Liminski: Gestern haben die Koalitionsparteien den Änderungen in Riesters Rentenkonzept zugestimmt. Jetzt soll in den nächsten Jahrzehnten das Rentenniveau nicht sinken und auch der Beitrag nicht steigen. Union und Wirtschaft protestieren und fordern Nachbesserungen. Am Telefon begrüße ich nun den Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU, Friedrich Merz. Guten Morgen Herr Merz!
Merz: Guten Morgen Herr Liminski.
Liminski: Herr Merz, die neue Rentenformel hat mehr Anhänger als ihre fünf Vorgänger. Rechnerisch geht sie trotz der sinkenden Zahl der Beitragszahler wohl nur auf, weil Finanzminister Eichel den Bundeszuschuss erhöht, wie er in einem Interview mit dem Deutschlandfunk auch angekündigt hat. Das ist der Weg zur steuerfinanzierten Rente. Sie fordern weitere Nachbesserungen. Glauben Sie noch an die umlagefinanzierte Rente?
Merz: Herr Liminski, die umlagefinanzierte Rente auf der Basis eines Generationenvertrages ist haltbar, vorausgesetzt man akzeptiert, dass aus der umlagefinanzierten Rente nur noch eine Basisabsicherung im Alter finanziert werden kann und zusätzlich die private und betriebliche Altersversorgung als eine ergänzende Vorsorge hinzutritt. Wenn das gemacht würde, ließe sich das System retten. Aber so, wie die rot/grüne Koalition es auch gestern wieder gemacht hat, ist der Weg in die steuerfinanzierte, ja in die Staatsrente erkennbar vorgezeichnet. Diesen Weg können und wollen wir nicht mitgehen. Es zeigt aber - und Sie haben es gesagt: es ist mittlerweile der sechste Vorschlag innerhalb weniger Monate, der von der rot/grünen Koalition unterbreitet wird -, die Tricksereien gehen weiter und dies wurde dem Bundesarbeitsminister gestern auch aus den eigenen Reihen in der SPD-Bundestagsfraktion wie ich finde sehr zurecht vorgehalten.
Liminski: Muss die Lebensarbeitszeit verlängert werden? Es muss ja nicht gleich bis 73 sein, wie die UNO es für Deutschland ausgerechnet hat, wenn die Leistungen gleich bleiben sollen. Gestern war übrigens in der Zeitung zu lesen, dass die Lebenserwartung der Deutschen weiter ansteigt auf 80,6 Jahre für Frauen und 74,45 für Männer. Wären Sie für eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit, um das Umlagesystem zu retten?
Merz: Richtig ist, dass sich die Erwerbsbiographien in unserem Land ändern. Die Menschen treten sehr viel später in den Beruf ein. Es gibt unstete Verläufe der Erwerbsbiographien. Viele unterbrechen die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung für eine selbständige Tätigkeit, für Weiter- und Fortbildung. Es gibt Zeiten der Arbeitslosigkeit, anschließend wieder der Beschäftigung. Und wir erleben, dass es eine wohl ungebrochene Tendenz zur Frühverrentung gibt. Das durchschnittliche Renteneintrittsalter liegt gegenwärtig bei 59 Jahren. Deswegen müssen wir natürlich über die Frage sprechen, wie lang denn die Zeiten der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung sein müssen, um auch mit diesem Instrument das System zu retten. Ich sage aber gleichwohl, dies ist erst der dritte Schritt, der auch zu einem Zeitpunkt getan werden muss, der noch nicht gekommen ist. Wir müssen gegenwärtig den Trend zur Frühverrentung stoppen. Wir müssen dafür sorgen, dass die Ausbildungszeiten verkürzt werden und dass die Deutschen früher in den Beruf eintreten. Ich glaube damit kann man schon einiges korrigieren. Die Verlängerung der Lebensarbeitszeit wird ein Thema werden, insbesondere angesichts der zunehmenden Lebenserwartung. Das sollte man zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch nicht zum alleinigen Rezept machen, um das Problem in der Rentenversicherung zu lösen. Das muss durch Beiträge und durch ein abgesenktes Rentenniveau gelöst werden. Ich glaube dieser Weg wäre richtig. Er wäre auch richtig für die rot/grüne Koalition. Es wäre eben richtig gewesen, den Demographiefaktor beizubehalten, den Norbert Blüm 1998 mit uns in der alten Koalition eingeführt hat. Es rächt sich jetzt bitter, dass die rot/grüne Koalition dies außer Kraft gesetzt hat, ohne zu wissen, was sie denn selbst an diese Stelle setzen wollte.
