Jürgen Zurheide: Über die Klimakonferenzen, über die EU-Konferenzen wollen wir reden. Wir wollen fragen, was ist denn dabei rausgekommen. Und vorher, bevor wir das gleich mit dem Bundesumweltminister besprechen, wollen wir noch mal hören, wie Angela Merkel über das Klima geredet hat, als sie in Grönland war.
Angela Merkel: Insgesamt natürlich heißt es, der Meeresspiegel steigt, die durchschnittliche Temperatur steigt, und zwar sehr viel schneller, als das woanders ist, und deshalb kann man ja hier dieses veränderte Klimaverhalten auch besonders gut sehen. Sich vor Ort ein Bild zu machen, hat noch nie geschadet, und ich glaube, es würde uns allen gut tun.
Zurheide: Damals war sie noch die Klima-Kanzlerin, heute gibt es das eine oder andere Attribut, was ihr da angeklebt wird nach den jüngsten Ergebnissen. Über all das wollen wir reden mit Bundesumweltminister Sigmar Gabriel, der am Telefon ist. Guten Morgen, Herr Gabriel.
Sigmar Gabriel: Guten Morgen, Herr Zurheide.
Zurheide: Herr Gabriel, würden Sie noch mal mit der Kanzlerin aufs Eis fahren, oder hätten Sie Angst, dass die Eisbären ihnen einen runterhauen?
Gabriel: Ich weiß sowieso nicht, ob man mit der Kanzlerin aufs Eis gehen soll, aber ich würde bestimmt mit ihr dahin fahren, weil ich finde, dass das, was gestern beschlossen worden ist, das ist schon in Ordnung. Und Europa ist die einzige Region der Welt, die sich bisher traut, so weitreichende Beschlüsse zum Klimaschutz in die Tat umzusetzen.
Zurheide: Jetzt darf ich Sie mal selbst zitieren, Sie haben gestern gesagt, Posen, also da, wo über das Klima verhandelt wurde, hat die Ergebnisse erreicht, die wir hier erreichen konnten. Begeisterung hört sich anders an.
Gabriel: Ja, das stimmt. Ich habe eben auch Brüssel gemeint, Posen war eine Zwischenkonferenz. Zwischen dem Auftrag, einen Vertrag bis 2009 in Kopenhagen zu unterzeichnen, den wir in Bali gegeben haben im letzten Jahr, hat Posen die Aufgabe gehabt, mal zu gucken, wie weit sind wir in den Verhandlungen gekommen. Und dann gab es einen ganz wichtigen Auftrag an Posen, nämlich ein richtig legales Mandat zu erteilen, dass Verhandlungstexte vorgelegt werden können.
Das hört sich nach außen bürokratisch an, aber Sie müssen sich vorstellen, da verhandeln 200 Staaten. Sie müssen die erst mal so weit bekommen, dass die bereit sind zu sagen, okay, jetzt sind wir auch bereit, in Texte einzusteigen. Das war bisher überhaupt nicht so. Und dann gab es eine Reihe anderer Geschichten, die, wie ich finde, sich da gut entwickelt haben.
Das Schlimmste allerdings war, dass die Industrienationen bis heute nicht sich haben einigen können darauf, was uns die Wissenschaft eigentlich vorgibt, nämlich dass wir bis 2020 zwischen 25 und 40 Prozent CO2 senken müssen, um das langfristige Ziel der Senkung, um die Hälfte der ganzen Erde der Treibhausgasemissionen überhaupt erreichen zu können. Und Sie konnten da erleben, wie verliebt Politiker in langfristige Ziele sind. Da sind sie nämlich alle für, weil das müssen dann unsere Enkelkinder erfüllen, aber wie schwierig es ist, dieses mittelfristige Ziel umzusetzen. Nur ohne das mittelfristige Ziel ist das langfristige gar nicht zu erreichen.
Zurheide: Welche Kritik ärgert Sie eigentlich mehr, denn Sie bekommen ja Kritik von zwei Seiten. Die Ökologen, Herr Schellnhuber zum Beispiel, sagt, das reicht alles nicht, Herr Rüttgers auf der anderen Seite, der Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen sagt, seine Kohleindustrie muss leiden, die Polen hätten zu viel davon. Und sagen Sie jetzt bitte nicht, das ist ja wunderbar, wenn mich beide Seiten kritisieren, müssen wir was richtig gemacht haben. Das muss nicht so sein.
