Samstag, 20. April 2024

Hohe Energiepreise
Wie können Verbraucher entlastet werden?

Die Preise für Strom, Gas und Öl steigen weiter rasant. Deshalb mehren sich die Stimmen, Verbraucher bei den Energiepreisen zu entlasten - etwa durch eine Abschaffung der EEG-Umlage oder eine Aussetzung der Mehrwertsteuer auf Energie. Aber würden diese Maßnahmen wirklich helfen?

02.02.2022
    Symbolbild steigende Energiepreise: Stromzähler
    Die steigenden Energiepreise werden für Verbraucher zunehmend zu einem Problem (imago/ari)
    Die Inflationsdruck in Deutschland bleibt auch zum Jahresbeginn weiter fast unverändert hoch. Laut Statistischem Bundesamt erhöhten sich die Verbraucherpreise im Januar 2022 im Vergleich zum Vorjahresmonat um voraussichtlich 4,9 Prozent. Als Preistreiber gelten neben Rohstoffknappheit vor allem auch die anhaltend hohen Energiepreise. Die hohe Teuerungsrate bei Energie ist wegen der direkten Auswirkung auf private Haushalte und Unternehmen politisch besonders brisant.
    Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sprach sich vor diesem Hintergrund für eine möglichst schnelle Senkung der EEG-Umlage aus. Die Linke und auch die Gewerkschaft Verdi forderten über die Streichung der EEG-Umlage hinaus eine zeitlich begrenzte Senkung der Mehrwertsteuer auf Energie. Um zu beurteilen, welche Entlastungen diese Vorschläge tatsächlich bringen würden, ist ein Blick auf die Zusammensetzung des Strompreises notwendig.


    Warum steigen die Energiepreise?

    Dass die Energiepreise seit Mitte 2021 stark ansteigen, ist auch eine Folge der Coronakrise. Nach dem Pandemie-bedingten Einbruch der globalen Konjunktur im Jahr 2020 führt die wirtschaftliche Erholung nun zu einem erhöhten Energiebedarf. Die gestiegene Nachfrage treibt die Preise für Strom, Gas und Rohöl in die Höhe – dies wirkt sich direkt, aber auch indirekt auf die Verbraucherpreise aus.
    So ist etwa die Stromproduktion mit Erdgas deutlich teurer geworden, weil die Gas-Preise auf den globalen Energiemärkten historische Höchststände erreichten. So haben sich laut einer Studie des Vergleichsportals Verivox die Erdgas-Preise an den sogenannten Spotmärkten, wo Gas kurzfristig gehandelt wird, im Verlauf des vergangenen Jahres mehr als versiebenfacht. Zeitweise kostete dort eine Megawattstunde fast 150 Euro. Zum Vergleich: Im langjährigen Mittel bewegt sich der Preis je Megawattstunde zwischen zehn und 25 Euro.
    Ursächlich für diese Entwicklung sind neben der gestiegenen Nachfrage aber auch die nach dem kalten Winter 2020/21 wenig gefüllten Gasspeicher und teurere CO2-Emissionszertifikate, mit denen die Betreiber von Gaskraftwerken ihren C02-Ausstoß kompensieren müssen. Preistreibend wirkt sich zudem auch der 2021 eingeführte CO2-Preis aus, der in diesem Jahr von 25 Euro auf 30 Euro steigen wird.
    Hinzu kommt die geopolitische Lage mit zunehmenden Spannungen zwischen dem Westen und Russland aufgrund der Ukraine-Krise. In diesem Zusammenhang werfen deutsche Politiker wie etwa der FDP-Bundestagsabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff russischen Gasproduzenten vor, bei ihren Lieferungen gerade noch vertragliche Verpflichtungen zu erfüllen, aber nicht auf die gestiegene Nachfrage zu reagieren.

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    Wie setzt sich der Strompreis zusammen?

