Dienstag, 14. Mai 2024

Archiv


Was von den Etruskern blieb

San Gimignano gilt als eine der am besten erhaltenen mittelalterlichen Städte Italiens. Insbesondere die Geschlechtertürme, von denen noch 15 der einst 72 erhalten sind, werden als "Manhattan des Mittelalters" weltweit gerühmt und gehören seit 1990 zum Weltkulturerbe. Erstmals im achten Jahrhundert urkundlich erwähnt, war die Stadt in der Toskana jedoch bereits von den Etruskern besiedelt, deren Herrschaftsgebiet nach der Eroberung durch dir Römer im Imperium Romanum aufging.

Von Barbara Weber | 27.09.2007
    "Ich heiße Claudio Sangiolo und wohne seit meiner Geburt in San Gigminiano. "

    "Durch einen glücklichen Zufall haben wir diesen Platz entdeckt. Wir sind völlig begeistert von der Archäologie und erkunden deshalb die Felder in der Umgebung. Ich bin schon seit über 20 Jahren dabei. Wenn die Bauern den Boden mit ihren Maschinen bearbeitet haben, machen wir uns auf die Suche nach antiken Überresten. Hier, auf diesem Feld, habe ich sofort gesehen, dass viele antike Fragmente zutage kamen. Sie waren nicht modern und stammten auch nicht aus dem Mittelalter. Sie waren eindeutig etruskisch oder römisch. "

    Der Platz heißt Il Monte und liegt im näheren Umkreis von San Gimignano. Dr. Dennis Graen, Archäologe an der Universität Jena, kannte Claudio Sangiolo von früheren Grabungen. Die Beiden blieben in Kontakt und so entwickelte sich das Projekt, an dem jetzt Wissenschaftler der Universität und der Römisch-Germanischen Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts beteiligt sind.

    "Wir sind gerade dabei, die etwas gröbere Arbeit zu übernehmen. Wir werden in diesem Bereich etwa zehn Zentimeter tiefer gehen im Erdreich, um an die unteren Schichten zu gelangen, denn wir befinden uns hier immer noch in einem antiken Versturz, also in den Resten eines zusammengestürzten Hauses wahrscheinlich."

    Wann die Bewohner des Hauses hier genau gelebt haben, ist noch unklar: Es waren wahrscheinlich Etrusker, vielleicht auch Römer. So genau weiß man das noch nicht. San Gimignano mit seinen mittelalterlichen Türmen konnten sie noch nicht sehen, aber wahrscheinlich blickten auch sie schon über Olivenhaine und Weinreben. Auch ohne die legendäre Stadt im Hintergrund ist die Weitsicht phantastisch.
    Die Bewohner dieses Hauses könnten beispielhaft stehen für das Schicksal der einfachen etruskischen Bevölkerung in der Toskana. Denn bis heute weiß keiner so genau, was nach der Hochzeit im sechsten Jahrhundert mit dem immer noch mysteriösen Volk der Etrusker passierte. Wie gestaltete sich der Übergang vom etruskischen ins römische Reich? Und vor allen Dingen: Wie ging es dabei der einfachen Bevölkerung?

    Das wollen die Wissenschaftler unter Leitung von Privatdozent Dr. Günther Schörner, Dennis Graen und Thomas Schierl herausfinden.
    Das Geheimnis der Etrusker; das Rätsel ihrer Schrift; der Zauber der Orte, an denen sie gelebt haben; die Inbrunst ihrer Religiosität - all das wurde zwar intensiv erforscht, vieles blieb aber im Dunkel.

    Das gilt auch für ihren Ursprung:

    "Es gibt verschiedene Theorien."

    Günther Schörner, Lehrstuhl für klassische Archäologie der Universität Jena.