Liminski: Herr Merz, sollte man die Familien nicht noch weiter entlasten? Die Familien leisten ja, wie das Bundesverfassungsgericht sagt, mit ihren Kindern ohnehin schon den bestandssichernden Beitrag für die Alterssicherung. Da wäre es doch verfassungsrechtlich bedenklich, für die private Vorsorge einen Extrabeitrag zu verlangen?
Merz: Ich glaube in der Tat, dass das was jetzt auf dem Tisch liegt, zum Teil ja auch nur in Presseerklärungen und nicht in Form von Gesetzen, unzureichend ist, was auch die Nachbesserung des gestrigen Tages beinhaltet. Es kann nicht sein, dass diese Rentenreform auch auf dem Rücken der Frauen ausgetragen wird, also auf dem Rücken derer, die dafür sorgen, dass durch die Erziehung von Kindern der Generationenvertrag überhaupt erst aufrecht erhalten werden kann. Auch hier muss zu Gunsten der Frauen erheblich nachgebessert werden, insbesondere zu Gunsten der Frauen, die Kinder erziehen. Die Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der Renten muss also deutlich verbessert werden. Ich füge hinzu: Wir werden wohl auch erneut darüber sprechen müssen, wie denn die Lage der Familien insgesamt verbessert werden kann. Wir müssen die Anreize noch weiter verbessern, Kinder zu bekommen, Kinder zu erziehen. Dies ist die einzige Basis für die langfristige Tragfähigkeit nicht nur der Rentenversicherung, sondern auch der Krankenversicherung. Die sozialen Sicherungssysteme insgesamt beruhen auf einem Generationenvertrag. Sie erfordern, dass es Kinder gibt in diesem Land. Die Geburtenrate geht weiter zurück. Das muss gestoppt werden und hier müssen wir unsere Leistungen des Staates, unsere Sozialleistungen im weiteren Sinne, auf die Familien mit Kindern konzentrieren. Ich glaube wir werden hier auch erneut eine sehr breit angelegte Debatte um die Frage führen müssen, was können wir eigentlich tun, damit die Lage der Familien mit Kindern in diesem Land besser wird als sie gegenwärtig ist.
Liminski: Herr Merz, Sie haben den Rücktritt Riesters gefordert. Ist das eine Voraussetzung für neue Konsensgespräche?
Merz: Ich habe am Wochenende gesagt, dass es nach diesem Desaster eigentlich an der Zeit wäre, dass Herr Riester seinen Abschied nimmt. Das muss er letztlich aber selber entscheiden, das muss der Bundeskanzler entscheiden. Im Grunde genommen spielt Riester in der Rentenpolitik ohnehin kaum noch eine Rolle. Er war auf einer Auslandsreise. In dieser Zeit ist sein eigenes Gesetz hier in Deutschland von seinen eigenen Leuten auseinandergenommen worden. Das was zum unverzichtbaren Kernbestand der Reform erklärt wurde, ist in seiner Abwesenheit abgeräumt worden. Sie sehen, es kommt im Grunde genommen gar nicht mehr darauf an, ob er noch im Amt ist oder nicht. Die Rentenpolitik in der rot/grünen Koalition haben längst andere übernommen. Wir wollen im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren dafür sorgen, dass das Gesetz gut wird. Das wird vielleicht mit Riester gelingen; das wird vielleicht auch ohne ihn gelingen. Ich glaube es kommt gar nicht so sehr auf seine Person an.
Liminski: Werden Sie denn im Bundesrat Front gegen das neue Rentengesetz machen? Sie haben sich da ja mal die Finger verbrannt, wenn ich das so salopp sagen darf.