Gabriel: Das muss nicht so sein, aber man darf in der Regel, wenn man mit ein paar Hundert Staaten oder in Europa mit 27 Staaten verhandelt, nicht auf die extremen Seiten hören. Ich habe immer gesagt, man muss allen zuhören, aber man darf zwei Dinge nicht tun: Man darf nicht das tun, was der Bundesverband der Deutschen Industrie will, und man darf nicht das tun, was Greenpeace will, auch wenn das, was Greenpeace will, sozusagen das Richtige zu sein scheint, weil wir natürlich in einer Situation sind, wo wir Verantwortung in drei Seiten haben.
Erstens müssen wir unsere eigenen Klimaschutzziele erfüllen. Das haben wir in Brüssel getan, die Deutschen tun sogar noch viel mehr, als das, was in Brüssel beschlossen worden ist. Zweitens, wir müssen unsere internationalen Verpflichtungen erfüllen. Da ist Europa die einzige Region, die das tut. Gestern haben Russland, Australien, Japan Haltungen eingenommen, wie wir sie sonst nur von den USA kennen.
Und drittens, wir müssen auch schauen, dass wir nicht Illusionen verbreiten, denn solange es kein internationales Klimaschutzabkommen gibt, können wir nicht so tun, als hätte es keine Wettbewerbsnachteile, wenn wir Klimaschutzauflagen in der deutschen Stahlindustrie machen oder in der französischen Chemieindustrie. Die müssen sich im internationalen Markt messen mit Standorten, wo es das alles nicht gibt. Und was hilft es uns eigentlich, wenn die Stahlindustrie oder die chemische Industrie hier weggeht aus Europa, wandert ab nach Brasilien, China oder Indien, und macht da ihre Emissionen, weil sie dort keine Auflagen hat?
Deswegen haben wir uns dazu entschieden, solange es keinen internationalen Vertrag gibt, erbringen wir unsere Minderungsverpflichtungen im Emissionshandel im Stromsektor. Da ist gestern ein Riesenerfolg gemacht worden. Wir haben 100 Prozent Versteigerung der Emissionszertifikate beschlossen. Das ist die zentrale Voraussetzung dafür, dass wir CO2 mindern, dass wir das Geld bekommen, um unsere Aufgaben im Klimaschutz zu erfüllen und nicht den Unternehmen die "win for profits" in Milliardenhöhe überlassen, die sie bei Stromkunden ja längst abgezockt hatten.
Und drittens, wir müssen dafür sorgen, dass wir diesen internationalen Vertrag bekommen, dann müssen wir auch die Ausnahmen nicht mehr haben. Wenn Herr Töpfer, Herr Schellnhuber, die Umweltverbände diese Ausnahmen in der Industrie kritisieren, dann muss ich ganz offen sagen, dann dürfen wir diesen Vorschlägen dieser Leute nicht folgen, weil es im Zweifel für den Klimaschutz nichts bringt, aber wir hier in eine Situation geraten, wo wir die Unterstützung verlieren. Wir können nicht so tun, als ob die Menschen in der Stahlindustrie oder in der Autoindustrie nicht Angst um ihre Jobs hätten aktuell. Denen dann zu sagen, die gute Idee der Woche ist, wir packen euch noch ein bisschen was oben drauf, wissend, dass in China, Indien, USA, Japan das alles nicht passiert, und dann schauen wir mal, was passiert, das ist ziemlich naiv.
Und deswegen finde ich, dass gestern die Staats- und Regierungschefs etwas beschlossen haben, was wirklich verantwortungsbewusst in jede Richtung ist. Und das, was ich befürchtet hatte, nämlich dass wir den europäischen Emissionshandel durchlöchern und letztlich damit international unglaubwürdig werden, das ist nicht passiert. Und dass der Herr Rüttgers an der Stelle schäumt, zeigt nur, dass Frau Merkel häufiger mal nach Düsseldorf fahren muss und weniger nach Washington, die haben es nämlich inzwischen verstanden da.
Zurheide: Kommen wir noch mal auf einen anderen Punkt, der dazugehört. Ist das Problem des Emissionshandels nicht und bei der Energieerzeugung, dass es die Kohle hoch belastet, aber Atomstrom zum Beispiel völlig rausfällt und damit in der Industriepolitik Herr Sarkozy deutliche Gewinne einfährt, weil Atom mit einem Mal als völlig umweltfreundlich gilt, und wir alle wissen, die Entsorgung ist überhaupt nicht geregelt. Ist das nicht der Konstruktionsfehler dieses Emissionshandels?
