Metzger: Guten Tag, Herr Breker!
Breker: Herr Metzger, diese Regierung begann wie eigentliche jede Regierung mit einem Kassensturz. Doch da sie vorher schon im Amt war, überrascht die Verwunderung über das Defizit schon etwas. Sie nicht?
Metzger: Nein, mich nicht. Ich habe bereits zwölf Tage vor der Bundestagswahl, in der Süddeutschen Zeitung auf Seite eins zu lesen, von 3,3 bis 3,5 Prozent Defizit gesprochen. Das hat zwar manche aufgeregt in meiner Fraktion, auch bei der Regierung. Und ich habe auch in meiner letzten Rede im Bundestag an die Adresse der Opposition gesagt: Ihr braucht euch nicht so aufzuplustern. Wenn wir die Wahlversprechen, die ihr in euren Programmen habt, finanzieren wollten, dann wären wir nicht nur bei über drei Prozent Defizit, sondern bei fünf Prozent, weil allein das Sofortprogramm im Wahlprogramm der Union rund 20 Milliarden Euro gekostet hätte ohne die Steuersenkungen, die versprochen wurden und dann lägen wir schon bei knapp fünf Prozent Defizit. Deshalb geht meine klare Ansage an die Adresse der Opposition: Wer selber im Glashaus sitzt, braucht nicht mit Steinen zu werfen.
Breker: Nun nehmen wir aber mal die rot-grüne Regierung, denn die hat doch - wenn Sie es wussten, dann hätten es die anderen auch wissen können - jetzt ein echtes Glaubwürdigkeitsproblem.
Metzger: Das ist keine Frage, aber es ist genau das eingetreten, was immer in Wahlkämpfen passiert. Die schlechten Nachrichten wurden zurück gehalten. Man will sich in ein rechtes Licht rücken. Dieses Spiel haben alle Parteien in diesem Wahlkampf mitgeführt. Und durch die Art der Themensetzung Irakkrieg, Flutkatastrophe war das in den Hintergrund gedrängt, was heute die tagespolitische Debatte bestimmt. Wir brauchen eine Reform des Sozialstaats, weil das jetzige Finanzierungssystem die Arbeitskosten so explodieren lässt, dass wir immer weniger Beschäftigung bekommen. Ein Teufelskreis, der dann wiederum zu höheren Arbeitskosten führt, weil dann ja die sozialen Transfers bezahlt werden müssen. Und an dieser Schnittstelle müssen jetzt Strukturreformen beschlossen werden, die langfristig unsere Gesellschaft entlasten. Und da müssen jetzt natürlich viele Millionen Menschen mit weniger rechnen. Die Frage ist nur, ob die jetzt eingeleiteten Schritte grundsätzliche Strukturreformen in die richtige Richtung sind oder nicht. Ich sehe zur Zeit eher eine Doppelbotschaft, und ich wünschte mir von den Sozialdemokraten, aber auch von meiner Partei, dass man durchaus konzeptioneller mit einer so angelegten Reform die Sozialsysteme reformiert, dass langfristig die Menschen im Alter noch ein auskömmliches Einkommen haben, aber die Jungen nicht erdrosselt werden durch die Last der Beiträge für das Sozialsystem.
Breker: Bevor wir aufs Sozialsystem weiter eingehen, Herr Metzger, einfach noch mal zu den Steuern. Sparen, Steuern Erhöhen dadurch wird die Konjunktur doch nicht angekurbelt?
