Freitag, 26. April 2024

Islamische Republik
Warum es auch nach den Wahlen im Iran keine Aussicht auf Veränderung gibt

15.000 Kandidaten, 290 Sitze im Parlament und nur gut 40 Prozent Wahlbeteiligung. Im Iran gab es die ersten Wahlen seit der Protestwelle im Jahr 2022. Gewählt wurden das Parlament und der sogenannte Expertenrat. Dass sich dadurch etwas im Land verändert, ist unwahrscheinlich.

07.03.2024
    Mehrere junge Menschen stehen in einer Gruppe. Zwei von ihnen halten ihre rechte Hand in die Kamera. Auf ihren Zeigefingern ist ein blauer Tintenfleck zu sehen. Im Iran wird mit Fingerabdruck gewählt.
    Eine Gruppe junger Erstwähler bei einem Treffen mit dem iranischen Religionsführer und Staatsoberhaupt Chamenei. (Iranian Supreme Leader's Office / / Iranian Supreme Leader's Office)
    Die Islamwissenschaftlerin Amirpur nannte die Wahlen eine "Farce". Die tausenden Kandidaten für die 290 Sitze seien vom konservativen Mullah-Regime streng ausgesiebt worden, sagte Amirpur im Deutschlandfunk. Alle einigermaßen reformorientierten Kandidaten seien nicht zur Wahl zugelassen worden. Es werde also ein Parlament zustandekommen, das ganz den Vorstellungen der Reaktionären entspreche. Ohnehin habe das Parlament aber nicht besonders viel legislative Macht, erläuterte die Islamwissenschaftlerin. Jedes Gesetz werde noch einmal vom Wächterrat gegengeprüft, und alle Gesetze, die in eine Reformrichtung gingen, würden spätestens von ihm abgesägt. Der Wächterrat ist neben dem Obersten Führer die wichtigste politische Instanz im Iran. Das Gremium entscheidet auch über die ideologische Eignung der Politiker.

    Die Rolle des Expertenrats

    Gewählt wurde neben dem Parlament auch der sogenannte Expertenrat. Dem auf acht Jahre gewählten Gremium gehören 88 schiitische Geistliche an, die im Todesfall des Obersten Führers Chamenei dessen Nachfolge bestimmen. Dass es unter einem Nachfolger Chameneis Reformen geben könnte, hält Amirpur für "absolut unwahrscheinlich". Der Expertenrat sei schon vorher so aufgestellt worden, dass er sich nur aus reaktionären Kräften zusammensetzen könne.
    Auch bei der außenpolitischen Doktrin des Iran werde sich nichts ändern. Das Regime wolle die sogenannte "Achse des Widerstands" mit der Hisbollah im Libanon und den Huthi im Jemen unbedingt erhalten, so Amirpur. Ziel sei es, das eigene System zu stabilisieren und die USA aus der Region zu vertreiben.

    Kein Platz für Widerstand

    Oppositionelle, insbesondere aus dem Exil, hatten zum Boykott der Wahlen im Iran aufgerufen. Die Wahlbeteiligung lag nach ersten Angaben bei gut 40 Prozent. Viele Menschen sind nach gescheiterten Reformversuchen der vergangenen Jahrzehnte desillusioniert und blieben der Abstimmung fern. Nach Angaben von Amirpur sind rund 90 Prozent der Bevölkerung im Iran unzufrieden mit dem politischen System, 70 Prozent plädieren gar für eine Abschaffung. Das gehe aus geleakten Umfragen hervor, die das Regime in Auftrag gegeben habe. Dass es trotzdem nicht zu einem Systemwechsel komme, liege daran, dass die iranischen Streitkräfte militärisch so hochgerüstet seien, dass sie Bevölkerung noch lange unterdrücken könnten. Es gebe ein reichhaltiges Repertoire an Repressionen, der Iran sei gemessen an der Bevölkerungszahl das Land mit den meisten Hinrichtungen weltweit.

    Weiterführende Informationen

    Das vollständige Interview mit Katajun Amirpur können Sie hier nachlesen.
    Einen Bericht über den Wahltag in der iranischen Hauptstadt Teheran hören Sie hier.
    Diese Nachricht wurde am 02.03.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.