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Wasserstoff vom Sonnenturm

Technik. - Die Wasserstoffwirtschaft wird als Zukunft in Zeiten von Ölpreisschock und Klimawandel angesehen. Damit das Ganze funktioniert, muss der Wasserstoff nicht wie heute üblich aus Erdgas gewonnen werden, sondern regenerativ - und zugleich kostengünstig. Genau daran hapert es noch. Abhilfe soll ein neues, durchaus spektakuläres Verfahren schaffen, das Forscher in dieser Woche auf dem Wasserstoffweltkongress in Lyon vorgestellt haben.

Von Frank Grotelüschen | 16.06.2006
    "Wir nutzen ausschließlich Wasser und Hitze. Verglichen mit der üblichen Methode der Wasserstofferzeugung, der Dampfreformierung von Erdgas, wird bei unserer Methode keinerlei Treibhausgas CO2 frei."

    Aldo Steinfeld setzt auf Extremchemie. Um Wasserstoff umweltfreundlich zu erzeugen, heizt der Professor der ETH Zürich so richtig ein: Er bringt einen chemischen Reaktor auf enorme Temperaturen. Steinfeld:

    "Wir brauchen Temperaturen von 2000 Grad Celsius. Diese Temperaturen erreichen wir, indem wir das Sonnenlicht mit Spiegeln bündeln. Dadurch bekommen wir genügend Energie für unsere Reaktion zusammen."

    Das Sonnenlicht wird mit einer Art Riesen-Brennglas gebündelt. Es sind Hunderte von Parabolspiegeln, die alle auf die Spitze eines Turms zielen. Dort trifft das Licht auf das Herzstück des neuen Verfahrens - einen chemischen Reaktor, gefüllt mit einer Verbindung namens Zinkoxid. Steinfeld:

    "In diesem Chemiereaktor wird zunächst Zinkoxid gespalten, und zwar in Zinkmetall und Sauerstoff. Im zweiten Schritt lassen wir das Zink mit Wasser reagieren. Als Resultat erhalten wir Wasserstoff. Und wir erhalten Zinkoxid, das wir dann wiederverwerten."

    Letztlich also spaltet die Anlage mit Hilfe des Sonnenlichts Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff. Nun lässt sich dasselbe auch mit einer Solarzelle und einem so genannten Elektrolyseur machen. Dieser Elektrolyseur nutzt den Strom der Solarzelle, um die Wassermoleküle zu spalten. Umweltfreundlich ist diese Methode zwar. Nur: Ihre Effizienz, ihr Wirkungsgrad, lässt zu wünschen übrig: Bestenfalls 15 Prozent der eingesetzten Solarenergie findet sich später im Wasserstofftank wieder. Anders beim thermochemischen Verfahren von Aldo Steinfeld und seinem Team:

    "Unsere Methode hat das Potenzial, Wasserstoff mit einem Wirkungsgrad von mehr als 50 Prozent zu erzeugen. Im Prinzip kann also mehr als die Hälfte der eingesetzten Sonnenenergie in Wasserstoff umgesetzt werden, in chemisch gespeicherte Energie."

    Das Prinzip funktioniert, das haben Steinfeld und seine Leute bereits mit einer Pilotanlage gezeigt. Nun sind sie dabei, die Prozesstechnik zu optimieren und den Wirkungsgrad zu verbessern, um später dann eine große, industrietaugliche Anlage bauen zu können. Die Vision: Solartürme, gespickt mit chemischen Reaktoren und aufgestellt in der Wüste der Sahara oder den Sonnengürteln Südeuropas. Sie sollen einige Megawatt leisten und Abertausende von Tonnen Wasserstoff produzieren. Doch die Herausforderungen sind nicht ohne. Steinfeld:

    "Eine Temperatur von 2000 Grad mit gebündeltem Sonnenlicht zu erreichen ist zwar kein Problem. Aber einen Reaktor zu bauen, der solchen Temperaturen nicht nur standhält, sondern dabei auch effektiv und zuverlässig funktioniert - das ist eine große Herausforderung an die Materialentwicklung."

    Metall kann der Hitze nicht trotzen, deshalb setzt Steinfeld auf keramische Werkstoffe. Doch bis das Verfahren marktreif ist, dürften - so schätzt der Professor aus Zürich - noch zehn bis 15 Jahre ins Land gehen. Steinfeld:

    "My estimate that it will take ten to 15 years further development."