Metzger: Das ist keine Frage, insofern ist das Streichen der Ausnahmetatbestände, was zur Zeit läuft, eine Steuererhöhung. Und Steuererhöhungen schöpfen natürlich Kaufkraft ab, auch wenn ich den Faktor Arbeit teurer mache. Indem die Rentenversicherungsbeiträge steigen, indem zwar verhalten die Krankenversicherungsbeiträge trotzdem um ein paar Zehntelprozente sinken, wird das Ganze wohl tendenziell eher Arbeitsplätze kosten. Insofern müssten wir vertrauensbildend grundsätzlicher diskutieren, beispielsweise das, was ich gerade bei Ihnen im Sender gehört habe, die Äußerungen von Seehofer zum Thema Einbeziehung der Beamten in die Sozialversicherung. Das ist natürlich durchaus ein richtiger Vorschlag, weil man sich doch etwas vormacht. Die Beamten zahlen keine eigenen Altersvorsorgebeiträge im Gegensatz zu Arbeitnehmern, bekommen aber von allen in der Gesellschaft ihre Pensionen finanziert, weil deren Pensionen nicht auf Beiträgen, wenigstens zu zwei Dritteln wie in der Rente bezahlt werden, sondern ausschließlich aus Steuern. Und das darf man nicht vergessen. Insofern ist ein solcher Vorschlag ein richtiger, und die Schweiz praktiziert in ihrer Arbeit- und Rentenversicherung genau die Einbeziehung von allen, von Beamten, von Selbständigen, aber auch von Arbeitnehmern. Und eine größere Bemessungsgrundlage schafft dann einen niedrigeren Beitragssatz, in der Schweiz liegt der bei zehn Prozent, und das ist durchaus eine Überlegung, die die Arbeitskosten für die gesamte Gesellschaft dann günstiger machen kann.
Breker: Wir haben die Probleme auf der Einnahmeseite, das wäre eine Möglichkeit für die Sozialkassen. Aber Probleme auf der Einnahmeseite hat auch der Finanzminister. Was ist der bessere Weg? Statt Steuern erhöhen mehr Schulden machen?
Metzger: Eigentlich nicht, aber wir haben zur Zeit nur die Wahl zwischen Pest und Cholera. Das Problem ist: Wir müssen die automatischen Stabilisatoren wirken lassen, das ist in der Ökonomenzunft unbestritten. Also, in Zeiten, wo die Konjunktur die Ausgaben für die Arbeitslosigkeit steigen lässt und die Steuereinnahmen wegbrechen lässt, darf man diese Mehrausgaben und Mindereinnahmen nicht durch zusätzliche Sparpolitik wegdrücken. Das sehe ich auch als Konsolidierer so. Andererseits müssen wir vertrauensbildende Politik machen, das heißt, der Staat muss die Ansprüche an die Gesellschaft zurück drängen. Er muss die umlagefinanzierten Sicherungssysteme wie die Rente und die Gesundheit stärker in Richtung Kapitaldeckung, mehr Eigenverantwortung orientieren. Und dieser Umbau wird dann mittelfristig und langfristig tatsächlich Investoren und Bürger entlasten. Denn ein Staat, der so weiter macht wie bisher, sich mehr verschuldet, beziehungsweise Arbeit immer teurer macht, wird die Grundlage unseres Gemeinwesens kaputt machen. Und höhere Schulden sind immer Steuererhöhungen von morgen. Also insofern ist das die zweitbeste Lösung. Ich bin schon froh darum, dass in dem schwierige nächsten Jahr die Bundesregierung es jetzt geschafft hat, der Kanzler wird es mit dem Finanzminister um eins vor der Presse erklären, auf eine Neuverschuldung von 18,9 Milliarden nur vergleichsweise maßvoll die Neuverschuldung im nächsten Jahr anzuheben, während im laufenden Jahr natürlich ein etwas größerer Anstieg von 21 auf fast 35 Milliarden festzustellen ist. Und angesichts dieser wirklich desaströsen Zahlen, die ja Bund, Länder und Gemeinden treffen, nicht nur eine staatliche Ebene, wäre es dringend notwendig, jetzt eine Reformagenda aufzumachen, die unserem Land Perspektiven gibt. Dieses Deutschland hat Potenzial, aber das Potenzial muss man ebnen und man darf nicht die Leistungsbereitschaft der Menschen über Gebühr strapazieren. Sonst kommen wir nicht aus dem Schlamassel raus.
Breker: Und da muss die Bundesregierung noch nachlegen?
Metzger: Das ist sicher so.
Breker: Das war Oswald Metzger, Finanzpolitiker der Bündnisgrünen in den Informationen am Mittag im Deutschlandfunk. Herr Metzger, vielen Dank für dieses Gespräch!
