Christoph Heinemann: Union und FDP setzen heute ihre Gespräche über die Bildung einer neuen Bundesregierung in den Arbeitsgruppen fort. Das Problem: kein Geld, aber viele Wahlversprechen – Steuersenkung, Kinderfreibeträge, und, und, und. Die Arbeitsgruppe Gesundheit muss ein Milliardenloch bei den gesetzlichen Krankenkassen stopfen. Nicht kommentarlos zuschauen wollen da die fünf Wirtschaftsweisen. Angesichts der Haushaltslage lassen sich nach Meinung der Regierungsberater mittelfristig Steuererhöhungen schwerlich vermeiden. "Igitt", sagen da die Liberalen. – Am Telefon ist Christian Baldauf, CDU-Landes- und –Fraktionsvorsitzender in Rheinland-Pfalz und Mitglied des CDU-Bundesvorstandes. Guten Morgen!
Christian Baldauf: Guten Morgen, Herr Heinemann.
Heinemann: Herr Baldauf, im Süden grenzt Ihr Bundesland an Baden-Württemberg. Jede schwäbische Hausfrau weiß: Ist die Kasse leer, muss man sparen. Welche Sparbeschlüsse haben die Koalitionsverhandlungen bisher zu bieten?
Baldauf: Jede schwäbische Hausfrau weiß aber auch, dass sie dann, wenn sie an der richtigen Stelle investiert, auch einen Vorteil davon haben kann. Herr Heinemann, wir dürfen nicht vergessen: Wir haben eine große Krise, die sicherlich noch nicht ganz überwunden ist, und natürlich muss gespart werden, aber es müssen auch die richtigen Akzente gesetzt werden.
Heinemann: Natürlich muss gespart werden, nämlich an welcher Stelle?
Baldauf: Ich kann mir beispielsweise vorstellen, dass man durchaus überlegt, ob diese ganzen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen bei der Bundesagentur für Arbeit so sein müssen. Es gibt eine Vielzahl an anderen Positionen. Ist es erforderlich, die Umsatzsteuer nicht bei der Deutschen Post zu erheben? Ich könnte Ihnen eine Vielzahl nennen. Entscheidend ist mir aber auch, eines festzuhalten: Es ist jetzt auch die Situation gegeben, dass man grundsätzlich einmal darüber nachdenken sollte, was muss denn in Zukunft auch vom Staat noch geleistet werden. Ein Benchmark ist durchzuführen. Ich bin mir da sicher und in der Krise war es vielleicht jetzt erforderlich, aber es ist ja nicht die Aufgabe des Staates, Banken zu betreiben und Autos zu bauen. Also müssen wir uns auch mal auf die Kernaufgaben wieder zurückziehen und dort die Ausgaben konzentrieren.
Heinemann: War das eine leichte Kritik an der Opel-Rettung?
Baldauf: Das war keine leichte Kritik an der Opel-Rettung, weil zu dem Zeitpunkt, als es so weit war, als wir in einer Krise standen, es entscheidend darauf ankam, dass man die Arbeitsplätze auch erhält. Die Frage ist aber, ob man das auf Dauer so weitermacht, oder ob man nicht ganz klar sagt: Der Staat zieht sich jetzt aus diesen Bereichen wieder zurück.
Heinemann: Das ist ja, glaube ich, auch so geplant. – Aber bleiben wir mal beim Sparen. Steuersenkungen, Entlastung der Unternehmen, Freibeträge erhöhen, Kindergeld erhöhen und dann noch die Schuldenbremse. Die Botschaft lautet: Ein gewaltiges Haushaltsloch stopft man, indem man viel Geld ausgibt.
Baldauf: Das ist sicherlich nicht so. Es gibt an der einen oder anderen Stelle die Situation, dass man über Sparen nachdenken muss. Ich habe es ja gerade gesagt, die Frage wird doch sein und lauten: Was muss der Staat zukünftig noch selbst machen. Wir als Union stehen immer im Subsidiaritätsgedanken und sagen, erst der Mensch selbst, der Mensch in den Mittelpunkt und dann der Staat. Aber ich sage auch ganz klar, es gibt an der einen und anderen Stelle jetzt eine Situation, die uns auch zukunftsfähig in diesem Staat machen muss. Der Staat muss doch generationenfest werden und ich bin der festen Überzeugung, gerade im Bereich der Familienpolitik, gerade im Bereich der Unternehmenspolitik müssen wir auch dafür sorgen, dass Entlastungen erfolgen, weil diese Entlastungen im Umkehrschluss wieder dazu führen, im Unternehmensbereich, dass Arbeitsplätze sicher werden, und bei den Familien, dass sich vielleicht auch mehr Menschen entscheiden, Kinder haben zu wollen, Kinder groß zu ziehen, dafür Sorge zu tragen, dass wir auch in Zukunft unsere Generationenverträge erfüllen können.
