiert ja heute nicht, zwischen dem Zeitpunkt der Tat und zwischen der Verurteilung liegen mehrere Monate, teilweise bis zu einem halben Jahr. Ist es nicht auch ein Problem der Justiz, was Sie dort sehen?

    Witthaut: Ich sehe schon, dass das ein Problem in der Justiz ist. Ich bin jetzt natürlich nicht berechtigt und befugt, für sie zu reden, aber auf der anderen Seite ist es schon so, dass wir im Bereich der Polizei uns in vielen, vielen Dingen weiterentwickelt haben, es sind mehr Vorgänge erstellt worden, mehr Sachverhalte aufgeklärt worden, und bei der Staatsanwaltschaft und bei der Justiz ist vieles gleichgeblieben. Das bedeutet, da gibt es aus meiner Sicht erheblichen Nachholbedarf. Auf der anderen Seite, es gibt ja den Bericht des Bundesjustizministeriums mit den statistischen Zahlen aus dem Jahre 2009: Von round about sechs Millionen Straftaten werden zwei Millionen eingestellt. Und sie haben ja Glück, je nachdem, in welchem Bundesland sie liegen, ist die Einstellungsquote höher als in dem anderen Bundesland.

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