    Der Strompreis in Deutschland setzt sich aus drei Bestandteilen zusammen: den Kosten für Erzeugung und Vertrieb, den Kosten für den Stromtransfer zum Endverbraucher und den vom Staat festgesetzten Steuern, Abgaben und Umlagen.
    Im vergangenen Jahr machten die staatlichen Abgaben laut einer Auswertung von Strom Report noch mehr als die Hälfte (51,4 Prozent) des Strompreises aus. Die Nutzung der Stromnetze (24,4) und die Stromerzeugung (24,1) hatten jeweils einen Anteil von knapp einem Viertel. Durch die Entwicklung der Großhandelspreise an der Strombörse, dem Anstieg der Kosten der Netzbetreiber und die Senkung der EEG-Umlage hat sich das Verhältnis der einzelnen Preisbestandteile 2022 verändert.
    Die Grafik zeigt die Strompreiszusammensetzung 2021
    Der durchschnittliche Strompreis für Haushaltskunden beträgt 2021 31,89 Cent/kWh (Deutschlandradio / Andrea Kampmann)
    Mit Jahresbeginn 2022 sank die zur Finanzierung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien eingeführte EEG-Umlage um 43 Prozent von 6,5 Cent pro Kilowattstunde auf 3,7 Cent. Jahrelang hatte die EEG-Umlage den höchsten Anteil an den staatlichen Abgaben. Mit 11 Prozent Anteil am Gesamtpreis bleibt er weiter hoch. Doch nun liegen Mehrwertsteuer und Stromsteuer mit zusammen fast 22 Prozent fast doppelt so hoch.
    Insgesamt sind Steuern, Abgaben und Umlagen mit 41 Prozent noch immer für den größten Posten des Strompreises verantwortlich. Im Vergleich zum Vorjahr fielen sie jedoch um 2,2 Cent auf 12,29 Cent pro Kilowattstunde. Doch der Anteil, der unmittelbar an die Stromanbieter geht, ist mit nun 35,6 Prozent so hoch wie nie zuvor. 2022 berechnet ein Stromanbieter durchschnittlich 12,34 Cent pro Kilowattstunde, das entspricht einer Steigerung von 60 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
    Grafik zeigt die Strompreiszusammensetzung 2022
    Der durchschnittliche Strompreis für Haushaltskunden beträgt 2022 34,6 Cent/kWh (Deutschlandradio / Andrea Kampmann)
    Auch die Entgelte, die Netzbetreiber für den Betrieb, die Instandhaltung und den Ausbau der Stromnetze erheben, haben sich erhöht. Zwar variieren die Netzentgelte abhängig von der Region stark, im bundesdeutschen Durchschnitt stiegen sie jedoch um vier Prozent. Der Kostenanteil der Netzentgelte am Stromgesamtpreis ging dennoch prozentual leicht zurück (23,4 Prozent, bzw. 8,1 Cent pro Kilowattstunde).

    Welchen Spareffekt für Verbraucher hätte die Streichung der EEG-Umlage?

    Die EEG-Umlage wurde im Jahr 2000 mit der Verabschiedung des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) eingeführt, um den Ausbau Erneuerbarer Energien zu fördern und die Energiewende in Deutschland voranzubringen. So verpflichtet das EEG Netzbetreiber, den Strom aus Windkraft- oder Solaranlagen zu einer festgelegten Vergütung abzunehmen. Differenzen zwischen der Vergütung und einem niedrigeren Marktpreis an der Strombörse muss der Netzbetreiber nicht selbst tragen, sondern werden vom Staat ausgeglichen. Diese Ausgleichszahlung wird durch die EEG-Umlage finanziert.
    Das Problem: Je größer das Stromangebot, etwa durch die Einspeisung von mehr Erneuerbarer Energie, desto geringer der Strompreis, desto größer auch die Differenz zur garantierten Einspeisevergütung für die Betreiber von Windkraft- und Solaranlagen. Auch durch diesen Effekt stieg die EEG-Umlage bis 2020 stetig an und verteuerte den Strom für den Endverbraucher. Im Jahr 2021 senkte die Bundesregierung die EEG-Umlage mit Steuermitteln auf 6,5 Cent pro Kilowattstunde, in diesem Jahr dann auf 3,72 Cent. Ab 2023 soll sie als Bestandteil des Strompreises abgeschafft und dann vollständig über den Bundeshaushalt finanziert werden. So steht es im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung.
    Angesichts der rasant gestiegen Energiekosten mehren sich nun die Stimmen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, diesen Schritt vorzuziehen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) stellte bereits ein Ende der EEG-Umlage zur Jahresmitte in Aussicht, wenn sich die Koalition darauf verständige. „Das wäre eine Milliardenentlastung für Familien, die Rentnerin, den Empfänger von Bafög oder Grundsicherung und Mittelstand und Handwerk“, sagte der FDP-Politiker dem Magazin „Der Spiegel“.
    Eine Familie mit einem Jahresverbrauch von 4.000 Kilowattstunden würde mit einem Wegfall der EEG-Umlage zur Jahresmitte etwa 89 Euro brutto an Stromkosten sparen, also fast 15 Euro pro Monat. Ein Einpersonenhaushalt mit einem Musterverbrauch von 1.300 Kilowattstunden rund 29 Euro brutto, beziehungsweise rund 5 Euro pro Monat. Dem stehen allerdings historische Preissteigerungen von bis zu 40 Prozent im vergangenen Jahr und weitere Erhöhungen in diesem Jahr gegenüber. Laut dem Vergleichsportal Verivox hätten bisher mehr als die Hälfte der rund 800 örtlichen Stromversorger Preiserhöhungen von durchschnittlich 18,9 Prozent bis April angekündigt oder bereits durchgeführt.
    Energie-Pass, EEG-Umlage - Was tun gegen hohe Energiepreise? (31.1.2022)
    Widerstand gegen eine vorgezogene Abschaffung einer EEG-Umlage kommt von den Grünen. Die Umlage um einen Cent abzusenken, koste rund fünf Milliarden Euro, sagte die klima- und energiepolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Ingrid Nestle, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Schon mit der Hälfte dieser Summe könne „locker“ all denen geholfen werden, die akute Probleme hätten. Gezielte Hilfe halte sie deshalb für besser.