Heinemann: Apropos Zukunft: Entlastungen gleich höhere Schulden gleich Steuererhöhungen von morgen, die dann abgezahlt werden müssen, wenn Ihre Parteifreunde von der Jungen Union ihr erstes Geld verdienen. Rechnen Sie damit, dass die CDU-Nachwuchsorganisation diese Politik beim Deutschlandtag in der kommenden Woche abnicken wird?
Baldauf: Ach wissen Sie, auch ich war mal in der Jungen Union - so lange ist das ja noch gar nicht her – und ich hatte mir die gleichen Fragen auch gestellt. Es ist ja nicht so, dass von heute auf morgen die Verschuldung so angewachsen ist. Wir haben nun mal die Situation, dass wir eine große Krise bewältigt haben, im Übrigen in hervorragender Art und Weise, weil wenn wir uns das genau anschauen: Natürlich merkt man es teilweise, aber doch sehr gering. Das ist ein großes Verdienst der Kanzlerin. Ich glaube aber auch – und das hat auch mal Edmund Stoiber im Wahlkampf 2002 klar und deutlich gesagt -, wenn es erforderlich ist, an der einen oder anderen Stelle auch Entlastungen zu bringen, um damit wieder mehr Wertschöpfung zu betreiben, dann muss das passieren. Und ich bin der festen Überzeugung: Wenn wir jetzt nicht dafür Sorge tragen, dass wir gerade in den kleinen und mittleren Einkommen den Menschen mehr Geld in die Tasche geben, denen die Chance geben, sich wieder selbst zu entwickeln, und damit natürlich auch sekundär Steuern wieder zu erzeugen, und wenn wir nicht dafür Sorge tragen, dass die Familien entlastet werden, dann haben wir ein Problem auf Dauer, weil ich habe eher den Eindruck, dass es teilweise heute gerade im Bereich der Familie so ist, dass Kinder ein Armutsrisiko sein können, anstatt das Glück bringen können, das wir gerne alle wollen.
Heinemann: Herr Baldauf, wer garantiert den Bürgerinnen und Bürgern, dass weder die Mehrwertsteuer, noch die Sozialbeiträge steigen werden?
Baldauf: Jetzt werden Sie verstehen, diese Frage ist jetzt sehr gefährlich. Garantien können sie ja nie geben, weil sie nicht wissen, was morgen kommt.
Heinemann: Das ist aber eine Nachricht!
Baldauf: Wir haben ja aber klar im Wahlprogramm gesagt, dieses Mal nicht. Dafür haben wir es ja vor vier Jahren genau anders herum gesagt und von daher bleibt es auch dabei. Ich bin der festen Überzeugung: Wir haben ein wirklich gutes Wahlprogramm verabschiedet. Wir haben auch diesen Dreiklang gerade mit der Sanierung, gerade mit der Entlastung der mittleren und unteren Einkommen, der Unternehmen und zusätzlich mit der Investition in Bildung und Forschung, dem entscheidenden Punkt in der Zukunft, doch dafür Sorge zu tragen, dass wir das auch umsetzen wollen. Die Menschen haben uns deshalb gewählt, vielleicht noch nicht genug Menschen uns gewählt, aber man muss doch bei seinem Wort bleiben und darauf lege ich auch großen Wert, dass wir das auch so machen.
Heinemann: Aber Sie schließen solche Steuererhöhungen wie der Mehrwertsteuer oder steigende Sozialbeiträge nicht aus?
Baldauf: Ich sehe zum heutigen Zeitpunkt keinen Bedarf dafür, aus dem einfachen Grunde, weil zunächst über einen Benchmark, wie ich es Ihnen vorher gesagt habe, überprüft werden muss, was man an der einen und anderen Stelle auch auf der Ausgabenseite jetzt einmal reduzieren kann, denn man kann ja immer nicht nur auf die Einnahmeseite schielen, man muss ja auch mal überlegen: Was macht denn der Staat? Es gibt ja solche ganz aberwitzigen Dinge, Kleinigkeiten, klar, zugegeben, aber da gibt es ja eine ganze Menge von. Braucht Deutschland ein Mond-Programm? Brauchen wir andere Dinge? Man muss das mal alles durchdeklinieren und dann sich auf die Kernaufgaben zurückziehen.