Merz: Herr Liminski, im Bundesrat bedarf die eigentliche Rentenreform nicht der Zustimmung. Das Rentenreformgesetz ist ein zustimmungsfreies Gesetz. Im Bundesrat muss nur die steuerliche Förderung und die finanzielle Förderung der privaten und betrieblichen Vorsorge insgesamt zur Abstimmung gestellt werden. Ich gehe davon aus, dass die Länder unabhängig von ihrer parteipolitischen Führung ein Interesse daran haben, dass die private und die betriebliche Vorsorge verbessert wird. Das dürfte im Interesse und auch mit der politischen Zustimmung aller Länder sein. Insofern dürfte es einen solchen erneuten Konflikt wie bei der Steuerreform im Bundesrat nicht geben. Die eigentliche Entscheidung über die Rentenreform fällt im Bundestag. Wir haben von Anfang an gesagt, wir halten uns die Option offen, abzulehnen oder auch zuzustimmen. Es kommt darauf an, dass die wesentlichen Punkte, die wir von Anfang an genannt haben, in der Rentenreform verwirklicht werden. Das gestrige Abräumen des Abschlagsfaktors von Riester war nur ein Punkt von vielen. Wir bewegen uns im Schneckentempo voran. Ich sehe im Augenblick nicht, dass wir zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen, wenn diese Tricksereien in der rot/grünen Koalition weitergehen: das Jonglieren mit Zahlen, die falsch sind. Wenn dies alles weiter geht, dann wird es sehr schwierig. Die rot/grüne Koalition hat sich ziemlich im Unterholz verstrickt und sieht im Augenblick selber offensichtlich gar keine Lösung der Probleme. Insofern ist die rot/grüne Koalition im Bundestag am Zuge. Der Bundesrat ist nicht gefragt.
Liminski: Ist denn die Rente ein Wahlkampfthema im nächsten und übernächsten Jahr?
Merz: Jedes ungelöste Problem eines Landes und einer Gesellschaft kann zum Thema von Wahlkämpfen werden. Ich halte überhaupt nichts davon, dass Politiker erklären, was im Wahlkampf behandelt werden darf und insbesondere was im Wahlkampf nicht behandelt werden darf. Die Menschen in diesem Lande wissen, dass es ein großes ungelöstes Problem in den Alterssicherungssystemen gibt. Insofern wird natürlich, wenn die Probleme weiter ungelöst bleiben, auch die Rentenreform zum Gegenstand der Diskussion im Wahlkampf werden. Ich würde mir allerdings wünschen, dass die rot/grüne Koalition jetzt endlich nach über zwei Jahren quälender Diskussion die Kraft aufbringt, Lösungen herbeizuführen. Sie haben die Mehrheit im Bundestag übrigens auch deshalb bekommen, weil sie 1998 einen massiven Wahlkampf gegen die Rentenreform der alten Regierung gemacht haben. Jetzt stehen sie vor einem ziemlichen Scherbenhaufen und müssen sehen, dass sie die Dinge wieder zusammenbringen. Ich wünschte mir, dass die Probleme gelöst werden und wir uns eine erneute Auseinandersetzung über die Rente im Wahlkampf ersparen können. Aber auch das hat rot/grün jetzt in der Hand.
Liminski: Kurze Frage, Herr Merz, zum Wahlkampf. In jüngster Zeit wird wieder über eine Annäherung zwischen Ihrer Partei und den Grünen geredet und geschrieben. Frau Merkel stellte jüngst auf einem Gentechnikkongress Übereinstimmungen fest und Generalsekretär Meyer hält die Masse der Gemeinsamkeiten der Grünen mit der CDU für größer als die mit der SPD. Teilen Sie diese Meinung? Sehen auch Sie eine Beschleunigung im Annäherungsprozess?
Merz: Es ist ganz ohne Zweifel so, dass es bei den Grünen eine Reihe von Positionen gibt, die mit unseren eher übereinstimmen als mit denen der Sozialdemokraten. In der rot/grünen Koalition haben die Grünen ohnehin reichlich wenig zu sagen. Insofern gibt es auch bei den Grünen einige, die daran interessiert sind, mit uns zu Sachfragen etwas intensiver ins Gespräch zu kommen. Gemeinsamkeiten in verschiedenen Sachfragen sind allerdings noch keine Basis für eine politische Zusammenarbeit oder gar für eine Koalition. Das was zum Teil in den Medien spekuliert worden ist halte ich für reichlich verfrüht, wenn überhaupt jemals realistisch. Es gibt auch Personen bei den Grünen, mit denen ich mir eine Zusammenarbeit schlechterdings überhaupt nicht vorstellen kann. Also man sollte da nicht zu viel hineingeheimnissen. Es gibt Übereinstimmung in verschiedenen Sachpositionen, aber gegenwärtig keine Basis für Zusammenarbeit.
