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Was Pressesprecher sagen dürfen
Schwierige Mission

Die Bundespressekonferenz wird in Kürze 65 Jahre alt. Einst wurde sie von Journalisten in Bonn gegründet, um einer wenig auskunftsfreudigen Regierung regelmäßig Informationen abzuringen. Das Jubiläum ist für den Deutschlandfunk Anlass, sich einmal mit den Sprechern der Regierung und der Ministerien zu beschäftigen.

Von Katharina Hamberger | 09.10.2014
    "Einen schönen guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen, herzlich willkommen zu dieser Regierungspressekonferenz..."
    Dreimal die Woche, selber Raum, selbes Spiel - Montag, Mittwoch und Freitag: Regierungspressekonferenz. Regierungs- und Ministeriumssprecher stellen sich den Fragen der Hauptstadt -Journalisten. Vor einer blauen Wand steht ein langer Tisch aus Holz. Daran nehmen die Sprecher Platz. Hinter ihnen an der Wand das Wort: BUNDESPRESSEKONFERENZ. Ein Verein, der in der kommenden Woche 65 Jahre existiert und Gastgeber ist.
    Adenauer abgerungen
    Das heißt: Dauer und Themen der Pressekonferenzen geben die Journalisten vor - dafür haben sie in der Bundespressekonferenz hat gekämpft:
    "Sie ist von den mutigen Journalisten, den informationshungrigen Journalisten damals in Bonn, einer selbstherrlichen Regierung abgetrotzt worden, weil Adenauer als damaliger Kanzler nicht die Notwendigkeit gesehen hat, dass Journalisten regelmäßig informiert werden, Fragen stellen dürfen und Antworten kriegen."
    Sagt Thomas Steg, heute ist er Chef-Lobbyist bei Volkswagen. Er war von 2002 bis 2009 stellvertretender Regierungssprecher - Gerhard Schröder und Angela Merkel waren seine Chefs.
    Die Kanzlerin ist dieselbe geblieben, ihr Sprecherteam ist heute ein anderes. Steffen Seibert als Regierungssprecher an der Spitze. Wie seine Stellvertreterin Christiane Wirtz, die beim Deutschlandfunk gearbeitet hat, kommt auch er aus dem Journalismus. Seibert war Anchorman beim ZDF, hat das Heute-Journal moderiert. Auch wenn seine Arbeit heute noch viel vor Fernsehkameras stattfindet - er ist nicht mehr der Mittelpunkt, er ist der Transmissionsriemen:
    "Der Regierungssprecher spricht für die Regierung und ganz besonders für die Bundeskanzlerin. Er informiert über unseren politischen Projekte, über unsere politischen Maßnahmen, versucht zu erklären, warum wir machen, was wir machen, er versucht auch zu erklären, was das mit dem Leben der Bürger zu tun hat."
    Nicht Ehemann Joachim Sauer, sondern Steffen Seibert ist es, der hinter, neben oder vor Angela Merkel zu sehen ist:
    "Als Regierungssprecher vertrete ich die Position der Bundesregierung. Das tut man aus Überzeugung, und wenn man das nicht mehr könnte, müsste man es sich überlegen, dass man vielleicht was anderes macht, aber ich kann das aus Überzeugung."
    Die Nähe färbt ab
    Und diese Nähe zwischen Sprecher und Regierungschef, die färbt natürlich ab. Man müsse die Fähigkeit haben, sich in die Gedankenwelt des Kanzlers hineinzuversetzen, erklärt Thomas Steg. Das macht einen Sprecher auch zum Abbild, denn so Steg:
    "Wegen der herausgehobenen Position der Bundeskanzlerin nimmt auch der Regierungssprecher eine herausgehobene Position ein. Und da gibt es, glaub ich, im Denken, im Habitus, in der Tonalität Prozesse, in denen man sich angleicht - und da gibt der Sprecher schon zu erkennen, was für ein Typ Kanzler oder Kanzlerin ist."
    Ein Sprecher muss manchmal auch das ausgleichende Element sein. Sagt Thomas Steg und erinnert sich daran, wie es war als Gerhard Schröder die Agenda 2010 unbedingt durchsetzen wollte:
    "In so einer Phase, wo ein Kanzler sehr kämpferisch ist, da muss ein Regierungssprecher vielleicht auch mal einen anderen Ton reinbringen."