Heinemann: In den "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk sprechen wir mit dem rheinland-pfälzischen CDU-Vorsitzenden Christian Baldauf, und zwar jetzt über das Wahlergebnis der CDU. Rund 33 Prozent, oder anders ausgedrückt:
O-Ton Jochen Spengler: Nur 14,5 Millionen Wähler haben das Kreuz bei CDU oder CSU gemacht, per Saldo fast zwei Millionen weniger als bei der letzten Bundestagswahl. Da hatten sich für die Union noch 1,2 Millionen entschieden, die dieses Mal gleich zu Hause blieben, also nicht mobilisiert werden konnten. Fast ebenso viel, nämlich 1,1 Millionen ehemalige Unions-Wähler, gaben ihre Stimme nun der FDP. Drittgrößtes Loch im Wähler-Reservoire der C-Parteien war die Einbuße durch den Generationenwechsel. Es starben deutlich mehr Unions-Anhänger, als Erstwähler gewonnen werden konnten, ein Minus von 600.000. Insgesamt Verluste, die nicht annähernd ausgeglichen wurden durch die fast 900.000 Wähler, die die Union von der SPD abwerben konnte. An Zustimmung verloren haben CDU/CSU in beinahe allen Altersgruppen, besonders bei den 45- bis 49-Jährigen. Auffällig auch, dass die Union überdurchschnittlich einbüßte bei Männern, bei Bürgern mit höherem Bildungsabschluss, bei Beamten und Selbstständigen sowie bei Katholiken.
Heinemann: Jochen Spengler mit den Problemzonen der CDU. – Herr Baldauf, ist in der Union angekommen, dass Angela Merkel ein miserables Wahlergebnis erzielt hat?
Baldauf: Miserabel sieht anders aus. Es ist natürlich richtig und die Analyse, die wir ja gerade gehört haben, hat ja durchaus auch den Charme, dass man daraus Schlüsse zu ziehen hat: Wir haben selbstverständlich gewünscht, mehr%e zu bekommen. Nur wir kommen aus einer großen Koalition und da möchte ich auch einmal die andere Seite beleuchten dürfen. Wenn man sich anschaut, dass es Angela Merkel gelungen ist, gerade im Bereich der Frauen und auch im Bereich des Ostens, gerade in den östlichen Bundesländern hinzuzugewinnen, dann muss man das zunächst auch mal positiv sehen. Unabhängig davon, dass wir hier in Rheinland-Pfalz das zweitbeste Ergebnis haben und auch noch etwas mehr gerne hätten, bin ich der Auffassung, wir müssen jetzt nach dem Ende dieser Großen Koalition auch überlegen, welche Strömungen haben wir in unserer Partei vielleicht nicht richtig mitgenommen.
Heinemann: Mit welchen Folgen?
Baldauf: Mir fällt vor allem auf, dass wir gerade im wertkonservativen Bereich wieder mehr Fuß fassen müssen. Das zieht sich aber durch die Altersschichten hindurch. Klar: Man muss auch mal fragen, warum wählen denn 800.000 Leute eine Piratenpartei mit wenig Inhalt, nur aus Protest heraus. Wir müssen wieder unseren Dreiklang klar und deutlich ausdrücken, dass wir im sozialen Bereich, dass wir im liberalen Bereich, aber auch im wertkonservativen Bereich unsere Wählerschichten haben und die auch befriedigen wollen. Daran müssen wir arbeiten, aber das ging in einer Großen Koalition eben sehr schwer.
Heinemann: Die miesen Zahlen von 2005 sind offiziell nie analysiert worden. Wird die Parteiführung den Kopf abermals in den Sand stecken?
Baldauf: Nein. Es ist ja auch schon klar angekündigt worden, ich halte das auch für sehr wichtig und sehr gut und da muss man sich dann auch die Zeit nehmen, dass man das jetzt einmal sauber analysiert. Nur wissen wir alle auch: Analysen sind relativ kurzzeitig und haben eine geringe Halbwertszeit, weil es immer auch davon abhängt, wie Rahmenbedingungen sich darstellen, wie Strömungen sich entwickeln, wie Gefühle sich darstellen. Wichtig ist mir – und das müssen wir auf jeden Fall als Konsequenz aus den ganzen anderen Wahlen ziehen -, wir brauchen mehr Glaubwürdigkeit, wir müssen nachhaltiger argumentieren, wir müssen zu unseren Dingen stehen, die wir einmal gesagt haben. Die Menschen wollen Sicherheit.
