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Wasserkraft
Turbine mit integrierter Toilettenspülung

Wasserkraftanlagen sorgen häufig für Ebbe im Fluss, da möglichst viel Wasser in die Turbinen gehen muss. Jüngste Projekte zeigen, wie man dieses Problem umgehen und gleichzeitig Strom gewinnen kann.

Von Volker Mrasek | 13.01.2014
    Luftbild des Rheinkraftwerks Iffezheim
    Vor einem Wasserkraftwerk staut sich nicht nur Wasser, oft sammeln sich auch Steine an. Neue Projekte zeigen, dass man diese einfach durchspülen kann. (picture alliance / dpa)
    Mit Rolling Stones verbindet man normalerweise eine legendäre britische Rock-Band. Doch wenn Silke Wieprecht über rollende Steine referiert, dann meint die Wasserbau-Professorin von der Universität Stuttgart Material, das ständig in unseren Flüssen mittransportiert wird: größere und kleinere Kiesel - Geröll und Geschiebe, wie es auch genannt wird ...
    "Die sind erst 'mal gar kein Problem. Aber in dem Moment, wo ich einen Aufstau mache, also das heißt, eine Wasserkraftanlage mit 'ner Wehranlage baue, reduziere ich die Geschwindigkeit. Und dann werden diese Steinchen nicht mehr transportiert. Und dann ist Schluss mit Rollen, Hüpfen, Gleiten. Und dann liegen die vor der Wehranlage oder vor dem Einlauf in die Turbine. Und verlanden im schlimmsten Fall den ganzen Stauraum."
    Rund 8.000 Wasserkraftwerke gibt es in Deutschland. Davon sind 7.500 kleinere, sogenannte Laufwasserkraftanlagen. Sie stauen das Flusswasser zwar auf, speichern es aber nicht, wie es bei einer Talsperre geschieht. Besonders viele Laufwasserkraftwerke gibt es in Bayern und Baden-Württemberg, wo die Flüsse aus dem Gebirge kommen und ein hohes und damit günstiges Gefälle aufweisen ...
    "Laufwasserkraftanlagen sind eben an so voralpinen Gewässern wie Isar, Inn, Lech und so weiter. Die bringen viel Geschiebe aus dem Gebirge mit. Und damit hat man auch viel Geschiebe in den Stauräumen."
    Kanäle für das Geschiebe
    Was man dagegen tun kann, schilderte Silke Wieprecht jetzt auf dem Aachener Wasserbau-Symposium. Und zwar am Beispiel von Augsburg.
    Dort, am Lech, entsteht zur Zeit ein neues Wasserkraftwerk. Neben der Röhre mit der Turbine verfügt es über spezielle Kanäle, durch die das Geschiebe gespült werden kann. Die Arbeitsgruppe der Stuttgarter Forscherin hat die Anlage vorab im Modell nachgebaut. Und erprobt, wo sich diese Durchlässe am besten befinden sollten. Nun sitzen sie direkt unter der Turbine ...
    "Da können wir jetzt die Strömung, die auf die Turbine geht, nutzen, um auch das Geschiebe weiter zu transportieren. Ich wüsste jetzt kein anderes Beispiel, wo das so gelöst ist. Und dann, ja, rauscht das Wasser durch und reißt das Geschiebe mit durch. Wie 'ne Toilettenspülung. Wenn Sie einmal aufmachen – flush! -, geht's einfach nach unten!"
    Mehr Restwasser
    Das Augsburger Projekt demonstriert noch etwas anderes. Und zwar, dass sich Ökologie und Wasserkraftnutzung an einem Fließgewässer durchaus vertragen können.
    Das neue Kraftwerk entsteht nämlich im alten Flussbett des Lech. An einer Stelle, wo das Wasser des Stromes bisher fast vollständig in einen Kanal umgeleitet wird, in dem schon länger mehrere Wasserkraftanlagen Strom erzeugen. Eine EU-Richtlinie verlangt nun aber, dass der Restwasserstand im alten Flussbett wieder an gehoben werden muß – aus ökologischen Gründen. In Augsburg beschloss der Stadtrat daraufhin, den Durchfluss im alten Flussarm dann doch gleich so stark zu erhöhen, dass er auch energetisch genutzt werden kann.
    Nun entsteht ein zusätzliches Restwasserkraftwerk, samt einer Art Toilettenspülung für Silke Wieprechts Rolling Stones. Auch die bietet ökologische Vorteile. Bei den meisten anderen Anlagen muss der Schwimmbagger anrücken, wenn sich Steine vor der Turbine stauen:
    "Bedeutet immer einen Eingriff ins Gewässer. Weil ich in dem Moment, wo ich baggere, erstens mit den Maschinen eingreife. Zum anderen immer große Schwebstoff-Fahnen freisetze, die die Kiemen von den Fischen verbacken."
    Steinchen im Energiemosaik
    Bei der energetischen Nutzung von Restwasser sieht die Stuttgarter Ingenieurin einen generellen Paradigmen-Wechsel, wie sie sagt. Augsburg sei kein Einzelfall:
    "Da gibt’s mehrere Beispiele. An der Isar, Stadtgebiet München, hat man die Restwassermenge deutlich erhöht und auch 'ne Turbine eingebaut. Am Inn hat man die Restwassermenge deutlich erhöht und 'ne Turbine eingebaut. Am Rhein gibt’s Beispiele. Der Trend geht eindeutig in die Richtung."
    Nach aktuellen Potenzial-Studien könnte die Stromgewinnung aus Wasserkraft in Deutschland noch steigen, um rund 800 Megawatt installierte Leistung.
    Das ist zwar nicht viel und entspricht gerade mal der Ausbeute eines einzigen großen Kohlekraftwerks. Andererseits planen immer mehr Kommunen, so weit wie möglich auf erneuerbare Energieträger umzusteigen. Dabei können auch Restwasserkraftwerke unter Umständen wichtige Mosaiksteine sein…