Liminski: Das war Friedrich Merz, Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Besten Dank für das Gespräch, Herr Merz!
Merz: Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Liminski!
Link: Interview als RealAudio
Merz: Guten Morgen Herr Liminski.
Liminski: Herr Merz, die neue Rentenformel hat mehr Anhänger als ihre fünf Vorgänger. Rechnerisch geht sie trotz der sinkenden Zahl der Beitragszahler wohl nur auf, weil Finanzminister Eichel den Bundeszuschuss erhöht, wie er in einem Interview mit dem Deutschlandfunk auch angekündigt hat. Das ist der Weg zur steuerfinanzierten Rente. Sie fordern weitere Nachbesserungen. Glauben Sie noch an die umlagefinanzierte Rente?
Merz: Herr Liminski, die umlagefinanzierte Rente auf der Basis eines Generationenvertrages ist haltbar, vorausgesetzt man akzeptiert, dass aus der umlagefinanzierten Rente nur noch eine Basisabsicherung im Alter finanziert werden kann und zusätzlich die private und betriebliche Altersversorgung als eine ergänzende Vorsorge hinzutritt. Wenn das gemacht würde, ließe sich das System retten. Aber so, wie die rot/grüne Koalition es auch gestern wieder gemacht hat, ist der Weg in die steuerfinanzierte, ja in die Staatsrente erkennbar vorgezeichnet. Diesen Weg können und wollen wir nicht mitgehen. Es zeigt aber - und Sie haben es gesagt: es ist mittlerweile der sechste Vorschlag innerhalb weniger Monate, der von der rot/grünen Koalition unterbreitet wird -, die Tricksereien gehen weiter und dies wurde dem Bundesarbeitsminister gestern auch aus den eigenen Reihen in der SPD-Bundestagsfraktion wie ich finde sehr zurecht vorgehalten.
Liminski: Muss die Lebensarbeitszeit verlängert werden? Es muss ja nicht gleich bis 73 sein, wie die UNO es für Deutschland ausgerechnet hat, wenn die Leistungen gleich bleiben sollen. Gestern war übrigens in der Zeitung zu lesen, dass die Lebenserwartung der Deutschen weiter ansteigt auf 80,6 Jahre für Frauen und 74,45 für Männer. Wären Sie für eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit, um das Umlagesystem zu retten?
Merz: Richtig ist, dass sich die Erwerbsbiographien in unserem Land ändern. Die Menschen treten sehr viel später in den Beruf ein. Es gibt unstete Verläufe der Erwerbsbiographien. Viele unterbrechen die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung für eine selbständige Tätigkeit, für Weiter- und Fortbildung. Es gibt Zeiten der Arbeitslosigkeit, anschließend wieder der Beschäftigung. Und wir erleben, dass es eine wohl ungebrochene Tendenz zur Frühverrentung gibt. Das durchschnittliche Renteneintrittsalter liegt gegenwärtig bei 59 Jahren. Deswegen müssen wir natürlich über die Frage sprechen, wie lang denn die Zeiten der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung sein müssen, um auch mit diesem Instrument das System zu retten. Ich sage aber gleichwohl, dies ist erst der dritte Schritt, der auch zu einem Zeitpunkt getan werden muss, der noch nicht gekommen ist. Wir müssen gegenwärtig den Trend zur Frühverrentung stoppen. Wir müssen dafür sorgen, dass die Ausbildungszeiten verkürzt werden und dass die Deutschen früher in den Beruf eintreten. Ich glaube damit kann man schon einiges korrigieren. Die Verlängerung der Lebensarbeitszeit wird ein Thema werden, insbesondere angesichts der zunehmenden Lebenserwartung. Das sollte man zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch nicht zum alleinigen Rezept machen, um das Problem in der Rentenversicherung zu lösen. Das muss durch Beiträge und durch ein abgesenktes Rentenniveau gelöst werden. Ich glaube dieser Weg wäre richtig. Er wäre auch richtig für die rot/grüne Koalition. Es wäre eben richtig gewesen, den Demographiefaktor beizubehalten, den Norbert Blüm 1998 mit uns in der alten Koalition eingeführt hat. Es rächt sich jetzt bitter, dass die rot/grüne Koalition dies außer Kraft gesetzt hat, ohne zu wissen, was sie denn selbst an diese Stelle setzen wollte.
