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" Was würde geschehen, wenn man nichts macht?"

Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), prognostiziert, dass es der deutschen Wirtschaft zwar erheblich schlechter gehen könnte, ein Minuswachstum erwartet er nicht.

Martin Wansleben im Gespräch mit Dirk Müller |
    Dirk Müller: Allerhand Schritte hat die Bundesregierung angekündigt. Schauen wir auf die Wirtschaftsentwicklung, auf die Konjunktur im Rahmen der Finanzkrise. In Japan beispielsweise mehren sich die Anzeichen, dass viele Betriebe bereits massive Probleme haben, sich mit Krediten, mit Geld zu versorgen, Produktionsengpässe, Produktionsausfälle sind die Folgen. In den USA spüren es vor allem jetzt auch die Autobauer, dass die Nachfrage rapide nach unten geht, die Großen wie Ford und General Motors sind in einer der größten Krisen der Firmengeschichte. Dementsprechend, nicht ganz so arg, aber doch in der Tendenz, die Situation von Ford und Opel hierzulande. Was passiert in Deutschland, was passiert mit den deutschen Unternehmen, wenn auch der Rettungsplan der Bundesregierung mit rund 400 Milliarden auf den Weg gebracht wird noch in dieser Woche? Darüber sprechen wollen wir mit Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des deutschen Industrie- und Handelskammertages. Guten Morgen!

    Martin Wansleben: Morgen, Herr Müller!

    Müller: Herr Wansleben, ist das der Schritt nach vorne?

    Wansleben: Zunächst einmal gibt der Staat ja nicht 400 Milliarden aus, sondern der gibt Bürgschaften. Er regelt Bilanzierungsfragen und er beteiligt sich in der Tat möglicherweise an Banken. Der Schritt nach vorne, das werden wir sehen. Ich glaube, im Moment können wir nur froh sein, dass die Regierung auf europäischer Ebene international und jetzt hier national handelt. Wir müssen auf Sieg setzen. Wir sollten aber auch nicht vergessen, dass die Realwirtschaft nach wie vor funktioniert. Es ist nicht so, dass die Räder alle stillstehen.

    Müller: Was funktioniert denn nicht im Moment?

    Wansleben: Na gut, ich würde lieber mal sagen, lassen Sie uns mal darüber reden, was alles funktioniert.

    Müller: Aber vielleicht klären wir erst mal die Frage, was nicht funktioniert.

    Wansleben: Ja, was nicht funktioniert, ist, dass die Banken untereinander nicht mehr handeln. Die Banken haben offensichtlich das Vertrauen zu sich selbst so sehr verloren, dass sie sich gegenseitig kein Geld mehr leihen. Das ist ja der wichtige Punkt, wo jetzt die Bundesregierung ansetzen muss und ansetzen will, um diesen sogenannten Interbankenhandel wieder in Gang zu setzen.

    Müller: Und wie spüren das die deutschen Unternehmen?

    Wansleben: Ja, wir haben bis an den aktuellen Rand letzte Woche ständig Nachfragen gemacht, wir haben eine Umfrage durchgeführt unter vielen, vielen Unternehmen. Und das Ergebnis ist, dass es keine flächendeckende Kreditklemme gibt. Gleichwohl gibt es rund 20 Prozent der Unternehmen, die uns sagen, sie merken, dass die Konditionen etwas schwieriger sind.

    Müller: Das hört sich so an, als müssten wir gar nichts machen?

    Wansleben: Das hört sich so an, dass wir dringend was machen müssen. Denn es ist überhaupt keine Frage, ohne einen funktionierenden Bankenapparat kann auf Dauer die Wirtschaft nicht funktionieren. Aber ich sage noch einmal, die Realwirtschaft ist im Moment in Deutschland nicht in dem Maße betroffen, wie im Moment die Überschriften aus dem Bankensektor dies glauben machen können.

    Müller: Sie sagen, Herr Wansleben, diese 400 Milliarden, die da im Moment auf der Tagesordnung stehen, im Kabinett und dann ja auch im Bundestag, das gibt die Bundesregierung nicht aus, aber sie muss es ja verbuchen. Sie muss es ja zunächst einmal auftreiben. Und wenn wir durch Steuererhöhungen und andere Dinge in den vergangenen Monaten und Jahren gelernt haben, dass das Geld knapp ist, ist das ja doch eine Riesensumme, was ja insgesamt den Haushalt und die Wirtschaftsleistung sehr stark beeinträchtigen würden. Mit welchen Folgen?
    Wansleben: Ja, ich meine, bei solchen Maßnahmen muss man natürlich immer sehen, was würde geschehen, wenn man nichts macht. Und, ich glaube, das haben wir jetzt gemerkt an den Fällen zum Beispiel Lehman Brothers, dass es besser ist, wenn jetzt der Staat reagiert. Aber ich sage noch einmal, wenn ich das richtig sehe, Frau Merkel wird ja das Thema dann heute darstellen, geht es ja nicht darum, dass der Staat jetzt 400 Milliarden Euro ausgibt, sondern es geht darum, dass der Staat mit 400 Milliarden Euro ins Risiko geht. Das ist richtig, aber es ist ja auch nicht so, dass bei den Banken überhaupt nichts mehr ist. Das heißt, selbst im schlimmsten Falle muss man im Zweifel nicht mit 100 Prozent Ausfall rechnen.

