Archiv


Was kann die Einführung der LKW-Maut auf Autobahnen bringen?

    Durak: Bis zum Jahr 2015 wird der Güterverkehr in Deutschland um zwei Drittel zunehmen, prognostiziert das Bundesverkehrsministerium. Dann dürften die Standspuren auf den Autobahnen endgültig sein und keine Randerscheinung mehr. Das Kabinett will also heute die LKW-Maut beschließen, lässt das für die Betroffenen wohl Interessanteste erst mal heraus - das ist die Höhe, im Gespräch sind 25 Pfennig. Diese Entscheidung will Verkehrsminister Bodewig erst im Herbst treffen lassen über den Bundesrat; das geht dann irgendwie einfacher. Verkehrspolitischer Sprecher der Grünen ist Albert Schmidt. Ich habe mit ihm vor der Sendung gesprochen und ihn zunächst gefragt, ob denn diese 25 Pfennig ausreichen würden.

    Schmidt: Also, als grüner Verkehrspolitiker habe ich schon immer gesagt: Entscheidend ist, ob zwei Ziele erreicht werden. Erstens, ein ökologisches Lenkungsziel, das heißt ein Stück Verlagerung und Vermeidung von Güterverkehr von der Straße auf die Schiene oder auf das Binnenschiff. Und zweitens, ob gewährleistet ist, dass da ein ausreichendes Monitoring nachher ausgewertet wird und gegebenenfalls nachjustiert wird. Der jetzt im Gespräch befindliche Durchschnittssatz von 25 Pfennigen pro Fahrzeug und pro Kilometer könnte dann als erster Schritt durchaus respektabel und ausreichend sein, wenn gewährleistet ist, dass dies wirklich ein Durchschnittswert ist. Das heißt im Klartext, der 12-Tonner etwa bezahlt dann etwas weniger, der 40-Tonner, der ganz schwere LKW also, der die Straßen ja auch viel stärker noch beansprucht, zahlt dann etwas mehr. Das würde bedeuten im Schnitt eine 10- oder 15-fache Größenordnung gegenüber dem, was bisher gezahlt wird. Das sollte durchaus einen spürbaren Effekt nachher in der Wahl der Verkehrsmittel haben.

    Durak: Und sind Sie guter Hoffnung, dass diese Effekte, die Sie beschrieben haben, eintreten werden? Wer sorgt denn dann dafür?

    Schmidt: Ich glaube - es ist das kleine Einmaleins einer Marktwirtschaft - dass der Preis einer Ware natürlich nachher die Nachfrage bestimmt, das heißt, wenn die Benutzung der Straße 10- oder 15-fach so teuer ist wie bisher, wird es natürlich einen Effekt haben. Zum Zweiten aber muss sich die Bahn erheblich anstrengen, um in der Qualität des Transports besser zu werden - in der Logistik. Dazu wird ja das Netz bekanntlich derzeit runderneuert mit zusätzlichen Milliarden der Bundesregierung, dazu werden neue Güterzuglokomotiven angeschafft und moderne Stellwerktechnik. Das alles wird in den nächsten Jahren geschehen, und dann kann im Zusammenwirken von Preis und Qualität sehr wohl ein erheblicher Anteil der Zuwächse im Güterverkehr auf die umweltfreundliche Bahn umgelenkt werden.

    Durak: Herr Schmidt, die deutschen Spediteure haben schon immer mal vorgewarnt, denn ihnen wurde Anfang des Jahres wohl aus dem Kanzleramt vielleicht nicht versprochen, aber doch angedeutet, dass sie eine Kompensation bekommen könnten - entweder über die Mineralölsteuer oder über die KFZ-Steuer. Würden Sie so etwas mittragen?