Liminski: Herr Merz, sollte man die Familien nicht noch weiter entlasten? Die Familien leisten ja, wie das Bundesverfassungsgericht sagt, mit ihren Kindern ohnehin schon den bestandssichernden Beitrag für die Alterssicherung. Da wäre es doch verfassungsrechtlich bedenklich, für die private Vorsorge einen Extrabeitrag zu verlangen?
Merz: Ich glaube in der Tat, dass das was jetzt auf dem Tisch liegt, zum Teil ja auch nur in Presseerklärungen und nicht in Form von Gesetzen, unzureichend ist, was auch die Nachbesserung des gestrigen Tages beinhaltet. Es kann nicht sein, dass diese Rentenreform auch auf dem Rücken der Frauen ausgetragen wird, also auf dem Rücken derer, die dafür sorgen, dass durch die Erziehung von Kindern der Generationenvertrag überhaupt erst aufrecht erhalten werden kann. Auch hier muss zu Gunsten der Frauen erheblich nachgebessert werden, insbesondere zu Gunsten der Frauen, die Kinder erziehen. Die Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der Renten muss also deutlich verbessert werden. Ich füge hinzu: Wir werden wohl auch erneut darüber sprechen müssen, wie denn die Lage der Familien insgesamt verbessert werden kann. Wir müssen die Anreize noch weiter verbessern, Kinder zu bekommen, Kinder zu erziehen. Dies ist die einzige Basis für die langfristige Tragfähigkeit nicht nur der Rentenversicherung, sondern auch der Krankenversicherung. Die sozialen Sicherungssysteme insgesamt beruhen auf einem Generationenvertrag. Sie erfordern, dass es Kinder gibt in diesem Land. Die Geburtenrate geht weiter zurück. Das muss gestoppt werden und hier müssen wir unsere Leistungen des Staates, unsere Sozialleistungen im weiteren Sinne, auf die Familien mit Kindern konzentrieren. Ich glaube wir werden hier auch erneut eine sehr breit angelegte Debatte um die Frage führen müssen, was können wir eigentlich tun, damit die Lage der Familien mit Kindern in diesem Land besser wird als sie gegenwärtig ist.
Liminski: Herr Merz, Sie haben den Rücktritt Riesters gefordert. Ist das eine Voraussetzung für neue Konsensgespräche?
Merz: Ich habe am Wochenende gesagt, dass es nach diesem Desaster eigentlich an der Zeit wäre, dass Herr Riester seinen Abschied nimmt. Das muss er letztlich aber selber entscheiden, das muss der Bundeskanzler entscheiden. Im Grunde genommen spielt Riester in der Rentenpolitik ohnehin kaum noch eine Rolle. Er war auf einer Auslandsreise. In dieser Zeit ist sein eigenes Gesetz hier in Deutschland von seinen eigenen Leuten auseinandergenommen worden. Das was zum unverzichtbaren Kernbestand der Reform erklärt wurde, ist in seiner Abwesenheit abgeräumt worden. Sie sehen, es kommt im Grunde genommen gar nicht mehr darauf an, ob er noch im Amt ist oder nicht. Die Rentenpolitik in der rot/grünen Koalition haben längst andere übernommen. Wir wollen im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren dafür sorgen, dass das Gesetz gut wird. Das wird vielleicht mit Riester gelingen; das wird vielleicht auch ohne ihn gelingen. Ich glaube es kommt gar nicht so sehr auf seine Person an.
Liminski: Werden Sie denn im Bundesrat Front gegen das neue Rentengesetz machen? Sie haben sich da ja mal die Finger verbrannt, wenn ich das so salopp sagen darf.
