Nahost
Was über die erneuten Explosionen von Kommunikationsgeräten im Libanon bekannt ist

Bei erneuten Explosionen zahlreicher Funkgeräte im Libanon sind nach Behördenangaben mindestens 14 Menschen getötet worden. Wieder war die militant-islamistische Hisbollah das Ziel. Laut UNO-Generalsekretär Guterres könnten die Angriffe Vorboten eines großangelegten Militärschlags sein. Ein Überblick.

    Sidon: Libanesische Soldaten versammeln vor einem Geschäft, in dem vermutlich ein Funkgerät explodiert ist.
    Nahostkonflikt - Neue Explosionen im Libanon (Mohammad Zaatari / AP / dpa / Mohammad Zaatari)

    Welches Ausmaß hat der erneute mutmaßliche Angriff?

    Die Detonationen von Funkgeräten wurden aus mehreren Teilen des Landes gemeldet, unter anderem von einer Beerdigung in einem südlichen Vorort Beiruts, wo einige der gestern getöteten Hisbollah-Kämpfer zu Grabe getragen wurden. Viele der Opfer wiesen laut Medienberichten Verletzungen an den Händen und am Bauch auf.
    Wie das libanesische Gesundheitsministerium mitteilte, wurden insgesamt mehr als 450 Menschen verletzt. Außerdem gebe es mindestens 14 Tote. Gestern waren bereits zahlreiche Pager im Libanon explodiert, wobei mindestens zwölf Menschen getötet und mehr als 2.700 verletzt wurden. Aus dem Umfeld der Hisbollah hieß es, die beiden Explosionswellen seien "der härteste Schlag", der der Organisation jemals versetzt worden sei.

    Wer wird als Drahtzieher vermutet?

    Israels Armee und Geheimdienste bekannten sich zwar nicht zu den Explosionen. Der israelische Verteidigungsminister Gallant erklärte jedoch, der Schwerpunkt des Kriegs verlagere sich nach Norden. Man stehe am Beginn einer neuen Phase des Kriegs, die Mut, Entschlossenheit und Ausdauer erfordere. Die Hisbollah drohte Israel abermals mit Vergeltung. Kurz vor den erneuten Detonationen hatte die Miliz nach eigenen Angaben israelische Artillerie-Stellungen in der Nähe der Grenze zum Libanon beschossen. Die israelische Armee ist in Alarmbereitschaft.
    Die betroffenen Funkgeräte waren laut Medienberichten - ebenso wie die Pager - erst kürzlich eingeführt worden. Demnach könnten sie von israelischen Agenten vor ihrer Ankunft im Libanon abgefangen und mit jeweils etwa 25 bis 50 Gramm Sprengstoff bestückt worden sein, wie es die "New York Times" unter Berufung auf amerikanische Behördenvertreter berichtet, die über die Operation informiert worden seien.
    Auch Zenith-Chefredakteur Daniel Gerlach hält Vermutungen, wonach der israelische Auslandsgeheimdienst Mossad in Verbindung mit den Explosionen im Libanon stehen könnte, für plausibel. Eine so große und komplexe Operation könne nur von einem Geheimdienst ausgehen, der auch bereit sei, das Risiko einzugehen und eine Eskalation zu provozieren, sagte Gerlach im Deutschlandfunk. Für den Nahostexperten kommt für die Anschlagsserie nur der Mossad in Frage. In der Vergangenheit habe es bereits ähnliche Fälle gegeben, etwa die Explosion von Mobiltelefonen von Hamas-Mitgliedern während der Intifada. Die jetzige Operation habe aber eine neue Qualität, so Gerlach.

    Wie fallen die internationalen Reaktionen aus?

    Die Vereinten Nationen warnten angesichts der jüngsten Geschehnisse mit Nachdruck vor einer Eskalation in Nahost. UNO-Generalsekretär Guterres erklärte: "Die Logik hinter der Explosion all dieser Geräte besteht natürlich darin, dies als Präventivschlag vor einer größeren Militäroperation zu tun." Es bestehe die ernsthafte Gefahr einer dramatischen Eskalation. Es müsse alles getan werden, um diese zu verhindern, so Guterres weiter. Ähnlich äußerte sich der EU-Außenbeauftragte Borrell. Angesichts der Lage kommt der UNO-Sicherheitsrat am Freitag zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen.
    US-Außenminister Blinken zeigte sich frustriert über die "überraschenden Eskalationen" im Nahen Osten. Immer, wenn die USA und andere Vermittler Fortschritte in den Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg ausmachten, drohe ein Ereignis, die Gespräche zu stoppen, sagte Blinken auf eine Frage zu den Explosionen im Libanon.

    Wie ist die Hisbollah in den Gaza-Krieg involviert?

    Seit Beginn des Gaza-Kriegs vor fast einem Jahr kommt es im Grenzgebiet zwischen Israel und dem Libanon fast täglich zu Konfrontationen zwischen der Hisbollah und dem israelischen Militär. Auf beiden Seiten gab es infolge des gegenseitigen Beschusses Tote - die meisten von ihnen im Libanon. Rund 60.000 Israelis mussten ihre Häuser und Wohnungen im Norden Israels verlassen.
    Die Hisbollah will die Kämpfe erst bei Erreichen einer Waffenruhe in Gaza einstellen. Israel will, dass sich die Hisbollah-Miliz wieder hinter den 30 Kilometer von der Grenze entfernten Litani-Fluss zurückzieht - so wie es die UNO-Resolution 1701 vorsieht, um die Rückkehr der Bewohner im Norden des Landes zu ermöglichen.
    Diese Nachricht wurde am 18.09.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.