Heinemann: Und das war jetzt auch das Schlusswort von Christian Baldauf, CDU-Partei- und –Fraktionschef in Rheinland-Pfalz. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
Baldauf: Ja, gerne. Auf Wiederhören!
Christian Baldauf: Guten Morgen, Herr Heinemann.
Heinemann: Herr Baldauf, im Süden grenzt Ihr Bundesland an Baden-Württemberg. Jede schwäbische Hausfrau weiß: Ist die Kasse leer, muss man sparen. Welche Sparbeschlüsse haben die Koalitionsverhandlungen bisher zu bieten?
Baldauf: Jede schwäbische Hausfrau weiß aber auch, dass sie dann, wenn sie an der richtigen Stelle investiert, auch einen Vorteil davon haben kann. Herr Heinemann, wir dürfen nicht vergessen: Wir haben eine große Krise, die sicherlich noch nicht ganz überwunden ist, und natürlich muss gespart werden, aber es müssen auch die richtigen Akzente gesetzt werden.
Heinemann: Natürlich muss gespart werden, nämlich an welcher Stelle?
Baldauf: Ich kann mir beispielsweise vorstellen, dass man durchaus überlegt, ob diese ganzen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen bei der Bundesagentur für Arbeit so sein müssen. Es gibt eine Vielzahl an anderen Positionen. Ist es erforderlich, die Umsatzsteuer nicht bei der Deutschen Post zu erheben? Ich könnte Ihnen eine Vielzahl nennen. Entscheidend ist mir aber auch, eines festzuhalten: Es ist jetzt auch die Situation gegeben, dass man grundsätzlich einmal darüber nachdenken sollte, was muss denn in Zukunft auch vom Staat noch geleistet werden. Ein Benchmark ist durchzuführen. Ich bin mir da sicher und in der Krise war es vielleicht jetzt erforderlich, aber es ist ja nicht die Aufgabe des Staates, Banken zu betreiben und Autos zu bauen. Also müssen wir uns auch mal auf die Kernaufgaben wieder zurückziehen und dort die Ausgaben konzentrieren.
Heinemann: War das eine leichte Kritik an der Opel-Rettung?
Baldauf: Das war keine leichte Kritik an der Opel-Rettung, weil zu dem Zeitpunkt, als es so weit war, als wir in einer Krise standen, es entscheidend darauf ankam, dass man die Arbeitsplätze auch erhält. Die Frage ist aber, ob man das auf Dauer so weitermacht, oder ob man nicht ganz klar sagt: Der Staat zieht sich jetzt aus diesen Bereichen wieder zurück.
Heinemann: Das ist ja, glaube ich, auch so geplant. – Aber bleiben wir mal beim Sparen. Steuersenkungen, Entlastung der Unternehmen, Freibeträge erhöhen, Kindergeld erhöhen und dann noch die Schuldenbremse. Die Botschaft lautet: Ein gewaltiges Haushaltsloch stopft man, indem man viel Geld ausgibt.
Baldauf: Das ist sicherlich nicht so. Es gibt an der einen oder anderen Stelle die Situation, dass man über Sparen nachdenken muss. Ich habe es ja gerade gesagt, die Frage wird doch sein und lauten: Was muss der Staat zukünftig noch selbst machen. Wir als Union stehen immer im Subsidiaritätsgedanken und sagen, erst der Mensch selbst, der Mensch in den Mittelpunkt und dann der Staat. Aber ich sage auch ganz klar, es gibt an der einen und anderen Stelle jetzt eine Situation, die uns auch zukunftsfähig in diesem Staat machen muss. Der Staat muss doch generationenfest werden und ich bin der festen Überzeugung, gerade im Bereich der Familienpolitik, gerade im Bereich der Unternehmenspolitik müssen wir auch dafür sorgen, dass Entlastungen erfolgen, weil diese Entlastungen im Umkehrschluss wieder dazu führen, im Unternehmensbereich, dass Arbeitsplätze sicher werden, und bei den Familien, dass sich vielleicht auch mehr Menschen entscheiden, Kinder haben zu wollen, Kinder groß zu ziehen, dafür Sorge zu tragen, dass wir auch in Zukunft unsere Generationenverträge erfüllen können.