Gabriel: Es ist nicht der Konstruktionsfehler des Emissionshandels, weil die jetzige Situation entsteht dadurch, dass bei uns ein neues Kraftwerk, wenn wir es modernisieren, teurer ist und, wenn Sie so wollen, unwirtschaftlicher ist, als ein altes Kraftwerk einfach weiterlaufen zu lassen, mit hohen CO2-Emissionen. Und wenn man demgegenüber dann diesen Wettbewerbsvorteil in Frankreich mit der Nuklearindustrie hat, dann könnte es uns passieren, dass unser Kraftwerkspark gar nicht erneuert werden kann oder die Franzosen mit einem komparativen Wettbewerbsvorteil durch die Lande ziehen mit einem Einkaufswagen.
Das ist der Grund, warum gestern eine kluge Entscheidung getroffen wurde, nämlich dass die Mitgliedstaaten das Recht haben, den Neubau von hoch effizienten Kraftwerken - und RWE baut beispielsweise hoch effiziente Kraftwerke - auch zu bezuschussen. Das ist auch etwas, was sozusagen in der Umweltszene kritisiert wird, indem sie sagen, warum macht ihr das eigentlich, aber der Grund ist natürlich, dass wir, wie gesagt, einerseits diesen alten Kraftwerkspark haben, andererseits Franzosen Nuklearindustrie haben.
Dazwischen so zu tun, als könnte das nicht dazu führen, dass die Nuklearindustrie sozusagen sich in die deutsche Energiewirtschaft einkauft, das ist auch eine Vorstellung, die man, finde ich, nicht haben darf. Und deswegen ist diese Entscheidung, dass wir hoch effiziente Kraftwerke bezuschussen dürfen und damit endlich weiterkommen in der Modernisierung auch der alten Kohlekraftwerke, das, finde ich, ist gestern auch eine kluge Entscheidung gewesen, die dem Klimaschutz hilft, sonst würden nämlich die alten Anlagen immer weiterlaufen.
Zurheide: Das war Bundesumweltminister Sigmar Gabriel im Deutschlandfunk. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Gabriel, danke schön.
Gabriel: Alles Gute.
Angela Merkel: Insgesamt natürlich heißt es, der Meeresspiegel steigt, die durchschnittliche Temperatur steigt, und zwar sehr viel schneller, als das woanders ist, und deshalb kann man ja hier dieses veränderte Klimaverhalten auch besonders gut sehen. Sich vor Ort ein Bild zu machen, hat noch nie geschadet, und ich glaube, es würde uns allen gut tun.
Zurheide: Damals war sie noch die Klima-Kanzlerin, heute gibt es das eine oder andere Attribut, was ihr da angeklebt wird nach den jüngsten Ergebnissen. Über all das wollen wir reden mit Bundesumweltminister Sigmar Gabriel, der am Telefon ist. Guten Morgen, Herr Gabriel.
Sigmar Gabriel: Guten Morgen, Herr Zurheide.
Zurheide: Herr Gabriel, würden Sie noch mal mit der Kanzlerin aufs Eis fahren, oder hätten Sie Angst, dass die Eisbären ihnen einen runterhauen?
Gabriel: Ich weiß sowieso nicht, ob man mit der Kanzlerin aufs Eis gehen soll, aber ich würde bestimmt mit ihr dahin fahren, weil ich finde, dass das, was gestern beschlossen worden ist, das ist schon in Ordnung. Und Europa ist die einzige Region der Welt, die sich bisher traut, so weitreichende Beschlüsse zum Klimaschutz in die Tat umzusetzen.
Zurheide: Jetzt darf ich Sie mal selbst zitieren, Sie haben gestern gesagt, Posen, also da, wo über das Klima verhandelt wurde, hat die Ergebnisse erreicht, die wir hier erreichen konnten. Begeisterung hört sich anders an.
Gabriel: Ja, das stimmt. Ich habe eben auch Brüssel gemeint, Posen war eine Zwischenkonferenz. Zwischen dem Auftrag, einen Vertrag bis 2009 in Kopenhagen zu unterzeichnen, den wir in Bali gegeben haben im letzten Jahr, hat Posen die Aufgabe gehabt, mal zu gucken, wie weit sind wir in den Verhandlungen gekommen. Und dann gab es einen ganz wichtigen Auftrag an Posen, nämlich ein richtig legales Mandat zu erteilen, dass Verhandlungstexte vorgelegt werden können.