    Müller: Wenn der Staat die Banken rettet, dann könnte der Staat demnächst doch auch Unternehmen retten?

    Wansleben: Ja, das ist eine gute Frage. Die werden wir sicherlich lange diskutieren müssen. Ich glaube nicht, denn wir haben bei dem Bankenfall nicht um Ineffizienzen im betriebswirtschaftlichen Sinne zu tun, sondern wir haben es damit zu tun, dass ein Bankensystem, ein weltweites Bankensystem nicht mehr funktioniert, eine völlig andere Geschichte, als in Unternehmen nicht mehr funktionieren. Und ich glaube auch, wir sind verdammt gut beraten, die ganzen Maßnahmen des Staates zeitlich zu befristen. Und wenn ich die Eckpunkte, die bekannt sind, richtig verstanden habe, dann ist das ja auch Intention der Bundesregierung.

    Müller: Aber Fehlkalkulationen im Inneren beziehungsweise auch betriebswirtschaftliche Fehler sind ja bei den Banken schon gemacht worden?

    Wansleben: Das sieht so aus, aber das Hauptthema ist, dass den Banken erlaubt worden ist, mit, wenn Sie so wollen, zu wenig Eigenkapital ein zu großes Rad zu drehen. Und das rächt sich jetzt, und das wird man sicherlich in Form von neuen Regularien ändern müssen.

    Müller: Herr Wansleben, da haben viele für Verständnis, dass Sie sagen, wir müssen mal schauen, wie wir aus der Krise herauskommen, das tun ja auch viele, und wir sollten nicht immer alles schwarz malen. Dennoch die Frage. Wir sind, Deutschland, Exportweltmeister. Wenn jetzt viele, viele Länder, die da vielleicht auch im Banken-, im Finanzsystem noch verwundbarer sind als wir, das wird ja auch suggeriert, unter anderem vom Finanzminister, dann kann das doch nicht ohne Auswirkungen auf die deutschen Unternehmen sein?

    Wansleben: Ja gut. Ich meine, die Konjunktur in Deutschland und auch weltweit kühlt sich seit mehreren Monaten bereits ab. Das heißt, wir wissen, dass in den nächsten Monaten, wir wissen, dass im nächsten Jahr die Konjunktur schlechter laufen wird als in den letzten Jahren, das ist klar. Die Frage ist, in welchem Ausmaß jetzt die Bankenkrise strukturell durchschlägt. Wir werden am Donnerstag unsere Zahlen veröffentlichen, wir werten im Moment noch aus. Aber im Moment sehen wir nicht, dass wir in eine richtige Rezession hineinschlittern. Wir sehen allerdings durchaus die Möglichkeit, dass es erheblich schlechter wird.

    Müller: Ist vielleicht, Herr Wansleben, mit Blick nach vorn die größte Gefahr, dass alles teuer, dass vor allem das Geld wesentlich teurer wird in den nächsten Monaten?

    Wansleben: Gut, was jetzt passiert ist, wenn den Banken es nicht mehr ermöglicht wird, ein so großes Rad zu drehen, um bei dem Bild zu bleiben, dann hat das natürlich Auswirkungen auf Dauer auf die Zinskonditionen. Das heißt, es wird nicht mehr so leicht, nach oben zu gehen mit Krediten, mit Finanzierungen. Das wird für sich betrachtet die Wachstumsphase nach unten drücken. Aber ich sage noch einmal, die Realwirtschaft hat nicht aufgehört zu leben, genauso wie der Konjunkturzyklus. Wir gehen jetzt nach unten, aber wir sollten doch mit einer größeren Portion an Zuversicht dann auch auf die nächsten Jahre setzen.

    Müller: Und gehen jetzt alle Betriebs- und Firmenchefs in Zukunft nur noch zur Stadtsparkasse?

    Wansleben: Das glaube ich nicht, denn alle Firmen oder viele Firmen brauchen international spannende Finanzierungssysteme und Finanzinstitute. Das heißt, es wird auch in Zukunft andere Banken geben. Aber lassen Sie mich noch bitte einen Punkt nennen. Ich denke, dass das wichtig ist, dass man das doch noch mal sagt. Der Arbeitsmarkt ist in einem selten guten Zustand. Und das Gleiche gilt ja auch für den Ausbildungsmarkt. Wir werden das heute im Paktlenkungsausschuss verkünden. Das heißt, es ist nicht so, dass alles nach unten geht, es gibt durchaus in diesem Jahr auch große Erfolge zu verzeichnen.

    Müller: Bei uns im Deutschlandfunk Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages DIHK. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Wansleben: Bitte!