    "Einmal, dass das eine indigene Ethnogenese war, also eine einheimische Volksbildung. Dann ist natürlich auch sehr prominent vertreten die Theorie, dass die Etrusker aus Kleinasien eingewandert sind. Da gibt es verschiedene epigraphische, also sprachlich inschriftliche Zeugnisse aus dem Ägäisraum. Und dann gibt es natürlich eine Meinung, die versucht, beides zu verbinden, dass also eine relativ kleine Gruppe eingewandert ist, kulturell bestimmend war und dann die einheimische Kultur so nach und nach stückweise zu den Etruskern geworden ist. Ich denke, dass vor allem die dritte Meinung die wahrscheinlichste ist."

    Als die Not aber nicht nachließ, sondern sie sogar noch mehr bedrängte, schied der König alle Lyder in zwei Gruppen und ließ sie losen. Die eine Hälfte sollte im Land bleiben, die andere musste auswandern. Die einen, die das Los des Auswanderns getroffen hatte, zogen nach Smyrna hinunter und bauten Fahrzeuge. Darin verluden sie alles, was sie für die Seefahrt brauchten, und fuhren dann auf der Suche nach Lebensunterhalt und Land. An vielen Völkern fuhren sie vorbei und kamen schließlich zum Land der Umbrer. Hier gründeten sie Städte und wohnen noch heute dort.
    Herodot, Historien, Erstes Buch.

    "Es ist hauptsächlich Material überliefert, was natürlich hier im Museum in San Gimignano zu sehen ist."
    Dr. Hadwiga Schörner, Klassische Archäologin, Universität Jena.

    "Und zwar gibt es da zwei Hauptgruppen: die Keramik und dann die Bronzearbeiten, Bronzegefäße, Geräte, Statuetten. Dafür sind die Etrusker auch berühmt. Was es auch gibt, ist der berühmte etruskische Goldschmuck. Am Anfang, beim Austritt aus der Bronzezeit war es so, dass es verhältnismäßig einfache Gefäßformen gab, die sich in ihrer Funktionalität einfach bewährt hatten. Da ist es auch schon zu sehen, dass es verschiedene Feinheitsstufen des Tons gibt. Hier oben zum Beispiel das ist feiner Ton. Er ist geschlämmt, das heißt, Stoffe, die da nicht hinein gehören, sind herausgenommen worden während hier unten das so genannte Impasto wirkt sehr grob, weil dort absichtlich organische und andere Stoffe wie Kalk zugeführt wurden aus einem Grund, der mir persönlich nicht sehr einleuchtet, weil der Negativeffekt ist, man kann natürlich dicke Wandungen machen, man kann große Aufbewahrungsgefäße produzieren, aber sie brechen auch sehr leicht, dadurch dass der Ton so unrein ist."
    Den griechischen póleis sehr ähnlich, gründeten die Etrusker Stadtstaaten. Die überlieferten zwölf Städte hielten Bündnisse untereinander und verstanden sich als einheitliches Volk. Spannungen, wie von den antiken griechischen Städten bekannt, gab es wohl nicht. Gemeinsame Religion, Wirtschaft und politische Interessen verbanden sie miteinander. Diese zwölf Städte fühlten sich als von Gott bevorzugt und als Manifestation der übernatürlichen kosmischen Ordnung auf Erden.

    Um welche der zwölf Städte es sich bei diesem Bund handelte, ist bis heute nicht gesichert. Die Archäologen Franco Falchetti und Antonella Romualdi glauben, dass es einen Berührungspunkt mit den ebenfalls zwölf Städten des Ionischen Bundes gegeben haben könnte. In ihrem Buch "Die Etrusker" zählen sie Arezzo, Perugia und Volterra dazu. Zwölf Könige standen diesen Städten vor, wovon einer jährlich zum primus inter pares gewählt wurde.
    Die etruskische Gesellschaft scheint in zwei klar gegliederte Gruppen geteilt worden zu sein: die der Herren und die der Sklaven. Eine Mittelschicht von Handwerkern, Lehrern und Verwaltungsangestellten war bei weitem nicht so bedeutend wie heute. Zu den Sklaven gehörten auch die Bauern, die für die aristokratischen Großgrundbesitzer arbeiteten.
    Da das Alphabet der etruskischen Schrift inzwischen zwar entziffert, die Sprache trotzdem noch weitgehend unbekannt ist, wissen die Forscher über die etruskische Religion nur aus Überlieferungen und archäologischen Funden:

