Heinlein: Wie groß sind Ihre Erwartungen, dass dies unter dem neuen DGB-Vorsitzenden dann besser funktionieren könnte als in der Vergangenheit?
Hundt: Wir haben in der Vergangenheit und ich auch direkt mit Herrn Schulte durchaus beachtliche Fortschritte erzielt. Wir haben in der Tarifpolitik Verbesserungen erreichen können in Richtung Ausweitung der flexiblen Gestaltung der tariflichen Regelungen. Bedauerlicherweise ist diese positive Entwicklung in diesem Frühjahr und mit den überhitzten Tarifauseinandersetzungen zum Stehen gekommen. Ich biete Herrn Sommer an, dass wir auf den alten Weg zurückkommen, und hoffe, dass er bereit ist, mit uns, mit der deutschen Wirtschaft zusammen zu versuchen, Nachteile, die der Wirtschaftsstandort Deutschland im internationalen Vergleich hat, auszumerzen.
Heinlein: Michael Sommer hat ja bereits angekündigt, er sei bereit für die Gewerkschaften, für ein neues Bündnis für Arbeit, allerdings nur ohne Vorbedingungen von Seiten der Arbeitgeber. Werden Sie auf diese Forderung eingehen?
Hundt: Ich befürworte die Neuinstallation eines Bündnisses für Arbeit nach der Bundestagswahl, egal unter welcher Regierungskonstellation. Ich halte das Zusammenwirken von Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften für außerordentlich wichtig. Wir werden in diesem Bündnis keine Tarifpolitik betreiben, genauso wenig wie dort Gesetze verabschiedet werden. Aber ich meine es wäre gut und für den Wirtschaftsstandort Deutschland außerordentlich nützlich, wenn wir zu Grundübereinstimmungen, zu einem Grundkonsens auch in tarifpolitischen Fragen dort kommen. Dieser ist erforderlich, wenn wir das Ziel eines derartigen Bündnisses erreichen wollen, das da heißt "Schaffung von Arbeitsplätzen in Deutschland".
Heinlein: Aus Ihren Worten schließe ich, dass vor dem 22. September eine solche Bündnisrunde in keinem Fall mehr stattfinden sollte?
Hundt: Für mich existiert im Moment nach dieser verkorksten Tarifrunde in diesem Frühjahr das Bündnis nicht. Es ist nicht existent. Unabhängig davon ob der Kanzler noch zu einem Gespräch einlädt oder nicht, wird es Aufgabe der neuen Bundesregierung sein, ein Bündnis für Arbeit unter welchem Etikett auch immer wieder ins Leben zu rufen.
Heinlein: Sie haben die neue Bundesregierung angesprochen. Michael Sommer hat zuletzt ja sehr offen für eine Fortsetzung der rot/grünen Koalition geworben. Halten Sie eine solche Wahlempfehlung von Seiten der Gewerkschaften für glücklich?
Hundt: Ich halte Wahlempfehlungen von Verbänden nicht für glücklich. Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft werden sich parteipolitisch neutral verhalten und ich kann allen Beteiligten heute schon zusichern, dass wir mit jeder demokratisch gewählten Vertretung als Spitzenverband der deutschen Wirtschaft in Zusammenarbeit treten werden, um zu versuchen, Nachteile des Standorts Deutschlands in der Zukunft zu eliminieren.
Heinlein: Nachteile des Standorts Deutschlands, dazu gehört ja für die Arbeitgeber vor allem Forderungen nach Lockerungen des Kündigungsschutzes und Einschnitte bei den Sozialleistungen. Sind solche Forderungen denn besser durchzusetzen unter einem Bundeskanzler Stoiber, wenn es denn so weit kommen sollte?
Hundt: Ich bin überzeugt, dass die nächste Bundesregierung, egal wer sie bildet, nicht darum herumkommen wird, deutliche Reformen auf den Gebieten der Sozialversicherungssysteme und auch auf dem Arbeitsmarkt und dem Arbeitsrecht durchzuführen, um Nachteile, die wir in Deutschland auf diesen Gebieten haben und die uns im internationalen Wettbewerb auch behindern, in der Zukunft zu reduzieren beziehungsweise auszumerzen. Es wird uns ja auch von internationalen Organisationen, OECD, EU-Kommission und anderen, immer mehr vor Augen gehalten, dass Deutschland auf diesen Gebieten deutliche Verbesserungsnotwendigkeiten hat.
Heinlein: Herr Hundt, die Unionsländer wollen das vom Bundestag beschlossene Tariftreuegesetz mit ihrer Mehrheit im Bundesrat zu Fall bringen. Die Gewerkschaften sind sehr aufgeregt. Es gab erste Streikaktionen. Wie sehen das die Arbeitgeber?
Hundt: Die deutsche Wirtschaft und die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände als Spitzenorganisation der deutschen Wirtschaft lehnt mit Ausnahme von Teilen der Bauwirtschaft dieses Tariftreuegesetz ab. Dieses ist mit unserer Tarifautonomie nicht zu vereinbaren und führt zu beträchtlichen Nachteilen auch wirtschaftlicher Art auf den Sektoren Bauwirtschaft und öffentlicher Personennahverkehr.
Heinlein: Teilen Sie denn die Ziele des Tariftreuegesetzes, als da sind nämlich die Verhinderung von Lohndumping und illegaler Beschäftigung?
Hundt: Wir dürfen beispielsweise Vorteile, die Unternehmen in den neuen Bundesländern noch haben, etwa geringere Kosten oder eine längere Arbeitszeit, nicht durch einen Eingriff in die Tarifautonomie außer Kraft setzen.
Heinlein: Herr Hundt, Sie haben die Tarifrunden angesprochen, die Lohnabschlüsse als überzogen bezeichnet. Es gab Streiks. Rechnen Sie denn in anderen Branchen, wo es sich abzeichnet, also in der Druckbranche, im Einzelhandel, mit weiteren Streikaktionen von Seiten der Gewerkschaften?
Hundt: Die getätigten Abschlüsse insbesondere in der Metall- und Elektroindustrie sowie in der chemischen Industrie werden mit Sicherheit nicht beschäftigungsfördernd wirken. Wenn die negativen Auswirkungen dieser Abschlüsse in Richtung weiteren Arbeitsplatzabbaus eingegrenzt werden sollen, dann dürfen die Abschlüsse dieser großen Branchen nicht in anderen Tarifverträgen übernommen werden. Ich schließe allerdings nicht aus, dass beim derzeitigen Verhalten der deutschen Gewerkschaften diese Abschlüsse Pilotcharakter haben werden.
Heinlein: Also vier Prozent für andere Branchen ist durchaus eine Zielmarke, mit der sich die Arbeitgeber wohl oder übel dann anfreunden müssen für die nächste Zeit?
Hundt: Wir Arbeitgeber können uns mit dieser Zahl auf gar keinen Fall anfreunden, weder in der Branche der Metall- und Elektroindustrie noch in anderen Branchen. Wenn wir angemessene Tarifverträge in anderen Branchen erreichen wollen, dann muss der Abschluss deutlich unter dem der Metall- und Elektroindustrie sowie dem der chemischen Industrie sein.
Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Morgen Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt. Wir haben das Gespräch mit ihm vor dieser Sendung hier im Studio aufgezeichnet.
Link: Interview als RealAudio