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Was den neuen Siemens-Chef erwartet

Nach langen Querelen hat der Siemens-Aufsichtsrat nun Fakten geschaffen: Konzern-Chef Peter Löscher muss gehen, Finanzvorstand Joe Kaeser übernimmt den Chefposten. Eine gute Wahl, sagen Beobachter, es werde aber eine schwierige Aufgabe, den Konzern zurück auf die Erfolgsspur zu führen.

Von Michael Braun | 31.07.2013
    Analysten mögen Zahlenmenschen, Josef Kaeser ist ihnen seit sieben Jahren als Finanzvorstand bekannt. Mit ihm sind sie klargekommen. Ulrich Trabert, beim Bankhaus Metzler für Siemens zuständig, lobt die Personalentscheidung in München:

    "Meiner Meinung nach eine gute Wahl."

    Kaesers heute ausscheidender Vorgänger Löscher hatte dagegen Schwierigkeiten mit der Kommunikation von Zahlen: ein Umsatzziel von 100 Milliarden Euro auszugeben, fast 30 Prozent höher als der aktuelle Stand - so viel Ehrgeiz kann auch viel negative Wirkung haben: Es könnte Umsatzsteigerung ohne Rücksicht auf den Gewinn herauskommen. Und das Ziel könnte so unrealistisch hoch sein, dass die Mitarbeiter nicht wissen, wie sie es umsetzen sollen. Überforderung und Frustration kann die Folge sein.

    Das ist wohl passiert bei Siemens unter Löscher. Die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat sprachen heute von einer "Angstkultur" im Unternehmen, die jetzt durch "glaubhafte Investitionen in die Zukunft des Unternehmens beseitigt werden" müsse. Doch an Sparprogrammen, wie sie Löscher bei Siemens aufgelegt habe, komme wohl auch sein Nachfolger Kaeser nicht vorbei, meint Analyst Trabert.

    "Definitiv wird es auch sparen heißen. Die Situation, mit der Siemens derzeitig konfrontiert ist, ist, dass das Umsatzwachstum schwächelt. Das liegt daran, dass der Superboom in China sein Ende gefunden hat und möglicherweise auch so schnell nicht wieder aufflammen wird. Das liegt auch nach wie vor an der wirtschaftlichen Schwäche Gesamteuropas, wo Siemens immer noch einen großen Anteil seiner Umsätze erwirtschaftet. Und es gibt Preisdruck im Markt. Und dem muss man begegnen."

    Kaeser ließ heute wissen, Siemens habe "etwas die Ertragsdynamik gegenüber dem Wettbewerb verloren". Er wolle sich schon im Herbst mit seinem Team "zur Präzisierung des Unternehmensprogramms äußern". Eine Umorganisation der Geschäftsfelder werde erwartet, sagt etwa Heinz Steffen vom bankunabhängigen Analysehaus fairesearch:

    "Was uns so ein bisschen erschüttert ist der Bereich Infrastruktur und Städte. Das sieht teilweise aus wie eine Resterampe. Da war auch ein neuer Bereich geschaffen worden von Herrn Löscher. Der macht aus unserer Sicht relativ wenig Sinn. Und da denke ich mir schon, dass es da eine organisatorische Umordnung geben wird, dass die Verantwortlichkeiten auch in dem einen oder anderen Bereich neu verteilt werden."

    Was dem neuen Mann auch gelingen muss: Großaufträge wie die ICE-Züge für die Bahn nicht nur anzunehmen, sondern auch korrekt abzuwickeln. Dazu die Innovationskraft anregen, um besser als oft billigere Konkurrenz zu sein. Elena Plakhina von Independent Research traut das Kaeser zu. Er sei lange genug im Unternehmen, um ein Netzwerk aus Erfindern und Geldgebern zu flechten:

    "Ich denke, dass Kaeser das schafft, die Synergien zwischen den einzelnen Bereichen zu fördern, sie weiter zu erweitern, dass er die Trends der einzelnen Bereiche erkennt und weiter auf den richtigen Kurs den Konzern bringen kann."

    Joe Kaeser ist 56 Jahre alt. Er stammt aus dem niederbayerischen Arnbruck, ist Betriebswirt und hat seit 1980 sein gesamtes Berufsleben bei Siemens verbracht. Er war mal Chef der später verkauften Mobilfunksparte und arbeitete seit 2007 als Finanzvorstand, die letzten sechs Jahre an der Seite Löschers.