    "Was wir von der etruskischen Religion wissen, stützt sich vielfach auf römische Quellen und stützt sich auch darauf, was in der römischen Religion von der etruskischen Religion übernommen wurde. Wir wissen, dass gewisse Ämter übernommen wurden, dass Priesterinsignien übernommen wurden und auch dass gewisse Rituale übernommen wurden, insbesondere die disciplina etrusca, eine spezielle Form der Wahrsagung, der Befragung des Götterwillens durch Untersuchungen der Eingeweide von Opfertieren."

    Die Gräber brachten die bislang spektakulärsten Funde. So konnten in der Nähe von Volterra Gräber geborgen werden, die wohl von einem Familienverband vom achten bis zum sechsten Jahrhundert genutzt wurden. Den Reichtum der Familie spiegeln die Opferbeigaben: Bronze- und Silbergefäße, Elemente einer Elfenbeinkette in Form eines Affen; goldene, bronzene und silberne Fibeln; ein Eisenmesser mit Elfenbeingriff mit Bernsteinintarsien.

    Grabinschriften und einige Sarkophage werfen ein erstaunliches Schlaglicht auf die etruskische Gesellschaft: Die Stellung der Frau war relativ gleichberechtigt neben der des Mannes, wenn auch nicht vergleichbar mit der in unserer Gesellschaft:
    Über die Architektur und die Lebensweise ist hingegen wenig bekannt. Die sakralen und profanen Bauten der Städte scheinen geometrisch angelegt, ländliche Regionen wurden wohl eher spontan bebaut, so wie die, die die deutschen Archäologen untersuchen. Thomas Schierl, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Römisch-Germanischen Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts:

    "Wir müssen davon ausgehen, dass es sich um kleinere, wahrscheinlich um eine relativ kleinräumige Ansiedlung handelt, die vielleicht mehrere Häuser umfasst hat, eher 10 - 20 Häuser, größer wird man das nicht einschätzen dürfen. Die Häuser sind sehr einfach gebaut. Sie bestehen aus einfachen Steinfundamenten, die mit einem Stampflehmboden ausgestattet waren, auf dem Feuer brannten. Die Häuser waren mit einfachen Lehm-Stampfwänden versehen, Dachziegel haben sie abgedeckt. Also das war eine kleine Ansiedlung, die vergleichsweise dörflichen Charakter tragen dürfte."

    Die Blütezeit der Etrusker wird auf das sechste bis frühe fünfte Jahrhundert datiert. Sprecher

    Mit dem fünften Jahrhundert geht die etruskische Hochzeit zu Ende. Welche Faktoren dabei eine Rolle spielen, kann bislang wohl nur vermutet werden:

    "Dann hat es offenbar eine Veränderung gegeben, eine politische Veränderung, wo wir nicht genau wissen, was der Grund dafür ist, es ist nur interessant, dass das eben auch mit Einrichtung der Demokratie in Griechenland und der Republik in Rom annähernd zusammenfällt."
    Im vierten Jahrhundert wird die südlichste Stadt des Zwölferbundes Veji angegriffen. Von den anderen Bundesstädten allein gelassen, fällt sie nach zehnjähriger Belagerung an die Römer. Die Gallier attackieren im Norden Melpum. Auch wenn das ein singuläres Ereignis bleibt und die Samniten erst mal die Römer beschäftigten, zeichnet sich der Niedergang Etruriens ab.