Das hört sich nach außen bürokratisch an, aber Sie müssen sich vorstellen, da verhandeln 200 Staaten. Sie müssen die erst mal so weit bekommen, dass die bereit sind zu sagen, okay, jetzt sind wir auch bereit, in Texte einzusteigen. Das war bisher überhaupt nicht so. Und dann gab es eine Reihe anderer Geschichten, die, wie ich finde, sich da gut entwickelt haben.
Das Schlimmste allerdings war, dass die Industrienationen bis heute nicht sich haben einigen können darauf, was uns die Wissenschaft eigentlich vorgibt, nämlich dass wir bis 2020 zwischen 25 und 40 Prozent CO2 senken müssen, um das langfristige Ziel der Senkung, um die Hälfte der ganzen Erde der Treibhausgasemissionen überhaupt erreichen zu können. Und Sie konnten da erleben, wie verliebt Politiker in langfristige Ziele sind. Da sind sie nämlich alle für, weil das müssen dann unsere Enkelkinder erfüllen, aber wie schwierig es ist, dieses mittelfristige Ziel umzusetzen. Nur ohne das mittelfristige Ziel ist das langfristige gar nicht zu erreichen.
Zurheide: Welche Kritik ärgert Sie eigentlich mehr, denn Sie bekommen ja Kritik von zwei Seiten. Die Ökologen, Herr Schellnhuber zum Beispiel, sagt, das reicht alles nicht, Herr Rüttgers auf der anderen Seite, der Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen sagt, seine Kohleindustrie muss leiden, die Polen hätten zu viel davon. Und sagen Sie jetzt bitte nicht, das ist ja wunderbar, wenn mich beide Seiten kritisieren, müssen wir was richtig gemacht haben. Das muss nicht so sein.
Gabriel: Das muss nicht so sein, aber man darf in der Regel, wenn man mit ein paar Hundert Staaten oder in Europa mit 27 Staaten verhandelt, nicht auf die extremen Seiten hören. Ich habe immer gesagt, man muss allen zuhören, aber man darf zwei Dinge nicht tun: Man darf nicht das tun, was der Bundesverband der Deutschen Industrie will, und man darf nicht das tun, was Greenpeace will, auch wenn das, was Greenpeace will, sozusagen das Richtige zu sein scheint, weil wir natürlich in einer Situation sind, wo wir Verantwortung in drei Seiten haben.
Erstens müssen wir unsere eigenen Klimaschutzziele erfüllen. Das haben wir in Brüssel getan, die Deutschen tun sogar noch viel mehr, als das, was in Brüssel beschlossen worden ist. Zweitens, wir müssen unsere internationalen Verpflichtungen erfüllen. Da ist Europa die einzige Region, die das tut. Gestern haben Russland, Australien, Japan Haltungen eingenommen, wie wir sie sonst nur von den USA kennen.
Und drittens, wir müssen auch schauen, dass wir nicht Illusionen verbreiten, denn solange es kein internationales Klimaschutzabkommen gibt, können wir nicht so tun, als hätte es keine Wettbewerbsnachteile, wenn wir Klimaschutzauflagen in der deutschen Stahlindustrie machen oder in der französischen Chemieindustrie. Die müssen sich im internationalen Markt messen mit Standorten, wo es das alles nicht gibt. Und was hilft es uns eigentlich, wenn die Stahlindustrie oder die chemische Industrie hier weggeht aus Europa, wandert ab nach Brasilien, China oder Indien, und macht da ihre Emissionen, weil sie dort keine Auflagen hat?
Deswegen haben wir uns dazu entschieden, solange es keinen internationalen Vertrag gibt, erbringen wir unsere Minderungsverpflichtungen im Emissionshandel im Stromsektor. Da ist gestern ein Riesenerfolg gemacht worden. Wir haben 100 Prozent Versteigerung der Emissionszertifikate beschlossen. Das ist die zentrale Voraussetzung dafür, dass wir CO2 mindern, dass wir das Geld bekommen, um unsere Aufgaben im Klimaschutz zu erfüllen und nicht den Unternehmen die "win for profits" in Milliardenhöhe überlassen, die sie bei Stromkunden ja längst abgezockt hatten.