    Schmidt: Ich halte von solchen Kompensationsgeschäften nichts, ich verweise aber darauf, dass der Bundesverband Güterverkehr und Logistik durchaus recht hat, wenn er einfordert, dass wir vergleichbare Wettbewerbsbedingungen für das deutsche Speditionsgewerbe erhalten wie etwa für die Niederländer, für die Franzosen usw. Also, Harmonisierungsschritte sind dann sinnvoll, wenn sie in der Summe das ökologischen Lenkungsziel, das ich eingangs beschrieben habe, nicht gefährden, sondern dieses Verlagerungs- und Vermeidungsziel sogar unterstützen. Von daher, glaube ich, sind Harmonisierungsdefizite unbestreitbar und müssen angepackt werden - aber nicht über den Weg, dass man jetzt einfach eine LKW-Maut wieder gegenfinanziert mit irgendwelchen Steuersenkungen. Da sind meines Wissens auch keine Versprechungen abgegeben worden, sondern Zusagen, dass man sich um Harmonisierung bemühen wird. Und das ist ein kleiner Unterschied.

    Durak: Was der Bundesverband Güterkraftverkehr dazu meint, werden wir gleich in einem weiteren Gespräch hören, Herr Schmidt. Inwieweit sind denn Unternehmen einbezogen worden - oder werden einbezogen, denn sie sind es ja, die mehr ‚just and time' produzieren, das heißt, ihre Lager auf die Straße verlegen.

    Schmidt: Natürlich ist es legitimes Interesse der Unternehmen, für möglichst niedrige Kostensätze zu streiten. Auf der anderen Seite ist mein Eindruck nach vielen Gesprächen, dass man dort durchaus positiv zur Kenntnis nimmt, dass zum ersten mal große niederländische Trucks überhaupt einen nennenswerten Wegekosten-deckungsbeitrag leisten werden durch die LKW-Maut. Das führt summa summarum dazu, dass das Thema keineswegs so konfliktträchtig daherkommt, wie es erwarten lässt, sondern dass es eher zu einem Konsensthema geworden ist - sicherlich nicht in jedem Detail, aber im Großen und Ganzen ist man sich einig. Ich möchte einen Punkt allerdings noch ansprechen als Grüner, der mir sehr wichtig ist: Ich glaube, auf Dauer werden wir nicht umhinkönnen, auch die Mautpflicht im nachgeordneten Straßennetz für schwere LKWs einzuführen, also nicht nur auf der Autobahn, denn wir wollen keine Verdrängungsverkehre durch die Ortsdurchfahrten, durch die Bundesstraßen. Das wäre das Letzte, was wir als Lenkungsziel verfolgen, sondern wir wollen die Umlenkung auf Binnenschiff und Schiene.

    Durak: Das hat aber der Verkehrsminister schon abgelehnt mit Hinweis auf die EU.

    Schmidt: Das EU-Recht lässt dies derzeit noch nicht zu. Aber wir haben ja noch ein bisschen Zeit, denn erst im Januar 2003 soll es losgehen mit der LKW-Maut. Bis dahin und darüber hinaus sollten wir erheblich Anstrengungen unternehmen, um diese Mautpflicht auch im nachgeordneten Straßennetz für schwere LKWs nach Schweizer Vorbild auch in Deutschland und in Gesamteuropa einzuführen.

    Durak: Das war Albert Schmidt, der verkehrspolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen. Und mitgehört hat Karlheinz Schmidt. Er ist Hauptgeschäftsführer des schon mehrfach erwähnten Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung. Guten Morgen Herr Schmidt.

    Schmidt: Einen schönen guten Morgen.

    Durak: Sie sprechen für etwa ein Drittel der 40.000 deutschen Spediteure, richtig?

    Schmidt: Ja, das ist richtig.

    Durak: Was sagen denn die Spediteure zu den 25 Pfennig?

