Archiv


"Was wir eigentlich von diesem Bündnis für Arbeit gebraucht hätten, wäre Aufbruchstimmung"

Koczian: Und am Telefon in Nürnberg nun Wilhelm Schelsky, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Unabhängige Betriebsräte. Guten Tag, Herr Schelsky.

    Schelsky: Grüß Gott.

    Koczian: Gibt es das Bündnis für Arbeit nicht längst schon auf Betriebsebene?

    Schelsky: Es gibt auf Betriebsebene vor allem Bündnisse für Arbeit, die motivierend wirken und ein anderes Betriebsklima ausstrahlen, das uns im Standort Deutschland halt fehlt.

    Koczian: Nun, was bei der Verwaltung des Mangels funktioniert, wirkt das auch, wenn es gute Erträge zu verteilen gibt, z.B. durch Teilnahme daran durch die Arbeitnehmer?

    Schelsky: Es wirkt noch zu wenig, aber wir haben in der Tat auf betrieblicher Ebene Bonussysteme entwickelt, die die Teilnahme der Arbeitnehmer zunehmend mit sich bringen. Wir haben dort zu wenig, auch zu wenig Anreize. Das ist eine schwierige Diskussion. In dem Bereich, wo Tariflöhne und Gehälter gezahlt werden, Bonussysteme zu installieren, die eben auch im positiven Fall mitwirken für die Arbeitnehmer.

    Koczian: Nun kann man ja nicht sagen, dass Sie vom Regelfall sprechen. Warum macht denn das Modell so schwer Schule?

    Schelsky: Weil wir immer noch in dem Schubladendenken sind, dass das garantierte Festgehalt über allen anderen Annreizen steht. Und überall dort, wo wir tarifgebundene Unternehmen haben, ist das eine hochideologische Diskussion. Sie finden es in Unternehmen, die außerhalb der Tarifbindung sind, dort finden Sie es heute in zunehmendem und attraktivem Maße.

    Koczian: Nun gibt es ja in Bayern bereits eine doppelte Ebene nämlich die tarifgebundenen Betriebe und die nicht tarifgebundenen Betriebe. Wird das die kommende Entwicklung sein?

    Schelsky: Definitiv ja. Wir haben seit vielen Jahren die Forderung, dass man sehr viel stärker auf Subsidiarität setzt. Nichtabschaffen des Flächentarifvertrages aber die Hoheit der betrieblichen Vereinbarung als Regelfall und nicht nur als gesetzlichen Ausnahmefall. Das scheint mir in der Tat die Zukunft zu sein. Bleiben wir bei den heutigen Regelungen, gehen wir weiter den schweren Weg, auf dem wir sind.

    Koczian: Aber ist dann die Vorrangigkeit von Shareholder Value nicht eine Gefahr, weil der nichtorganisierte Arbeitnehmer eben doch schwach ist?

    Schelsky: Der nichtorganisierte Arbeitnehmer ist heute mit Sicherheit nicht mehr schwach, denn was er immer hat, ist die betriebliche Vertretung, den Betriebsrat, der aktuell ja noch mal durch die Novellierung mit neuen Rechten ausgestattet ist. Wir haben auf betrieblicher Ebene heute so viel Kampfgleichheit, so viel Machtverteilung ausgewogen, dass es den Organisierten in der Fläche nicht braucht um Erfolg zu erzielen, wenn wir Erfolg auf das jeweilige Unternehmen betrachten. Natürlich ist Shareholder Value in Deutschland übertrieben worden. Möglicherweise haben uns die letzten zwölf Monate - Börsencrash hätte ich fast gesagt - geholfen, darüber nachzudenken, dass ein Unternehmen auch Langfristperspektiven planen muss. Und nicht nur sollte.

    Koczian: Kurz zum Schluss: ist der nationale Rahmen wie beim Bündnis für Arbeit in Berlin angesichts der Globalisierung überhaupt zureichend handlungsfähig?

    Schelsky: Er ist deshalb an sich zureichend handlungsfähig, weil ein Großteil unserer Rahmenbedingungen durch nationale Gesetzgebung entsteht. Das ist aber gleichzeitig das Defizit. Dort sitzen nur Gruppen am Tisch, die Sorge haben, Verlierer zu sein. Die einen bei der Bundestagswahl, die anderen bei den Tarifrunden. Das, was wir eigentlich von diesem Bündnis für Arbeit gebraucht hätten, wäre Aufbruchstimmung, atmosphärische positive Zeichen. Der nationale Rahmen ist schon in Ordnung. Er sollte nur positiv gelebt werden.

    Koczian: Im Deutschlandfunk der AUB-Vorsitzende Wilhelm Schelsky. Danke nach Nürnberg.

    Schelsky: Bitte, Wiederhören.