Und drittens, wir müssen dafür sorgen, dass wir diesen internationalen Vertrag bekommen, dann müssen wir auch die Ausnahmen nicht mehr haben. Wenn Herr Töpfer, Herr Schellnhuber, die Umweltverbände diese Ausnahmen in der Industrie kritisieren, dann muss ich ganz offen sagen, dann dürfen wir diesen Vorschlägen dieser Leute nicht folgen, weil es im Zweifel für den Klimaschutz nichts bringt, aber wir hier in eine Situation geraten, wo wir die Unterstützung verlieren. Wir können nicht so tun, als ob die Menschen in der Stahlindustrie oder in der Autoindustrie nicht Angst um ihre Jobs hätten aktuell. Denen dann zu sagen, die gute Idee der Woche ist, wir packen euch noch ein bisschen was oben drauf, wissend, dass in China, Indien, USA, Japan das alles nicht passiert, und dann schauen wir mal, was passiert, das ist ziemlich naiv.
Und deswegen finde ich, dass gestern die Staats- und Regierungschefs etwas beschlossen haben, was wirklich verantwortungsbewusst in jede Richtung ist. Und das, was ich befürchtet hatte, nämlich dass wir den europäischen Emissionshandel durchlöchern und letztlich damit international unglaubwürdig werden, das ist nicht passiert. Und dass der Herr Rüttgers an der Stelle schäumt, zeigt nur, dass Frau Merkel häufiger mal nach Düsseldorf fahren muss und weniger nach Washington, die haben es nämlich inzwischen verstanden da.
Zurheide: Kommen wir noch mal auf einen anderen Punkt, der dazugehört. Ist das Problem des Emissionshandels nicht und bei der Energieerzeugung, dass es die Kohle hoch belastet, aber Atomstrom zum Beispiel völlig rausfällt und damit in der Industriepolitik Herr Sarkozy deutliche Gewinne einfährt, weil Atom mit einem Mal als völlig umweltfreundlich gilt, und wir alle wissen, die Entsorgung ist überhaupt nicht geregelt. Ist das nicht der Konstruktionsfehler dieses Emissionshandels?
Gabriel: Es ist nicht der Konstruktionsfehler des Emissionshandels, weil die jetzige Situation entsteht dadurch, dass bei uns ein neues Kraftwerk, wenn wir es modernisieren, teurer ist und, wenn Sie so wollen, unwirtschaftlicher ist, als ein altes Kraftwerk einfach weiterlaufen zu lassen, mit hohen CO2-Emissionen. Und wenn man demgegenüber dann diesen Wettbewerbsvorteil in Frankreich mit der Nuklearindustrie hat, dann könnte es uns passieren, dass unser Kraftwerkspark gar nicht erneuert werden kann oder die Franzosen mit einem komparativen Wettbewerbsvorteil durch die Lande ziehen mit einem Einkaufswagen.
Das ist der Grund, warum gestern eine kluge Entscheidung getroffen wurde, nämlich dass die Mitgliedstaaten das Recht haben, den Neubau von hoch effizienten Kraftwerken - und RWE baut beispielsweise hoch effiziente Kraftwerke - auch zu bezuschussen. Das ist auch etwas, was sozusagen in der Umweltszene kritisiert wird, indem sie sagen, warum macht ihr das eigentlich, aber der Grund ist natürlich, dass wir, wie gesagt, einerseits diesen alten Kraftwerkspark haben, andererseits Franzosen Nuklearindustrie haben.
Dazwischen so zu tun, als könnte das nicht dazu führen, dass die Nuklearindustrie sozusagen sich in die deutsche Energiewirtschaft einkauft, das ist auch eine Vorstellung, die man, finde ich, nicht haben darf. Und deswegen ist diese Entscheidung, dass wir hoch effiziente Kraftwerke bezuschussen dürfen und damit endlich weiterkommen in der Modernisierung auch der alten Kohlekraftwerke, das, finde ich, ist gestern auch eine kluge Entscheidung gewesen, die dem Klimaschutz hilft, sonst würden nämlich die alten Anlagen immer weiterlaufen.
Zurheide: Das war Bundesumweltminister Sigmar Gabriel im Deutschlandfunk. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Gabriel, danke schön.
Gabriel: Alles Gute.