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Wechselhafte Winter und ihre Folgen
Klimawandel lässt Rentiere schrumpfen

Der Weihnachtsmann wohnt bekanntlich am Nordpol und dort kommen auch die Rentiere für seinen Schlitten her. Noch. Denn Forschern zu Folge könnten die bald zu schwach sein, um den schweren Schlitten zu ziehen. Der Grund: Der Klimawandel führt dazu, dass die Rentiere am Polarkreis stetig an Gewicht verlieren.

Von Volker Mrasek |
    Santa Claus mit Schlitten und Rentieren
    Muss der Weihnachtsmann umplanen? Forschern zufolge verlieren die Rentiere am Nordpolarkreis seit Jahren an Gewicht. (imago/Westend61)
    So stellen sich viele den Weihnachtsmann vor: Einmal im Jahr spannt er seine Rentiere vor den Schlitten, düst mit Gebimmel durch die Lüfte und verteilt Geschenke an erwartungsvolle Kinder auf dem ganzen Globus.
    Oder sind es mittlerweile Alarmglocken, die der Weihnachtsmann läutet?
    Vermutlich! Denn seinen Zugtieren geht es immer schlechter. Zumindest, wenn man unterstellt, dass die Renhirsche, die er auswählt, aus Svalbard stammen, einer Inselgruppe im Arktischen Ozean, zu der auch Spitzbergen gehört. Justin Irvine geht fest davon aus, dass es so ist. Der Ökologe forscht am James-Hutton-Institut für nachhaltige Landnutzung im schottischen Aberdeen:
    "Der Weihnachtsmann soll ja irgendwo am Nordpol wohnen. Und da liegt Svalbard eindeutig am nächsten! Also wird er die Hirsche von dort nehmen. Auch wenn Rentiere aus Norwegen zum Beispiel größer sind und es sicher leichter hätten, einen Schlitten zu ziehen."
    Regen lässt den Schnee gefrieren
    Womöglich wird sich der Weihnachtsmann bald in diesen Herden umschauen müssen. Denn die Rentiere auf Svalbard bauen körperlich ab. Ausgewachsene Hirsche haben heute im Durchschnitt sechs Kilogramm weniger auf den Rippen als vor 20 Jahren. Innerhalb kurzer Zeit büßten sie damit rund zehn Prozent ihres Körpergewichts ein. Warum? Weil die Winter in der Arktis wechselhafter werden. Erklärt Steve Albon, auch er schottischer Ökologe und seit Mitte der 90er Jahre immer wieder auf Svalbard.
    "Der erste Winter, den wir dort erlebten, war noch ein ganz typischer und sehr kalter. Der Schnee ist dann wie Puderzucker. Die Rentiere können ihn einfach beiseitescharren und kommen problemlos an die Pflanzendecke darunter. Aber schon im nächsten Winter gab es einen Wärmeeinbruch. Dadurch fiel Regen auf den Schnee, der schon lag, und gefror dann zu einer Eisschicht."
    Eine Eisschicht, die die Rentiere nicht mehr durchdringen können, wenn sie auf Nahrungssuche sind. Solche Regengüsse auf Schnee haben sich gehäuft, sodass die Svalbard-Hirsche im Winter immer öfter hungern müssen. Darauf reagiert die ganze Population. Das Körpergewicht neugeborener Kälber nimmt ab.
    "Unsere Studien zeigen: Die entscheidenden Dinge passieren schon im Mutterleib. Wenn schwangere Weibchen im Winter hungern, dann sind die Kälber, die sie im Frühjahr gebären, sehr klein und auch nicht besonders robust. Falls sie überleben, werden sie dennoch immer so schmächtig bleiben. Sie können das nie wieder aufholen."
    Darben durch den Klimawandel
    Die Schlitten-Schlepper des Weihnachtsmannes darben also durch den Klimawandel - und werden immer magerer. Wobei die Zunahme der Temperaturen im Sommer eigentlich etwas Gutes hat. Die Pflanzenwelt der arktischen Tundra gedeiht inzwischen viel üppiger. Es gibt reichlich zu fressen, und davon profitieren auch die Rentiere auf Svalbard. Im Laufe der Vegetationsperiode werden ihre Bestände größer.
    Paradoxerweise verschärft das aber später die Notlage der Tiere im Winter, wie Steve Albon erläutert:
    "Im Sommer mag der Anstieg der Population schön sein. Aber im Winter ist das anders. Die Nahrungskonkurrenz wird nämlich noch größer, wenn es mehr Rentiere gibt, die nach jedem noch so kleinen Bissen suchen."
    Modernisierung dringend erforderlich
    Doch weiß der Weihnachtsmann von dem Dilemma? Kennt er die Studien der Schotten? Klar ist jedenfalls: Er braucht Rentiere, die topfit sind und seinen Schlitten auf zigfache Schallgeschwindigkeit beschleunigen. Andernfalls könnte er gar nicht so viele Kinder an einem einzigen Abend mit Geschenken beglücken. Physiker haben das 'mal ausgerechnet.
    Über kurz oder lang muss der Weihnachtsmann eh etwas an seinem Transport-Service ändern. Davon ist Justin Irvine überzeugt. Sonst kriegt er das Ganze in Zukunft nicht mehr gebacken ...
    "Er hat einen harten Job! Sieben Milliarden Menschen auf der Erde, und es werden immer mehr! Entweder braucht er bald einen größeren Schlitten oder sogar mehrere. Dann allerdings müsste er sich irgendwie klonen!"