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Rechte Medien in den USA
Propaganda im Deckmantel von Lokalzeitungen

Sie sehen aus wie klassische Zeitungen, verbreiten aber vor allem Werbung für republikanische Politiker: In den USA verwischen rechte Medienmacher so die Grenzen zwischen Journalismus und politischer Kampagne. Unterstützt werden sie dabei auch ausgerechnet von klassischen Printverlagen.

Von Heike Wipperfürth | 25.10.2022
Vier Kästen in rot und gelb an einer Straße in New York, aus denen sich Passanten Gratiszeitungen nehmen können
Gratiszeitungen, hier angeboten über Kästen in New York: Kein neues Phänomen in den USA (imago images / Levine-Roberts / Richard B. Levine via www.imago-images.de)
„Grand Canyon Times“, „Will County Gazette“, „Chicago City Wire“. So oder ähnlich hyper-lokal lauten die Namen vieler rechter Propagandablätter, die vor den wichtigen Zwischenwahlen gratis in Briefkästen tausender Amerikaner landen - getarnt als Lokalzeitungen. 
In ihrem Impressum versprechen viele von ihnen “objektive Daten” ohne “politische Verzerrung”- doch das ist falsch, sagen Expertinnen wie Renee Hobbs, Medienexpertin an der Universität von Rhode Island. 

Es sieht so aus, als handle es sich um Nachrichten. Es ist aber versteckte Propaganda.

Und die funktioniert. So berichtete die „West Cook News“ kürzlich, eine Schule in einem Vorort von Chicago werde ein Notensystem einführen, das weiße Schüler und Schülerinnen benachteiligt. Dem falschen Bericht folgten Meldungen in rechten Online-Publikationen wie Breitbart News und Newsmax, die von dort aus im Internet immer weiterverbreitet wurden – obwohl die Schule den Bericht sofort dementierte.

Einseitige Berichte, die Leser beeinflussen

Eine Entwicklung, die Peter Adams vom News Literacy Project, das Medienkompetenz in Schulen unterrichtet, mit großer Sorge betrachtet. „Diese Blätter interessieren sich weder für lokale Sportveranstaltungen noch dafür, was in der Stadtverwaltung passiert. Sie wollen ihre eigenen Kandidaten verkaufen und machen alles andere schlecht.“
So veröffentlicht "Chicago City Wire" immer wieder Negativschlagzeilen über den demokratischen Gouverneur Jay Robert Pritzker und seine Familie - mit Folgen, sagt Peter Adams.

Die einseitigen Berichte beeinflussen ahnungslose Leser und ihre Stimmabgabe. Sie treten den demokratischen Prozess mit Füßen.

Grenzen zwischen Journalismus und Kampagne werden verwischt

Zuständig für den rasanten Aufstieg der falschen Lokalzeitungen ist Brian Timpone. Der Entrepreneur aus Chicago sieht die Schließung von 2100 lokalen Zeitungen seit 2005 als einmalige Geschäftsgelegenheit.
Sein Start-up Journatic sollte vor 15 Jahren die Lokalberichterstattung von Verlagen wie Hearst und Tribune Publishing automatisieren und auslagern – bis die Radiosendung This American Life aufdeckte, dass billige Arbeitskräfte in den Philippinen die angeblich lokalen Berichte unter falschen Namen verfassten.

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Jetzt konzentriert sich der ehemalige TV-Reporter darauf, die Grenzen zwischen Journalismus und politischer Kampagne zu verwischen. Brian Timpone gründete Metric Media, ein Netzwerk mit mehr als 1200 lokalen Internetseiten in allen 50 US-Bundesstaaten. Es verteilt gedruckte Propagandablätter wie die „Grand Canyon Times“, ein Sprachrohr für Trump-loyale Republikaner.

Gelder von Peter Thiel, Geschäfte mit Printverlagen

Die „Grand Canyon Times“ wird vom Save Arizona Pac finanziert, der 13 Millionen Dollar von dem erzkonservativen Milliardär Peter Thiel erhielt. Gleichzeitig leitet Timpone ein Netzwerk von Internetseiten und falschen Lokalzeitungen in Illinois – und arbeitet dort bereits mit Zeitungsverlegern zusammen. So wurden seine falschen Zeitungen von der Druckerei des „Daily Herald“ gedruckt – bis die Lokalzeitung den Vertrag im September auflöste. 
Ein Rückschlag für Timpone, doch er währte nicht lange: Gannett, mit 220 Lokalzeitungen der größte Printverlag in den USA, entschloss sich, den Druck der falschen Zeitungen zu übernehmen. Das wurde von Will Buss, einem Medienprofessor an der Western Illinois Universität, in einem Interview im öffentlichen Radiosender NPR heftig kritisiert. 

Sie profitieren von einer Propagandamaschine, investieren aber nicht in ihre Nachrichtenredaktionen und lassen ihre eigenen Zeitungen langsam sterben.

Wie aber sollen Leser mit all der Propaganda umgehen? In einer Kolumne in der "Washington Post" plädierte die Medienjournalistin Margaret Sullivan dafür, aufhetzende Berichte genau nachzurecherchieren. Denn mit falschen Zeitungen würden Amerikaner immer häufiger konfrontiert, warnt sie.