Manipulation
Was ist Propaganda?

Mit Propaganda wird nicht nur in Diktaturen Stimmung gemacht. Auch in Demokratien versuchen Politik und Lobbyisten die Menschen zu manipulieren. Wie funktioniert das und was kann man dagegen tun?

    Eine Goebbels-Figur hält eine Höcke-Figur als Baby fest. (Rosenmontagswagen 2019 in Düsseldorf)
    Karnevals-Wagen von Jacques Tilly zum Thema Propaganda. Der Begriff ist vor allem negativ besetzt und wird in Deutschland oft mit dem NS-Regime in Verbindung gebracht. (picture alliance / dpa / Martin Gerten)
    Autoritäre und totalitäre Regime nutzen Kommunikation, um ihre Macht zu festigen oder um Kriege zu rechtfertigen. Mit Propaganda wird auf Fügsamkeit und Opferbereitschaft eingeschworen. Doch auch in Demokratien gibt es Propaganda. Der Begriff ist negativ konnotiert, doch die Werkzeuge sind es nicht zwangsläufig.

    Inhalt

    Was ist Propaganda?

    Propaganda ist der Versuch, durch Kommunikation die Meinung und das Verhalten von Menschen zu beeinflussen. Das geschieht aus einem bestimmten politischen Interesse. Inhalt und Medium werden systematisch auf eine Zielgruppe abgestimmt, um sie zu überzeugen.
    Dem Historiker Adrian Hänni zufolge handelt es sich um einen "Sammelbegriff für sehr viele unterschiedliche Formen der politischen Kommunikation". Zu ihren Werkzeugen zählen Verzerrungen und Ablenkungsmanöver, gewisse Techniken des Framings bis hin zu Desinformation und Fälschungen.
    Doch der Historiker betont: "Nicht jede Form der Kommunikation oder auch der manipulativen Kommunikation ist auch Propaganda." Er unterscheidet zudem zwischen "weißer Propaganda", was manipulative Botschaften meint, deren Urheber bekannt ist, also zum Beispiel Werbung oder Public Relations, und "schwarzer Propaganda", die den Urheber vertuscht und sich vielmehr als harmlose Nachricht tarnt.

    Entwicklung eines Begriffs

    Ursprünglich bedeutet das lateinische Wort "propagare" bloß ausbreiten. Im Jahr 1622 gründete Papst Gregor XV. die "Congregatio de propaganda fide", also die Gesellschaft zur Verbreitung des Glaubens. Noch heute ist die Nachfolgebehörde für die Mission der katholischen Kirche zuständig.
    Seit der Französischen Revolution wird „Propaganda“ auch im heutigen, weltlichen Sinne genutzt - also für die Verbreitung politischer Ideen. Ein Beleg dafür ist der „Club de la propagande“, 1790 gegründet in Paris und eine Art Geheimgesellschaft, in der die Jakobiner ihre Ideen verbreitet haben sollen. Mit der Entwicklung der Massenpresse, spätestens im Ersten Weltkrieg, waren die heute bekannten Formen, Strategien und Taktiken der Propaganda entwickelt.
    Allerdings hatte der Begriff lange nicht die negative Konnotation von heute, die vor allem der NS-Diktatur ("Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda") geschuldet ist. In den USA nannten Regierungsmitglieder ihre Aktivitäten bis in die 50er- und 60er-Jahre hinein völlig selbstverständlich Propaganda, so Historiker Adrian Hänni.
    Nachdem der Begriff durch die Nationalsozialisten in Verruf gebracht worden war, benannte der Psychologe Edward L. Bernays, Autor des wirkmächtigen Buches "Propaganda" (1923), diesen einfach um in "Public Relations". Heute wird die PR von der negativ klingenden Propaganda unterschieden, doch die Grenzen sind - falls vorhanden - fließend. Die Prinzipien dahinter sind dieselben. Die Frage ist nur, welchem Zweck sie jeweils dienen.
    "Propaganda selbst ist weder gut noch böse, sondern eben nur das: ein Werkzeug", schreibt die Autorin Alexandra Bleyer in ihrem Buch über Propaganda und zitiert Martin Luther King: "Es gibt edle Zwecke, denen die Propaganda dienen kann."