Heinemann: Apropos Zukunft: Entlastungen gleich höhere Schulden gleich Steuererhöhungen von morgen, die dann abgezahlt werden müssen, wenn Ihre Parteifreunde von der Jungen Union ihr erstes Geld verdienen. Rechnen Sie damit, dass die CDU-Nachwuchsorganisation diese Politik beim Deutschlandtag in der kommenden Woche abnicken wird?
Baldauf: Ach wissen Sie, auch ich war mal in der Jungen Union - so lange ist das ja noch gar nicht her – und ich hatte mir die gleichen Fragen auch gestellt. Es ist ja nicht so, dass von heute auf morgen die Verschuldung so angewachsen ist. Wir haben nun mal die Situation, dass wir eine große Krise bewältigt haben, im Übrigen in hervorragender Art und Weise, weil wenn wir uns das genau anschauen: Natürlich merkt man es teilweise, aber doch sehr gering. Das ist ein großes Verdienst der Kanzlerin. Ich glaube aber auch – und das hat auch mal Edmund Stoiber im Wahlkampf 2002 klar und deutlich gesagt -, wenn es erforderlich ist, an der einen oder anderen Stelle auch Entlastungen zu bringen, um damit wieder mehr Wertschöpfung zu betreiben, dann muss das passieren. Und ich bin der festen Überzeugung: Wenn wir jetzt nicht dafür Sorge tragen, dass wir gerade in den kleinen und mittleren Einkommen den Menschen mehr Geld in die Tasche geben, denen die Chance geben, sich wieder selbst zu entwickeln, und damit natürlich auch sekundär Steuern wieder zu erzeugen, und wenn wir nicht dafür Sorge tragen, dass die Familien entlastet werden, dann haben wir ein Problem auf Dauer, weil ich habe eher den Eindruck, dass es teilweise heute gerade im Bereich der Familie so ist, dass Kinder ein Armutsrisiko sein können, anstatt das Glück bringen können, das wir gerne alle wollen.
Heinemann: Herr Baldauf, wer garantiert den Bürgerinnen und Bürgern, dass weder die Mehrwertsteuer, noch die Sozialbeiträge steigen werden?
Baldauf: Jetzt werden Sie verstehen, diese Frage ist jetzt sehr gefährlich. Garantien können sie ja nie geben, weil sie nicht wissen, was morgen kommt.
Heinemann: Das ist aber eine Nachricht!
Baldauf: Wir haben ja aber klar im Wahlprogramm gesagt, dieses Mal nicht. Dafür haben wir es ja vor vier Jahren genau anders herum gesagt und von daher bleibt es auch dabei. Ich bin der festen Überzeugung: Wir haben ein wirklich gutes Wahlprogramm verabschiedet. Wir haben auch diesen Dreiklang gerade mit der Sanierung, gerade mit der Entlastung der mittleren und unteren Einkommen, der Unternehmen und zusätzlich mit der Investition in Bildung und Forschung, dem entscheidenden Punkt in der Zukunft, doch dafür Sorge zu tragen, dass wir das auch umsetzen wollen. Die Menschen haben uns deshalb gewählt, vielleicht noch nicht genug Menschen uns gewählt, aber man muss doch bei seinem Wort bleiben und darauf lege ich auch großen Wert, dass wir das auch so machen.
Heinemann: Aber Sie schließen solche Steuererhöhungen wie der Mehrwertsteuer oder steigende Sozialbeiträge nicht aus?
Baldauf: Ich sehe zum heutigen Zeitpunkt keinen Bedarf dafür, aus dem einfachen Grunde, weil zunächst über einen Benchmark, wie ich es Ihnen vorher gesagt habe, überprüft werden muss, was man an der einen und anderen Stelle auch auf der Ausgabenseite jetzt einmal reduzieren kann, denn man kann ja immer nicht nur auf die Einnahmeseite schielen, man muss ja auch mal überlegen: Was macht denn der Staat? Es gibt ja solche ganz aberwitzigen Dinge, Kleinigkeiten, klar, zugegeben, aber da gibt es ja eine ganze Menge von. Braucht Deutschland ein Mond-Programm? Brauchen wir andere Dinge? Man muss das mal alles durchdeklinieren und dann sich auf die Kernaufgaben zurückziehen.