    Der Kanzlertypus prägt den Sprecher
    So etwas käme Steffen Seibert wohl nie über die Lippen. Was wohl daran liegt, dass seine Chefin nicht das Gegenstück zu dem ist, was Schröder verkörpert hat und von dem manche sagen, er sei ein Macho. Merkel ist pragmatisch, Merkel schafft es, viel zu reden und wenig zu sagen, Merkel ist selbsterklärte Streuselkuchen-Bäckerin und ruhige, aber bestimmende Euro-Retterin, Die Kanzlerin wird von vielen Wählern einfach gemocht. Warum? Das wissen viele nicht. Schröder dagegen hat polarisiert.
    Dass sich der Sprecher-Job gewandelt hat, liegt aber nicht nur an der großen Koalition, sagt Klaus Vater. Er war selbst kurze Zeit stellvertretender Regierungssprecher und lange Zeit Sprecher von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt - die Zeiten hätten sich auch durch neue Medien verändert, der Informationsfluss sei dichter, schneller geworden:
    "So eine Type, wie ich sie gespielt habe, die wirkte manchmal komisch da. Und das ist vorbei. Es ist ein anderer Typus gefordert, der das nüchterner sieht, der auch mal sagt, das muss ich nachreichen - ich hätte mir die Zunge abgebissen."
    Wandel zum @RegSprecher
    Junge Journalisten nennen Steffen Seibert nur noch RegSprecher. @RegSprecher, das ist sein Kürzel auf Twitter. Auch hier gibt er Informationen ohne große Kommentierung weiter. Das habe aber die Bundespressekonferenz nicht überflüssig gemacht, schmeichelt er:
    "Im Gegenteil. Ich glaube, die hat immer noch ihre Rolle zu spielen, und wird das noch eine Weile behalten."
    Dinge nicht zu sehr an sich heranzulassen, bei Journalisten vorsichtig zu agieren, genau dosiert Informationen von sich zu geben, kann auch schützen. Das gilt für alle Sprechergenerationen. Klaus Vater sagt:
    "Ich habe mir vorgestellt, der Klaus Vater ist ein Eisschrank. Kalt wie eine Hundeschnauze. Das hat funktioniert."
    Manchmal an der kurzen Leine
    Nicht nur die Journalisten haben ein Ohr dafür, was die Sprecher sagen und was nicht:
    "Ja, das Bundeskanzleramt guckt sehr intensiv zu. Es gab auch immer mal wieder Hinweise nach einer Regierungspressekonferenz, dass man eventuell hätte weniger sagen müssen."
    Sagt Jens Teschke, heute Sprecher des Landwirtschaftsministeriums. Das zeigt, dass auch die Ministeriensprecher am Ende ein Abbild der Regierung darstellen. Denn wer kontrolliert, der bestimmt am Ende auch die Inhalte. Gleichzeitig spielt bei allen der Chef oder die Chefin eine große Rolle.
    Teschke ist dafür ein gutes Beispiel. Denn er war Sprecher von Innenminister Hans-Peter Friedrich, CSU. Das Innenministerium gilt eigentlich als eines, das seine Sprecher an der kurzen Leine hält. Teschke:
    "Ich glaube, für den Sprecher vor mir und den jetzigen Sprecher ist das sicherlich stärker der Fall. Insgesamt hat das Bundesinnenministerium sicher eine Einstellung zur Presse, die zurückhaltend ist. Da kommt es eben auf den Minister an, wie eng Leine lässt er einem."
    Die Rolle muss jeder Sprecher also für sich finden - aber sie ist auch abhängig von den jeweiligen Chefs und Chefinnen, die die Sprecher vertreten. Was ihnen allen gemein ist: Sie werden sich auch in Zukunft den Fragen der Hauptstadtpresse stellen müssen bis die abschließenden Worte kommen:
    "Zu anderen Themen gibt es, glaub ich, keine Fragen mehr, dann sag' ich danke fürs Kommen und erfolgreichen Nachmittag!"