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Waschen ohne Seife

Vor 40 Jahren kam ein Produkt auf den Markt, das die Körperpflege umkrempeln sollte: das seifenfreie Waschstück. Waschen ohne Seife - was sich wie ein unauflösbarer Widerspruch anhört wurde zur Grundlage eines höchst erfolgreichen Familienunternehmens, das inzwischen mehr als 100 Produkte anbietet. Ihr Markenzeichen: pH-Wert 5,5.

Von Martin Koch | 26.10.2007
    Es ist grün, charakteristisch gewölbt und duftet angenehm - heute wie vor 40 Jahren. Das seifenfreie sebamed-Waschstück hat jeden Modetrend überdauert und darauf ist der stellvertretende Firmenchef von Sebapharma, Thomas Maurer, mächtig stolz:

    " Diese Biegung war in das Waschstück eingebracht worden, um es gegen Ende des Verbrauchs besser vom Waschtisch nehmen zu können. Und diese markante Form ist bis heute durchgehalten worden, und ich sage immer: Es gibt nur ein Original, wie es eine Coca-Cola gibt oder einen Chagall oder Picasso, so gibt es auch nur eine sebamed-Kompakt-Form. "

    Selbstbewusst redet der 45-Jährige über die große Erfindung seines Vaters, des Hautarztes Heinz Maurer. Der Seniorchef ist gerade 86 Jahre alt geworden. Aus der Öffentlichkeit zieht er sich immer weiter zurück, aus seinem Unternehmen dagegen nicht. Nichts gescheht in der von ihm gegründeten Firma ohne sein Wissen, sagt sein Sohn Thomas Maurer:

    " Ganz klar, bei ihm laufen die Zügel zusammen. Er sagt immer, das ist mein Schaukelpferd, das nimmt mir auch keiner weg. Er lebt den Beruf, tagein und tagaus, und es ist seine wissenschaftliche Erkenntnis, die er umgesetzt hat letztendlich in ein ganzes Unternehmen, und er ist jemand, der niemals locker lässt. "

    Sein Schlüsselerlebnis hatte Heinz Maurer Anfang der 50er Jahre als Assistenzarzt an der Uni-Klinik in Bonn: Patienten mit Hautkrankheiten durften damals nicht gewaschen werden, weil herkömmliche Seife die Haut noch weiter belastet hätte. Statt dessen wurde Cremeschicht auf Cremeschicht aufgetragen. Die Geruchsbelästigung auf der Station muss im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubend gewesen sein, erzählt Thomas Maurer. Dann hat sein Vater eigenmächtig eine Idee aus Amerika in die Tat umgesetzt:

    " An einem Wochenende, als der Chefarzt unterwegs war, ist er einfach hingegangen, hat sich Patienten geschnappt und hat sie dann in ein Tensid gesetzt mit dem pH-Wert 5,5 und hat plötzlich festgestellt, dass diese Patienten wie ein Aha-Erlebnis hatten, wie eine zweite Geburt: Der ganze Schmand wurde runtergewaschen und die haben sich einfach gut gefühlt. Und das war der Schlüsselpunkt, an dem er gemerkt hat, da ist wirklich was dran. "

    Trotzdem hat es dann noch 15 Jahre gedauert, bis aus den ersten erfolgreichen Versuchen mit Patienten in der Badewanne ein marktreifes Produkt entstand. Waschen ohne Seife - diese Patentidee wurde erst 1967 zum Grundstock der Sebamat GmbH. Ihr erstes Produkt: das seifenfreie Waschstück. Heute gibt es von Sebamed eine Baby-Serie ebenso wie ein Wellness-Duschgel oder die Creme gegen alternde Haut. Mit über 100 Produkten erwirtschaftete das inzwischen in Sebapharma umbenannte Familienunternehmen 2006 einen Umsatz von fast 90 Millionen Euro, zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Im Stammwerk im rheinland-pfälzischen Boppard sowie im Vertrieb sind rund 200 Mitarbeiter beschäftigt. Bei den zwölf externen Produktionsfirmen kommen weitere 250 Stellen hinzu - alle in Deutschland, betont Junior-Chef Thomas Maurer. Das "Made in Germany" steht in Rot steht auf jeder Packung, es gilt gerade im Nahen Osten und in Asien als ein besonders wirksames Verkaufsargument.

    Über neue Trends und Erkenntnisse aus der Forschung und dem Klinikalltag lässt sich das Unternehmen von den Experten in seinem wissenschaftlichen Beirat informieren. Auf dieser Grundlage entstehen im eigenen Labor die neuen Kreationen. Die Forschungs- und Entwicklungsabteilung ist das Herz des Unternehmens. Hier arbeiten 20 Chemiker, Mikrobiologen und Pharmazeutisch-Technische Assistentinnen. Teamwork steht im Vordergrund, sagt Elke Becker, die seit 17 Jahren bei sebapharma neue Produkte mitentwickelt:

    " Die Abwechslung macht den Spaß, dass nicht einer prädestiniert ist für tensidische Produkte, also Duschbäder und Shampoos, und der andere für Emulsionen. Es gibt Firmen, die dann wieder unterscheiden: Einer macht nur Wasser-in-Öl-Emulsionen und der andere Öl-in-Wasser-Emulsionen. Wir machen hier alles, das heißt, es gibt keinen Spezialisten für eine Serie. "

    Die Rezeptur eines neuen Produkts wird in monatelangen Versuchsreihen ausgetüftelt. Es kommt nur rein, was unbedingt rein muss - bis auf eine Ausnahme: Schaumbildner. Denn die müssen rein, sagt die wissenschaftliche Leiterin Michaela Arens-Corell:

    " Es gibt zum Glück Schaumbildner, die die Haut in keiner Weise angreifen und da machen wir etwas, damit der Verbraucher das Produkt als angenehmer empfindet. Bei uns wird immer noch im Kopf gleichgesetzt: Viel Schaum ist viel sauber. Das ist letztendlich Quatsch, wir bräuchten bei unseren Produkten eigentlich kaum noch Schaum. Aber letztendlich entwickeln wir die Produkte ja, dass sie benutzt werden und wenn wir sie nicht benutzt bekommen, machen wir keinen Umsatz und können keine neuen Produkte entwickeln. "

    Die Botschaft vom hautfreundlichen pH-Wert 5,5 hat sebamed bereits in 70 Länder der Erde getragen. Der Export macht 40 Prozent des Unternehmensumsatzes aus. Doch darüber kann sich Thomas Maurer nur kurz freuen:

    " Die Erde hat 200 Absatzmärkte. Für mich ist von Interesse, wie schnell die Lücke geschlossen wird, das sind noch 130 Märkte, die völlig unbeleckt von unserer Philosophie sind, und da hängt noch eine Menge Arbeit vor der Brust. Aber ich denke, das kriegen wir auch noch geregelt. "