    Schmidt: Also, wir sagen zunächst einmal ‚ja', dass die Nutzer der Straße die von ihnen verursachten Kosten decken müssen. Das tun im wesentlichen die deutschen Unternehmen über die Sonderabgaben, die sie heute zahlen - über Mineralölsteuer und Kraftfahrzeugsteuer. Das sind rund 19 Milliarden Mark im Jahr, wir fahren also nicht umsonst und fallen schon gar nicht dem Steuerzahler zur Last, denn 10 Milliarden gibt der Bund insgesamt nur für Autobahnen aus, während wir 19 Milliarden in die Kasse einzahlen. Auf der anderen Seite sehen wir natürlich auch, dass im grenzüberschreitenden Verkehr der Marktanteil der deutschen Unternehmen nur noch bei 20 Prozent liegt. Das hat was mit den Wettbewerbsnachteilen - den hausgemachten Wettbewerbsnachteilen - Deutschlands zu tun, den Harmonisie-rungsdefiziten. Und Fahrzeuge im grenzüberschreitenden Verkehr zahlen heute effektiv drei Pfennig im Durchschnitt für einen Kilometer Autobahn - und das ist natürlich alles andere als Wegekostendeckung. Deshalb haben wir im Bundeskanzleramt Gespräche geführt und gesagt, dass wir die Erwartung haben, dass mit der Einführung der Straßenbenutzungsgebühr zum einen ein gewisser Teil der von uns gezahlten Mineralölsteuer angerechnet wird auf das, was wir bei der Maut ja nochmal bezahlen müssten. Und das würde dann gleichzeitig Harmonisierungswirkung haben, weil die deutschen Unternehmer dann im Durchschnitt auch keine höheren Mineralöl- und Kraftfahrzeugsteuern mehr zahlen würden als ihre ausländischen Kollegen. Aber - und das ist wichtig: Finanzminister Eichel hätte seine vollen Wegekosten und darüber hinaus die von ihm anvisierten 5 Milliarden zusätzlich, die er in die Kasse einnehmen will.

    Durak: Also, Herr Schmidt, jetzt nochmal im einzelnen: Eine Maut lehnen Sie nicht ab, wenn Sie im Gegengeschäft Kompensation erhalten?

    Schmidt: Die Maut wird - um das auch gleich klarzustellen - natürlich nicht vollständig gegenfinanziert, sondern wir haben gesagt: Die Maut muss kommen, und wenn die Maut kommt, dann muss sie einen Harmonisierungseffekt haben. Und genau diese Zusage haben wir aus dem Kanzleramt, denn da hat der Chef des Kanzleramtes und im Februar noch zugesagt, dass mit der Einführung der Maut der größtmögliche Harmonisierungseffekt hergestellt werden soll. Also ich denke . . .

    Durak: . . . nun ja, Herr Schmidt, Nachtische liest man immer etwas anders. Und bei der Mineralölsteuer, das wissen wir ja inzwischen, ist die EU heftig dagegen. Sollte das Ganze über die KFZ-Steuer gesteuert werden, würden die Länder protestieren, denn das sind ihre Einnahmen. Irgendeiner müsste die Zeche aber zahlen für die Kompensation.

    Schmidt: Also, Sie haben ja eben gehört, dass da ganz bestimmte Beträge im Raum sind, und man könnte also durchaus sagen, dass auf die Beträge hinaus die Maut erhöht wird - sogar höher als diese Beträge -, dafür aber die von deutschen Unternehmern bereits über Mineralölsteuer bezahlten Infrastrukturkostenbeiträge angerechnet werden - und das auch für Unternehmen, die aus dem Ausland stammen, aber in Deutschland tanken. Bisher ist ja der große Sport so: Man tankt für 50 Pfennig Mineralölsteuer im EU-Ausland, fährt 3.000 km in Deutschland für 3 Pfennig pro Kilometer und verlässt das Land wieder. Das muss sich ändern über eine Maut, dass eben über eine möglicherweise noch etwas höhere Maut im Grunde nachher ein Anrechnungsanspruch auf in Deutschland gezahlte Mineralölsteuer mit verbunden wird. Und dann hätten wir das Stück Harmonisierung, gegen das übrigens die Kommission gar nicht ist. Die Kommission ist gegen Mineralölsteuer-Rückerstattung. Die Kommission hat aber in ihrem Weißbuch von 1999 und auch in dem, das jetzt demnächst kommen wird, zur Umsteuerung der Verkehrspolitik ganz klargestellt, dass sie im Grunde ganz weg will von der Steuerfinanzierung der Straßeninfrastruktur - hin zu einer Nutzerfinanzierung. Die Kommission macht klar, dass, wenn diese Nutzerfinanzierung der Straßen eingeführt wird, selbstverständlich die heute bereits bezahlten Mineralöl- und Kraftfahrzeugsteueranteile, die in die Infrastruktur fließen, mit berücksichtigt werden. Es ist also nicht so, dass man für ein und dieselbe Leistung zweimal kassieren kann.