    In diese Phase fällt die Besiedlung um San Gimignano. Diese Phase interessiert auch die Wissenschaftler aus Deutschland. Thomas Schierl und Mareike Rind beugen sich über eine Scherbe:

    "Wir haben hier gerade eine Scherbe gefunden, eine Randscherbe von einer Amphora wahrscheinlich. "

    "Man sieht das eigentlich ganz gut an dem Randansatz, der hier im Profil steckt und dadurch, dass sich das Ganze auch relativ schlecht noch entfernen lässt, müssen wir es jetzt im Prinzip frei präparieren, bis wir das ganze oder vielleicht auch ein halbes Gefäß bergen können. Man muss halt ziemlich vorsichtig sein, damit man nicht noch den Rest abbricht davon."
    Etwa 70 Quadratmeter umfasst das Grabungsareal. Auffallend ist - so der Archäologe Henning Wabersich -

    "die gewaltige Fülle an Keramik, die wir hier aus diesem relativ begrenzten Areal bergen konnten und innerhalb dieser Mengen an Keramik sehr qualitätvolle. Ich sehe gerade, hier ist gerade wieder ein Fund gemacht worden, dass wir hier eine Wandscherbe mit rotem Überzug haben, mit senkrechten Linien verziert. Das ist eben auch ein Exemplar der römischen Terra sigilata, römische Feinkeramik aus dem ersten Jahrhundert n. Chr. Da es jetzt gerade aus der Erde gekommen ist, muss ich das selber erst mal anschauen."
    Neben Keramikfunden kommen gebrannte Ziegel zutage; Holzkohle, die auf einen Brand schließen lässt; an einem Platz mehrere Spindeln. Hier könnte eine Werkstatt gewesen sein. Für andere Funde müssen die Wissenschaftler Biologen heranziehen wie für das Stück, was Marcolf Baliga gefunden hat.

    "Das ist ein Zahn, wie man sieht ein Eckzahn. Vielleicht Wildschwein oder etwas in der Richtung. Was man halt hier gegessen hat. Wir haben auch hier in dem Bereich da vorne größere Knochen gefunden von einem Tier, wo wir noch nicht so genau wissen, was es ist, aber es ist ein ziemlich mächtiges Kugelgelenk mit Knochen dran."
    Am Abend sitzen die Wissenschaftler um einen großen Tisch und sortieren die Funde in kleinen Plastiktütchen: Sorgfältig bestimmt und beschriftet sollen sie später zugeordnet werden können.
    Günther Schörner:
    "Ich trag das jetzt gleich in den Computer ein. Wir haben drei Spalten: einmal die Fundkomplexnummer, dann die genaue Beschreibung, woher dieser Fund stammt und dann als dritte Spalte dann die Aufstellung, was in diesem Fundkomplex sich befindet, also Aufteilung in die üblichen Keramikgattungen bei uns eben sehr viel Terra sigilata, dann eben auch Küchenkeramik, die wir noch mal in fein und grob unterscheiden, Impasto, also eine ganz grobe Keramik, und dann eben noch etwas seltenere Gattungen wie Amphoren oder auch Sachen wie Knochen, Schlacke, Putz, was so noch dazu kommt."

    Auf den ersten Blick erscheinen diese Funde wenig aussagekräftig. Doch sie geben Auskunft darüber, was in dieser Wendezeit passiert ist.

    "Ich denke ja auch, dass das ein schleichender Zustand war. Ja, das Ende der Etrusker ist uns ja auch kaum bekannt. Das ist ja nicht so, eines morgens wachten sie auf und waren keine Etrusker mehr."

    Da setzt die Grabung an. Die Archäologen wollen herausfinden,

    "was sich geändert hat im alltäglichen Leben der vormals Etrusker beziehungsweise im 3. und 2. Jahrhundert kann man sie immer noch so bezeichnen, ob sie im römischen Reich vollständig aufgegangen sind, ob sie vielleicht ausgestorben sind und römische Bürger sich ausgebreitet haben von Rom aus Richtung Norden oder ob sie sich einfach komplett vermischt haben oder, was auch möglich ist, hier aber noch zu untersuchen wäre, ob diese beiden Bevölkerungsgruppen zusammenkommen und dadurch eine neue Kultur schaffen."


    Hier noch zwei sehr empfehlenswerte Bücher zum Thema Etrusker:

    - Franco Falchetti, Antonella Romualdi, Die Etrusker, Theiss Verlag, Stuttgart, 2001
    - Sybille Haynes, Kulturgeschichte der Etrusker, Philipp von Zabern, Mainz, 2005