Merz: Herr Liminski, im Bundesrat bedarf die eigentliche Rentenreform nicht der Zustimmung. Das Rentenreformgesetz ist ein zustimmungsfreies Gesetz. Im Bundesrat muss nur die steuerliche Förderung und die finanzielle Förderung der privaten und betrieblichen Vorsorge insgesamt zur Abstimmung gestellt werden. Ich gehe davon aus, dass die Länder unabhängig von ihrer parteipolitischen Führung ein Interesse daran haben, dass die private und die betriebliche Vorsorge verbessert wird. Das dürfte im Interesse und auch mit der politischen Zustimmung aller Länder sein. Insofern dürfte es einen solchen erneuten Konflikt wie bei der Steuerreform im Bundesrat nicht geben. Die eigentliche Entscheidung über die Rentenreform fällt im Bundestag. Wir haben von Anfang an gesagt, wir halten uns die Option offen, abzulehnen oder auch zuzustimmen. Es kommt darauf an, dass die wesentlichen Punkte, die wir von Anfang an genannt haben, in der Rentenreform verwirklicht werden. Das gestrige Abräumen des Abschlagsfaktors von Riester war nur ein Punkt von vielen. Wir bewegen uns im Schneckentempo voran. Ich sehe im Augenblick nicht, dass wir zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen, wenn diese Tricksereien in der rot/grünen Koalition weitergehen: das Jonglieren mit Zahlen, die falsch sind. Wenn dies alles weiter geht, dann wird es sehr schwierig. Die rot/grüne Koalition hat sich ziemlich im Unterholz verstrickt und sieht im Augenblick selber offensichtlich gar keine Lösung der Probleme. Insofern ist die rot/grüne Koalition im Bundestag am Zuge. Der Bundesrat ist nicht gefragt.
Liminski: Ist denn die Rente ein Wahlkampfthema im nächsten und übernächsten Jahr?
Merz: Jedes ungelöste Problem eines Landes und einer Gesellschaft kann zum Thema von Wahlkämpfen werden. Ich halte überhaupt nichts davon, dass Politiker erklären, was im Wahlkampf behandelt werden darf und insbesondere was im Wahlkampf nicht behandelt werden darf. Die Menschen in diesem Lande wissen, dass es ein großes ungelöstes Problem in den Alterssicherungssystemen gibt. Insofern wird natürlich, wenn die Probleme weiter ungelöst bleiben, auch die Rentenreform zum Gegenstand der Diskussion im Wahlkampf werden. Ich würde mir allerdings wünschen, dass die rot/grüne Koalition jetzt endlich nach über zwei Jahren quälender Diskussion die Kraft aufbringt, Lösungen herbeizuführen. Sie haben die Mehrheit im Bundestag übrigens auch deshalb bekommen, weil sie 1998 einen massiven Wahlkampf gegen die Rentenreform der alten Regierung gemacht haben. Jetzt stehen sie vor einem ziemlichen Scherbenhaufen und müssen sehen, dass sie die Dinge wieder zusammenbringen. Ich wünschte mir, dass die Probleme gelöst werden und wir uns eine erneute Auseinandersetzung über die Rente im Wahlkampf ersparen können. Aber auch das hat rot/grün jetzt in der Hand.
Liminski: Kurze Frage, Herr Merz, zum Wahlkampf. In jüngster Zeit wird wieder über eine Annäherung zwischen Ihrer Partei und den Grünen geredet und geschrieben. Frau Merkel stellte jüngst auf einem Gentechnikkongress Übereinstimmungen fest und Generalsekretär Meyer hält die Masse der Gemeinsamkeiten der Grünen mit der CDU für größer als die mit der SPD. Teilen Sie diese Meinung? Sehen auch Sie eine Beschleunigung im Annäherungsprozess?
Merz: Es ist ganz ohne Zweifel so, dass es bei den Grünen eine Reihe von Positionen gibt, die mit unseren eher übereinstimmen als mit denen der Sozialdemokraten. In der rot/grünen Koalition haben die Grünen ohnehin reichlich wenig zu sagen. Insofern gibt es auch bei den Grünen einige, die daran interessiert sind, mit uns zu Sachfragen etwas intensiver ins Gespräch zu kommen. Gemeinsamkeiten in verschiedenen Sachfragen sind allerdings noch keine Basis für eine politische Zusammenarbeit oder gar für eine Koalition. Das was zum Teil in den Medien spekuliert worden ist halte ich für reichlich verfrüht, wenn überhaupt jemals realistisch. Es gibt auch Personen bei den Grünen, mit denen ich mir eine Zusammenarbeit schlechterdings überhaupt nicht vorstellen kann. Also man sollte da nicht zu viel hineingeheimnissen. Es gibt Übereinstimmung in verschiedenen Sachpositionen, aber gegenwärtig keine Basis für Zusammenarbeit.
Liminski: Das war Friedrich Merz, Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Besten Dank für das Gespräch, Herr Merz!
Merz: Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Liminski!
Link: Interview als RealAudio