Metzger: Bitteschön, Herr Breker!
Breker: Herr Metzger, diese Regierung begann wie eigentliche jede Regierung mit einem Kassensturz. Doch da sie vorher schon im Amt war, überrascht die Verwunderung über das Defizit schon etwas. Sie nicht?
Metzger: Nein, mich nicht. Ich habe bereits zwölf Tage vor der Bundestagswahl, in der Süddeutschen Zeitung auf Seite eins zu lesen, von 3,3 bis 3,5 Prozent Defizit gesprochen. Das hat zwar manche aufgeregt in meiner Fraktion, auch bei der Regierung. Und ich habe auch in meiner letzten Rede im Bundestag an die Adresse der Opposition gesagt: Ihr braucht euch nicht so aufzuplustern. Wenn wir die Wahlversprechen, die ihr in euren Programmen habt, finanzieren wollten, dann wären wir nicht nur bei über drei Prozent Defizit, sondern bei fünf Prozent, weil allein das Sofortprogramm im Wahlprogramm der Union rund 20 Milliarden Euro gekostet hätte ohne die Steuersenkungen, die versprochen wurden und dann lägen wir schon bei knapp fünf Prozent Defizit. Deshalb geht meine klare Ansage an die Adresse der Opposition: Wer selber im Glashaus sitzt, braucht nicht mit Steinen zu werfen.
Breker: Nun nehmen wir aber mal die rot-grüne Regierung, denn die hat doch - wenn Sie es wussten, dann hätten es die anderen auch wissen können - jetzt ein echtes Glaubwürdigkeitsproblem.
Metzger: Das ist keine Frage, aber es ist genau das eingetreten, was immer in Wahlkämpfen passiert. Die schlechten Nachrichten wurden zurück gehalten. Man will sich in ein rechtes Licht rücken. Dieses Spiel haben alle Parteien in diesem Wahlkampf mitgeführt. Und durch die Art der Themensetzung Irakkrieg, Flutkatastrophe war das in den Hintergrund gedrängt, was heute die tagespolitische Debatte bestimmt. Wir brauchen eine Reform des Sozialstaats, weil das jetzige Finanzierungssystem die Arbeitskosten so explodieren lässt, dass wir immer weniger Beschäftigung bekommen. Ein Teufelskreis, der dann wiederum zu höheren Arbeitskosten führt, weil dann ja die sozialen Transfers bezahlt werden müssen. Und an dieser Schnittstelle müssen jetzt Strukturreformen beschlossen werden, die langfristig unsere Gesellschaft entlasten. Und da müssen jetzt natürlich viele Millionen Menschen mit weniger rechnen. Die Frage ist nur, ob die jetzt eingeleiteten Schritte grundsätzliche Strukturreformen in die richtige Richtung sind oder nicht. Ich sehe zur Zeit eher eine Doppelbotschaft, und ich wünschte mir von den Sozialdemokraten, aber auch von meiner Partei, dass man durchaus konzeptioneller mit einer so angelegten Reform die Sozialsysteme reformiert, dass langfristig die Menschen im Alter noch ein auskömmliches Einkommen haben, aber die Jungen nicht erdrosselt werden durch die Last der Beiträge für das Sozialsystem.
Breker: Bevor wir aufs Sozialsystem weiter eingehen, Herr Metzger, einfach noch mal zu den Steuern. Sparen, Steuern Erhöhen dadurch wird die Konjunktur doch nicht angekurbelt?