    Wie funktioniert Propaganda?

    Propaganda ist stets einseitig, vermischt Informationen und Meinungen, sie vereinfacht, übertreibt, überhöht eigene Errungenschaften und verteufelt Gegner. Was sie zum einen effektiv macht, ist das Appellieren an Emotionen wie Angst und Hass. So lassen sich Denken und Handeln der Menschen beeinflussen. Zum anderen ist Propaganda dann besonders erfolgreich, wenn sie bereits bestehende Vorurteile, Befürchtungen und Ängste der Menschen aufgreift und diese verstärkt.
    Dazu müsse man, so Historiker Hänni vom Institut für Zeitgeschichte, zunächst einmal seine Zielgruppe verstehen, mit ihren Einstellungen, Meinungen, Ängsten und Vorurteilen. "Das ist ganz ähnlich wie in der Werbung, wo man die Kundschaft verstehen muss, damit man ein Produkt verkaufen kann."

    Welche Rolle spielt Propaganda in Demokratien?

    "Propaganda ist Teil von modernen Staaten", sagt Hänni. „In Demokratien ist Propaganda ganz besonders effizient, weil die Möglichkeiten, die Menschen durch Gewalt oder Zwang zu beeinflussen – zum Glück – wegfallen. Also bietet sich mehr Raum, um durch nicht gewalttätige Kommunikation das Verhalten und Denken der Menschen zu beeinflussen."
    Da Bürger in einer Demokratie wählen können und ihre Stimme zählt, zählt auch die öffentliche Meinung mehr. "Ein demokratischer Staat braucht breite Unterstützung für große politische Änderungen", sagt Hänni. „Man könnte ganz zynisch argumentieren: Es gibt sogar mehr Bedarf für Propaganda in einer Demokratie.“
    Welchen Einfluss Propaganda haben kann, zeigte sich in den vergangenen Jahren etwa beim britischen Referendum über den Brexit, aber auch bei der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten. Hier spielten Fake News und Desinformation eine entscheidende Rolle. Soziale Medien bildeten wichtige Plattformen dafür.
    Aber auch das Nayirah-Zeugnis ist ein extremes Beispiel dafür. Die 15-jährige Kuwaiterin sagte 1990 vor dem Menschenrechtsausschuss aus, sie hätte in einem Krankenhaus Grausamkeiten irakischer Soldaten an Säuglingen beobachtet. 1991 erklärten die USA dem Irak den Krieg.
    1992 kam jedoch heraus, dass die vermeintliche Augenzeugin gelogen hatte: Sie war die Tochter des kuwaitischen Botschafters in den USA und zur angegebenen Zeit nicht vor Ort gewesen, ihre "Brutkastenlüge" war von der Werbeagentur Hill & Knowlton organisiert, die auch schon für die Tabakindustrie Zweifel an der Schädlichkeit des Rauchens gesät hatte.
    Hill & Knowlton vertritt heute nicht nur die "Oil and Gas Climate Initiative", zu denen zwölf Öl- und Gas-Konzerne gehören, sondern übernahm auch die externe Kommunikation für den Weltklimagipfel 2022 (COP27) - ein Interessenskonflikt, der von Wissenschaftlern kritisiert wurde.

    Was tun gegen Propaganda?

    Neben der Bekämpfung von Desinformation und der Verifizierung von Inhalten im Internet hält Adrian Hänni vor allem Bildung in Medienkompetenz für wichtig. In Schulen solle gelehrt werden, kritisch mit Informationen umzugehen. Auch Erwachsene müssten damit erreicht werden, da Studien zeigen, dass ältere Menschen besonders empfänglich für Desinformation und Propaganda seien.
    Es ist also vor allem eins geboten: Skepsis. Man sollte im Zweifel doppelt prüfen: Stimmt die Information? Woher stammt sie, und wer profitiert von ihrer Verbreitung?
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