    Durak: Herr Schmidt, das Ganze ist ja kein Problem von heute. Was haben denn die Spediteure unternommen, um ihren Fuhrpark umweltfreundlicher umzurüsten, denn schadstoffabhängig soll die Maut ja auch erhoben werden?

    Schmidt: Ja, also da haben wir weniger ein Problem damit. Erstens gibt es diese Staffelung bereits jetzt. Wir haben ja eine zeitbezogene Straßenbenutzungsgebühr in Deutschland, und hier kennen wir bereits die unterschiedlichen Gebührensätze für die schadstoffarmen Fahrzeuge und die weniger schadstoffarmen Fahrzeuge. Und man kann sagen, es sind heute fast 70 Prozent aller Fahrzeuge bereits schadstoffarm, die deutsche Unternehmer einsetzen.

    Durak: Das heißt, die Stinker sind die anderen?

    Schmidt: Die Stinker sind nicht die anderen, sondern es wird sehr häufig überschätzt, welche Leistungen das Transportgewerbe durch Investitionen seit 1990 geleistet hat. Das dokumentiert sich übrigens auch im Österreichtransit, wo die Fahrzeuge schon so sauber geworden sind, dass man mittlerweile mit der Keule draufschlägt, um überhaupt noch zu einer Fahrtenbegrenzung zu kommen.

    Durak: Das wollen wir nicht so weit kommen lassen, Herr Schmidt. Ein Wort noch zur nachgeordneten Mautpflicht, das heißt, der Riegel wird Ihnen für die Bundes- und Landstraßen zugeschoben.

    Schmidt: Ja, das ist natürlich ein interessanter Ansatz, wenn man Geld einnehmen will, denn von der ökologischen Steuerung, von der Herr Schmidt sprach, die findet ja nicht statt, weil die Eisenbahn gar nicht die Kapazitäten hätte, um überhaupt nennenswerte Anteile des Straßengüterverkehrs zu übernehmen. Das ist übrigens nicht unsere Erkenntnis, sondern das ist die Erkenntnis der Infrastrukturkommission, die die Bundesregierung eingesetzt hat und deren Vorsitzender, der ehemalige Güterverkehrschef der Eisenbahn, Herr Hellmann, ist. Also, es gibt gar keine Kapazitäten auf der Schiene, die eine nennenswerte Verlagerung möglich machen. Insofern ist die Ausdehnung der Mautpflicht auf Landstraßen und auf Bundesstraßen eine reine Abzocke. Und eines muss man auch dazu sagen: Da das deutsche Güterkraftverkehrsgewerbe dies nicht aus Gewinnen bezahlen kann, werden wir es den Auftraggebern anlasten müssen - und die werden letztlich den Verbraucher zur Kasse bitten, so dass letztendlich der in Deutschland ansässige Otto Normalverbraucher diese zusätzliche Einnahmequelle der Bundesregierung finanzieren muss.

    Durak: Der in Deutschland ansässige Otto Normalverbraucher bedankt sich für das Gespräch. Danke schön, Karlheinz Schmidt, Hauptgeschäftsführer im Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung.

    Link: Interview als RealAudio