Archiv


Was will die SPD in Sachen Familienpolitik unternehmen?

    Emsinger: Beim Programmforum der SPD zur Familie wird Bundeskanzler Gerhard Schröder heute eine Grundsatzrede halten und schon am Wochenende hatte er angekündigt, dass das Betreuungsangebot für Kinder ausgeweitet werden soll. Unionskandidat Stoiber stellte im Fall seiner Wahl ein milliardenschweres Programm zur Unterstützung von Familien in Aussicht. Auch Bündnis 90/Die Grünen haben einen Vorschlag: Sie setzte auf Betreuungsgutscheine. Am Telefon bin ich jetzt verbunden mit der stellvertretenden Parteivorsitzenden der SPD, Renate Schmidt. Schönen Guten Morgen.

    Schmidt: Guten Morgen.

    Emsinger: Frau Schmidt, Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber will im Falle eines Wahlsiegs ein Familiengeld einführen, also Kinder- und Erziehungsgeld zusammenlegen und stufenweise auf bis zu 600 Euro für jedes Kind bis zu sechs Jahren erhöhen. Ist doch gar keine schlechte Idee, oder?

    Schmidt: Vom Prinzip her klingt das gut, aber es ist das Falsche. 30 Milliarden Euro sind erstens einmal nicht finanzierbar, und was er zusätzlich verspricht, das sind noch einmal 10 bis 15 Milliarden Euro - das ist absolut nicht finanzierbar und außerdem geht es an den Bedürfnissen von Menschen vorbei. Dort wo wir die größten Defizite haben, das ist die Betreuungssituation in Deutschland. Und das ist etwas, was verbessert werden muss, und hier müssen wir vor allen Dingen ansetzten.

    Emsinger: Nun bleiben wir trotzdem mal bei dem Vorschlag: 30 bis 50 Milliarden Euro. An anderer Stelle ist immer wieder Geld genug da. Man denkt nur an Großprojekte, wie den Transrapid. Kann man also wirklich nicht, oder fehlt auch ein wenig der Wille?

    Schmidt: Nein, also der Transrapid kostet keine 50 Milliarden Euro...

    Emsinger: ...aber andere Großprojekte zusammen.

    Schmidt: Ja, aber wir können jetzt nicht sämtliche Dinge in Deutschland einstellen. Das ist einfach eine Illusion, und vor allen Dingen - ich sage noch einmal: Wenn es nur darum ging, dass es nicht finanzierbar wäre, dann würde man sagen, dass man es natürlich schrittweise dennoch tun muss. Aber es ist ja auch das Falsche. Ich betone es noch einmal: Es geht nicht um mehr Geldfonds für Familien, sondern es geht darum, die Betreuungssituation in Deutschland zu verbessern. Hier sind wir das Schlusslicht, das absolute Schlusslicht in ganz Europa.

    Emsinger: Nun sagte ja Schröder bereits, dass er mehr Ganztagsbetreuung in Kindergärten und Schulen möchte. Sie bekräftigen jetzt auch noch mal, dass es um die Betreuung geht. Dann gibt es in der Tat natürlich keine Finanzierungsprobleme für den Bund, denn dann sind, wie Schröder ja auch selbst zugibt, Bund und Länder gefragt. Ein Wahlkampfversprechen auf Kosten anderer?

    Schmidt: Nein, sondern der Bund muss natürlich Seines dazu beitragen, zum Beispiel über die Gemeindefinanzreform, damit Länder und Kommunen in die Situation versetzt werden, hier mehr zu tun als bisher. Aber natürlich müssen Länder und Kommunen selber auch andere Prioritäten setzten.

    Emsinger: Nun haben Sie lange im Bayerischen Landtag die SPD-Fraktion angeführt. Sie kennen die Haushaltssituation der Länder und auch der Kommunen. Werden die denn bei solchen Vorschlägen mitspielen können?

    Schmidt: Ich gehe davon aus, dass das der Fall sein wird, und zwar deshalb, weil es jetzt schon Ansätze gibt, wo man sieht, dass es eine Umdenken gibt. Denken Sie nur an Rheinland Pfalz: Rheinland Pfalz wird in dieser Legislaturperiode insgesamt 300 Ganztagsschulen mehr schaffen als bisher, und das kann sich schon sehen lassen.

