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Was bedeuten Bundeswehreinsätze in Afghanistan für die rot-grüne Koalition?

Zagatta: Was bedeutet ein absehbarer Einsatz der Bundeswehr für die rot-grüne Koalition, vor allem für die Grünen? Das wollen wir Hubert Kleinert fragen. Er ist Landesvorsitzender der Grünen in Hessen. Guten Tag Herr Kleinert.

    Kleinert: Guten Tag.

    Zagatta: Herr Kleinert, was da jetzt ganz konkret von der Bundeswehr gefordert wird, das erfahren wir offiziell erst in gut einer halben Stunde. Da wollen wir also über Einzelheiten auch gar nicht allzu sehr spekulieren. Aber in Ihrer Partei war ja der Widerstand gegen die Kriegsführung in Afghanistan auch vorher schon groß genug. Was bedeutet das jetzt für die Grünen, wenn jetzt noch zusätzliche Wünsche an Sie herangetragen werden?

    Kleinert: Also das vermag ich natürlich bis ins Letzte auch noch nicht abzusehen. Was ich sagen kann ist, dass das natürlich eine ungeheuer schwierige Frage ist, insbesondere für eine Partei, die wie die Grünen ja eigentlich in besonderer Weise für friedliche Konfliktlösung steht. Wir haben uns ja nun dazu durchgerungen, vor einigen Wochen schon, zu dem Beschluss, zunächst mal breitgetragen im Beschluss: Gegen diese Dimension des internationalen Terrorismus muss auch mit repressiven Mitteln vorgegangen werden und deswegen sind wir grundsätzlich nicht dagegen, dass auch militärische Aktionen stattfinden. Wir haben aber gesagt, es muss zielgenau sein, es muss effektiv sein und es muss verhältnismäßig sein. In den letzten Wochen sind die Bedenken gewachsen - nicht nur bei uns, in der ganzen Gesellschaft - ob zielgenau und effektiv wirklich das ist, was für den Bombenkrieg in Afghanistan zutrifft. Und vor diesem Hintergrund muss man sich natürlich jetzt sehr genau fragen: Im Rahmen welcher Strategie könnte es zu einem Einsatz deutscher Soldaten kommen? Das scheint mir der entscheidende Punkt zu sein.

    Zagatta: Nun gibt es ja aber in den letzten Tagen ganz erheblichen Widerstand in vielen Landesverbänden der grünen Partei. Kann es sich die grüne Partei, die Bundespartei, in dieser Situation überhaupt leisten, da jetzt quasi noch etwas draufzupacken und weitergehende Maßnahmen, eine weitergehende Beteiligung der Bundeswehr überhaupt beschließen? Ist das für die Grünen machbar?

    Kleinert: Also das weiß ich nicht. Das wird ganz wesentlich davon abhängen, um was es im Einzelnen geht. Ich habe Ihnen ja gesagt: Wir haben grundsätzlich die Zustimmung zu Militäraktionen ja beschlossen. Das Problem in den letzten Wochen war aus meiner Sicht, dass das Unbehagen deshalb gewachsen ist in der Partei, weil man nicht recht gesehen hat, wohin das führen soll, was militärisch dort in Afghanistan geschieht. Sozusagen die Überzeugungskraft, auch der militärischen Strategie, hat doch stark nachgelassen. Die Verbindung zwischen politischem Ziel und militärischem Vorgehen war immer weniger deutlich erkennbar. Vor diesem Hintergrund ist das Unbehagen gewachsen und das schafft den Boden für die verschiedenen Beschlüsse, auf die Sie jetzt anspielen in meiner Partei. Das könnte sich vielleicht dann ändern, wenn überzeugender vermittelt werden könnte, wozu das Ganze dienen soll, im Rahmen welcher politischen Konzeptionen dieser Militäreinsatz vorgesehen ist, und dann ist es vielleicht denkbar, dass man sagt: Na gut, das scheint so überzeugend zu sein, dass man es vertreten kann. Aber das vermag ich im Moment überhaupt nicht abzusehen. Ich weiß ja noch gar nicht genau, was im Einzelnen vorgesehen ist und wozu - und da kann ich nur dem zustimmen, was ich eben bei Ihnen von Herrn Vogel gehört habe: Gerade in dieser Situation und gerade für unsere Partei ist es natürlich von enormer Bedeutung, dass da offen und soweit das irgend vertretbar ist, offen gespielt wird und dass das Parlament möglichst genau unterrichtet wird über das was vorgesehen ist.

    Zagatta: Wie schätzen Sie die Stimmung bei den Grünen ein? Sie kennen Ihren eigenen Landesverband. Die Mehrheit der Landesverbände soll mittlerweile klipp und klar einen Bombenstopp gefordert haben. Jetzt neue Aufgaben. Kann das zu einer Zerreißprobe für die grüne Partei werden?

    Kleinert: Also, das Wort Zerreißprobe heißt ja immer, dass es zerreißen könnte, also deswegen verwende ich es nicht so gerne, aber sicherlich ist es eine ungeheuer schwierige Frage und ich vermag noch nicht abzusehen, wie das innerhalb der grünen Partei weitergeht. Ich glaube nach wie vor, dass sehr vieles davon abhängt, ob man eine Vorstellung davon haben kann, dass der Einsatz dieser Mittel auch tatsächlich zu einem Erfolg führen kann. Im Moment ist es ja eher so, dass die Sorgen wachsen, dass das Engagement in Afghanistan ja eher in die Richtung geht, wie wir das schon hatten...ich meine, es wird gelegentlich da das Beispiel Vietnam genannt, also...Die Überzeugungskraft der politischen Strategie, die da dahinter steckt, ich glaube, das ist das Entscheidende, woran sich auch die Diskussion bei den Grünen entscheiden wird. Dass es eine ungeheuer schwierige Frage ist, ich glaube, wird niemand bestreiten. Das gilt aber nicht nur für die Grünen.

    Zagatta: Dankeschön. Das war Hubert Kleinert, Landesvorsitzender der Grünen in Hessen