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Was ist dran am gemeldeten Etikettenschwindel?

Wer Kleidung und Wäsche aus Biobaumwolle kauft, erwartet, dass diese nicht nur frei von Pestiziden, sondern auch frei von Bestandteilen gentechnisch veränderter Pflanzen ist. Seit Freitag ist dies jedoch fragwürdig. Da berichtete die Financial Times Deutschland, dass vor allem in indischer, als Biobaumwolle deklarierter Ware Gentec-Reste gefunden wurden. Eine einzelne Panne oder gibt es großflächige Lücken im Kontrollsystem?

Ralph Ahrens |
    Naturata ist ein kleiner Biosupermarkt im Kölner Stadtteil Sülz. In der Filiale auf der Straßenseite gegenüber verkauft Inhaber Lutz Größel Wäsche, Hemden und Jeans aus biologisch hergestellter Baumwolle:

    "Ja, hier haben wir jetzt gerade Ware von einem Menschen, der selbst Inder ist. Und das Ganze für uns auch schon seit Ewigkeiten macht, so dass ich davon ausgehe, dass er seine Handelsbeziehungen, seine Kontakte wahrscheinlich auch seine Freunde, nicht in Stich gelassen hat, nur weil es woanders billig Ware gab."

    Lutz Größel setzt also auf Ware, die definitiv nur aus biologischem Anbau stammt. Aber:

    "Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich Ihnen da überhaupt keine Sicherheit geben kann."

    Es war im Sommer 2008: Biobauern in den indischen Baumwollregionen Madhya Pradesh und Maharashtra haben Saatkörner gentechnisch veränderter Baumwolle ausgesät. Diese Baumwolle wurde geerntet und verarbeitet. Eine indische Behörde entdeckte im Frühjahr 2009, dass ein Teil der Ernte von gentechnisch veränderten Pflanzen stammt. Markus Arbenz, Geschäftsführer von IFOAM, dem weltweiten Dachverband der Bioanbauern:

    "Es war zu dieser Zeit eine öffentliche Debatte. Es gab Workshops zu diesem Thema. Es wurde diskutiert. Man hatte das gekannt. IFOAM hat zu diesem Zeitpunkt reagiert, in dem wir bei den indischen Behörden die red flag, die rote Flagge gehoben haben. Gesagt haben, hier muss etwas passieren."

    Das Unternehmen "Raj EcoFarms", für das die Biobauern arbeiten, und die Zertifizierer "Ecocert" aus Frankreich und Control Union aus den Niederlanden wurden mit Geldbußen verwarnt. Somit hätten auch die Bekleidungsketten H&M und C&A wissen können, betont Markus Arbenz, dass ihre Bioware, deren Baumwollfasern zum Teil das Unternehmen "Raj EcoFarms" geliefert hat, auch von genetisch veränderten Baumwollpflanzen stammen kann. Dabei ist der IFOAM-Geschäftsführer Realist und sagt, geringe Verunreinigungen sind kaum zu vermeiden:

    "Wenn man in einem Lastwagen Baumwolle transportiert, wo vorher eben schon gentechnisch veränderte Baumwolle transportiert worden ist, kann es da zu Vermischungen kommen. Das kann auch passieren in der Verarbeitung. Da gibt es verschiedene Möglichkeiten, wo es diese Kontamination auch tatsächlich stattfinden kann."

    Zudem stammt in Indien inzwischen rund drei Viertel aller Baumwolle von genetisch veränderten Pflanzen. Und Saatgutfirmen wie Monsanto würden auch immer wieder versuchen, ihr Saatgut im Ökoanbau unterzubringen:

    "Es gibt Promotionsmethoden, die wir scharf verurteilen. Nämlich, dass den Bauern einfach das Saatgut geschenkt wird und dann gesagt wird, wie toll das doch ist. Die werden in Versuchung gebracht. Natürlich. Aber wenn das passiert und der Bauer tatsächlich darauf einsteigt, dann verliert er da seine Biozertifizierung."

    Mecki Naschke kennt ein Beispiel. Sie leitet die Textilabteilung beim Schweizer Zertifizierer IMO. Ihre Kollegen aus Indien kontrollieren Ökobauern im indischen Bundesstaat Orissa:

    "In unserem Projekt wurden die entsprechenden Farmer für drei Jahre ausgeschlossen, mussten auch das Pflanzenmaterial vernichten, damit es sich nicht selbst wieder vermehrt, aussät, die Nachbarpflanzen bestäubt und so weiter oder über Insekten verbreitet.
    Trotz all dieser Schwierigkeiten hält Markus Arbenz von IFOAM den Biobaumwollanbau aus Indien weiterhin für sinnvoll:

    "Wir glauben eigentlich sehr stark daran, weil Indien ist ein riesiges Land. Und wenn es Pockets gibt, wo nur Biobaumwolle angewandt wird, dann ist es eigentlich kein Problem. Es ist eigentlich immer die Frage der Feldabstände."
    Und die Verbraucher? Die Bekleidungsketten H&M und C&A wollen jetzt aufklären – genauso wie auch Lutz Größel vom Biosupermarkt Naturata.