    Welchen Spareffekt für Verbraucher hätten Steuersenkungen?

    Kritik ab der Abschaffung der EEG-Umlage äußert auch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Diese reiche nicht aus, um eine notwendige Entlastung zu schaffen, sagte Verdi-Chef Frank Werneke. Er forderte zum Ausgleich gestiegener Energiepreise zusätzlich eine Aussetzung der Mehrwertsteuer auf Strom und Gas.
    Zudem sollte es einen einmaligen Kinderbonus in Höhe von 200 Euro pro Kind geben. Eine Vier-Personen-Familie mit durchschnittlichem Energieverbrauch würde damit laut Verdi um etwa 850 Euro entlastet. Die von der Bundesregierung geplante Abschaffung der Umlage zur Finanzierung Erneuerbarer Energien reiche nicht aus. Ein Vier-Personen-Haushalt könne dadurch etwa 150 Euro sparen. "Das ist eine ergänzende Möglichkeit, aber es schafft nicht die Entlastung, die notwendig ist", sagte Werneke.
    Der Linken-Finanzexperte Christian Görke forderte ebenfalls weitere Entlastungen über die Streichung der EEG-Umlage hinaus. Er brachte eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Energie für ein halbes Jahr ins Gespräch. "Die Leute brauchen nicht nur Strom, sie müssen auch heizen und tanken", erklärte der finanzpolitische Sprecher der Linken-Bundestagsfraktion. Eine Mehrwertsteuersenkung für Energie würde da "sofort für Entlastung im Geldbeutel sorgen".
    Steigende Energiepreise: Was bringt der geplante Heizkostenzuschuss? (13.1.2022)
    Tatsächlich wäre ein vorübergehende Aussetzung der Mehrwertsteuer für Strom und Gas sowie auch bei Heizöl weitreichender, weil er die Verbraucher zusätzlich bei den Heizkosten entlasten würde. Auf die Stromkosten hätte dies möglicherweise sogar einen doppelten Effekt, weil zur Stromerzeugung genutztes Gas damit auch günstiger würde.
    Allein auf die Stromkosten gerechnet ergäbe sich bei einer Aussetzung der Mehrwertsteuer für einen Verbrauch von 4.000 Kilowattstunden eine Ersparnis von rund 18 Euro pro Monat, bei einem Einpersonenhaushalt mit einem Verbrauch von 1.300 Kilowattstunden knapp 6 Euro. Diese Rechnung zeigt aber auch: Eine wirklich spürbare Entlastung für Haushalte würde sich nur durch eine Kombination von Abschaffung der EEG-Umlage und Aussetzung der Mehrwertsteuer ergeben.
    (AFPD, stromreport, ww)