Heinemann: In den "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk sprechen wir mit dem rheinland-pfälzischen CDU-Vorsitzenden Christian Baldauf, und zwar jetzt über das Wahlergebnis der CDU. Rund 33 Prozent, oder anders ausgedrückt:
O-Ton Jochen Spengler: Nur 14,5 Millionen Wähler haben das Kreuz bei CDU oder CSU gemacht, per Saldo fast zwei Millionen weniger als bei der letzten Bundestagswahl. Da hatten sich für die Union noch 1,2 Millionen entschieden, die dieses Mal gleich zu Hause blieben, also nicht mobilisiert werden konnten. Fast ebenso viel, nämlich 1,1 Millionen ehemalige Unions-Wähler, gaben ihre Stimme nun der FDP. Drittgrößtes Loch im Wähler-Reservoire der C-Parteien war die Einbuße durch den Generationenwechsel. Es starben deutlich mehr Unions-Anhänger, als Erstwähler gewonnen werden konnten, ein Minus von 600.000. Insgesamt Verluste, die nicht annähernd ausgeglichen wurden durch die fast 900.000 Wähler, die die Union von der SPD abwerben konnte. An Zustimmung verloren haben CDU/CSU in beinahe allen Altersgruppen, besonders bei den 45- bis 49-Jährigen. Auffällig auch, dass die Union überdurchschnittlich einbüßte bei Männern, bei Bürgern mit höherem Bildungsabschluss, bei Beamten und Selbstständigen sowie bei Katholiken.
Heinemann: Jochen Spengler mit den Problemzonen der CDU. – Herr Baldauf, ist in der Union angekommen, dass Angela Merkel ein miserables Wahlergebnis erzielt hat?
Baldauf: Miserabel sieht anders aus. Es ist natürlich richtig und die Analyse, die wir ja gerade gehört haben, hat ja durchaus auch den Charme, dass man daraus Schlüsse zu ziehen hat: Wir haben selbstverständlich gewünscht, mehr%e zu bekommen. Nur wir kommen aus einer großen Koalition und da möchte ich auch einmal die andere Seite beleuchten dürfen. Wenn man sich anschaut, dass es Angela Merkel gelungen ist, gerade im Bereich der Frauen und auch im Bereich des Ostens, gerade in den östlichen Bundesländern hinzuzugewinnen, dann muss man das zunächst auch mal positiv sehen. Unabhängig davon, dass wir hier in Rheinland-Pfalz das zweitbeste Ergebnis haben und auch noch etwas mehr gerne hätten, bin ich der Auffassung, wir müssen jetzt nach dem Ende dieser Großen Koalition auch überlegen, welche Strömungen haben wir in unserer Partei vielleicht nicht richtig mitgenommen.
Heinemann: Mit welchen Folgen?
Baldauf: Mir fällt vor allem auf, dass wir gerade im wertkonservativen Bereich wieder mehr Fuß fassen müssen. Das zieht sich aber durch die Altersschichten hindurch. Klar: Man muss auch mal fragen, warum wählen denn 800.000 Leute eine Piratenpartei mit wenig Inhalt, nur aus Protest heraus. Wir müssen wieder unseren Dreiklang klar und deutlich ausdrücken, dass wir im sozialen Bereich, dass wir im liberalen Bereich, aber auch im wertkonservativen Bereich unsere Wählerschichten haben und die auch befriedigen wollen. Daran müssen wir arbeiten, aber das ging in einer Großen Koalition eben sehr schwer.
Heinemann: Die miesen Zahlen von 2005 sind offiziell nie analysiert worden. Wird die Parteiführung den Kopf abermals in den Sand stecken?
Baldauf: Nein. Es ist ja auch schon klar angekündigt worden, ich halte das auch für sehr wichtig und sehr gut und da muss man sich dann auch die Zeit nehmen, dass man das jetzt einmal sauber analysiert. Nur wissen wir alle auch: Analysen sind relativ kurzzeitig und haben eine geringe Halbwertszeit, weil es immer auch davon abhängt, wie Rahmenbedingungen sich darstellen, wie Strömungen sich entwickeln, wie Gefühle sich darstellen. Wichtig ist mir – und das müssen wir auf jeden Fall als Konsequenz aus den ganzen anderen Wahlen ziehen -, wir brauchen mehr Glaubwürdigkeit, wir müssen nachhaltiger argumentieren, wir müssen zu unseren Dingen stehen, die wir einmal gesagt haben. Die Menschen wollen Sicherheit.
Heinemann: Und das war jetzt auch das Schlusswort von Christian Baldauf, CDU-Partei- und –Fraktionschef in Rheinland-Pfalz. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
Baldauf: Ja, gerne. Auf Wiederhören!