    Emsinger: Schröder plädiert für eine familienpolitische Allianz, um noch einmal bei den Plänen Ihrer Partei zu bleiben, die Tarifpartner, Ländern , Kommunen, Kirchen und anderes umfassen soll. Da steht ja die Befürchtung an, bis sich dann alle einig sind, wird wahrscheinlich viel geredet und in der Zwischenzeit passiert nichts. Ist das nicht eine Gefahr?

    Schmidt: Nein, ich sehe sehr wohl, dass die Priorität erkannt ist. Der Druck der Wirtschaft wird zunehmen und die Wirtschaft ist übrigens auch in einem gewissen Ausmaß gefordert, mit familienfreundlichen Arbeitszeiten und um selber zusätzliche Betreuungsreinrichtungen vorzuhalten. Auch das ist in anderen Ländern üblich.

    Emsinger: Sie haben am Wochenende erklärt, die SPD würde darüber nachdenken, ob man Betrieben finanzielle Anreize geben könne, damit sich ein Engagement für Betriebskindergärten auch steuerlich lohne. Ist das dann finanzierbar?

    Schmidt: Ich bin der Meinung, dass man zum Beispiel über zusätzliche steuerliche Anreize sehr wohl etwas tun kann. Diese steuerlichen Anreize werden nicht so sehr viel kosten. Ich finde es nicht gut, dass zum Beispiel heute ein Betriebskindergarten oder eine Notfallbetreuung nur genau so zu Buche schlägt, wie eine Kantine. Hier könnte man ein Stückchen mehr tun.

    Emsinger: Aber warum nicht, statt die Betriebe steuerlich zu entlasten die Familien entlasten, indem sie beispielsweise die Kosten für Kinderbetreuung stärker von der Steuer absetzen können. Das hat Stoiber ja angedacht.

    Schmidt: Das ist etwas, da stimme ich mit dem Herrn Kandidaten überein und dieses steht ja auch in unserem Programm. Was die Betreuungskosten betrifft, da müssen wir noch ein Stückchen mehr tun, insbesondere auch um eine verfassungsfeste Lösung, die auch finanzierbar ist, für Alleinerziehende zu schaffen.

    Emsinger: Was halten Sie denn von dem Vorschlag der Grünen, vier bis sieben Milliarden Euro im Jahr zum Ausbau der Kinderbetreuung zu investieren und Gutscheine für die Kinderbetreuung zu verteilen?

    Schmidt: Wir werden etwas nicht tun: Wir werden keine Mischfinanzierung zwischen Bund und Ländern konstruieren. Das wollen die Länder nicht, das will der Bund nicht und das ist auch die Verfassung, die dagegen spricht, sondern wir müssen uns auf solche Umwege einlassen, wie ich sie gerade genannt habe.

    Emsinger: Frau Schmidt, es hat bereits in Kommentierungen auch der Presse, so die Vermutung, gegeben, dass das Ganze jetzt nur Wahlversprechen sind. Wie wollen Sie denn glaubhaft machen, dass das diesmal nicht so ist?

    Schmidt: Nein, das sind natürlich keine Wahlversprechen. Ich sage noch einmal, dass die Wirtschaft darauf drängt, dass sich hier was verbessert, weil trotz leider noch zu hoher Arbeitslosigkeit gut qualifizierte Fachkräfte fehlen, und das sind die Frauen, das ist die am besten ausgebildete Frauengeneration, die wir jemals in Deutschland hatten. Die möchte zum größten Teil erwerbstätig sein und kann es wegen der miesen Betreuungssituation nicht sein.

    Emsinger: Wenn man das jetzt alles in einem betrachtet: Was wäre denn die optimale Familienförderung, das Gesamtpaket quasi?

    Schmidt: Die optimale Familienförderung wäre die, für gute Betreuungseinrichtungen zu sorgen, Kinder aus der Armut heraus zu bringen, Alleinerziehende besonders zu entlasten und natürlich auch den Familienlastenausgleich schrittweise fortzuentwickeln.

    Emsinger: Vielen Dank, Renate Schmidt.

    Link: Interview als RealAudio