Metzger: Das ist keine Frage, insofern ist das Streichen der Ausnahmetatbestände, was zur Zeit läuft, eine Steuererhöhung. Und Steuererhöhungen schöpfen natürlich Kaufkraft ab, auch wenn ich den Faktor Arbeit teurer mache. Indem die Rentenversicherungsbeiträge steigen, indem zwar verhalten die Krankenversicherungsbeiträge trotzdem um ein paar Zehntelprozente sinken, wird das Ganze wohl tendenziell eher Arbeitsplätze kosten. Insofern müssten wir vertrauensbildend grundsätzlicher diskutieren, beispielsweise das, was ich gerade bei Ihnen im Sender gehört habe, die Äußerungen von Seehofer zum Thema Einbeziehung der Beamten in die Sozialversicherung. Das ist natürlich durchaus ein richtiger Vorschlag, weil man sich doch etwas vormacht. Die Beamten zahlen keine eigenen Altersvorsorgebeiträge im Gegensatz zu Arbeitnehmern, bekommen aber von allen in der Gesellschaft ihre Pensionen finanziert, weil deren Pensionen nicht auf Beiträgen, wenigstens zu zwei Dritteln wie in der Rente bezahlt werden, sondern ausschließlich aus Steuern. Und das darf man nicht vergessen. Insofern ist ein solcher Vorschlag ein richtiger, und die Schweiz praktiziert in ihrer Arbeit- und Rentenversicherung genau die Einbeziehung von allen, von Beamten, von Selbständigen, aber auch von Arbeitnehmern. Und eine größere Bemessungsgrundlage schafft dann einen niedrigeren Beitragssatz, in der Schweiz liegt der bei zehn Prozent, und das ist durchaus eine Überlegung, die die Arbeitskosten für die gesamte Gesellschaft dann günstiger machen kann.
Breker: Wir haben die Probleme auf der Einnahmeseite, das wäre eine Möglichkeit für die Sozialkassen. Aber Probleme auf der Einnahmeseite hat auch der Finanzminister. Was ist der bessere Weg? Statt Steuern erhöhen mehr Schulden machen?
Metzger: Eigentlich nicht, aber wir haben zur Zeit nur die Wahl zwischen Pest und Cholera. Das Problem ist: Wir müssen die automatischen Stabilisatoren wirken lassen, das ist in der Ökonomenzunft unbestritten. Also, in Zeiten, wo die Konjunktur die Ausgaben für die Arbeitslosigkeit steigen lässt und die Steuereinnahmen wegbrechen lässt, darf man diese Mehrausgaben und Mindereinnahmen nicht durch zusätzliche Sparpolitik wegdrücken. Das sehe ich auch als Konsolidierer so. Andererseits müssen wir vertrauensbildende Politik machen, das heißt, der Staat muss die Ansprüche an die Gesellschaft zurück drängen. Er muss die umlagefinanzierten Sicherungssysteme wie die Rente und die Gesundheit stärker in Richtung Kapitaldeckung, mehr Eigenverantwortung orientieren. Und dieser Umbau wird dann mittelfristig und langfristig tatsächlich Investoren und Bürger entlasten. Denn ein Staat, der so weiter macht wie bisher, sich mehr verschuldet, beziehungsweise Arbeit immer teurer macht, wird die Grundlage unseres Gemeinwesens kaputt machen. Und höhere Schulden sind immer Steuererhöhungen von morgen. Also insofern ist das die zweitbeste Lösung. Ich bin schon froh darum, dass in dem schwierige nächsten Jahr die Bundesregierung es jetzt geschafft hat, der Kanzler wird es mit dem Finanzminister um eins vor der Presse erklären, auf eine Neuverschuldung von 18,9 Milliarden nur vergleichsweise maßvoll die Neuverschuldung im nächsten Jahr anzuheben, während im laufenden Jahr natürlich ein etwas größerer Anstieg von 21 auf fast 35 Milliarden festzustellen ist. Und angesichts dieser wirklich desaströsen Zahlen, die ja Bund, Länder und Gemeinden treffen, nicht nur eine staatliche Ebene, wäre es dringend notwendig, jetzt eine Reformagenda aufzumachen, die unserem Land Perspektiven gibt. Dieses Deutschland hat Potenzial, aber das Potenzial muss man ebnen und man darf nicht die Leistungsbereitschaft der Menschen über Gebühr strapazieren. Sonst kommen wir nicht aus dem Schlamassel raus.
Breker: Und da muss die Bundesregierung noch nachlegen?
Metzger: Das ist sicher so.
Breker: Das war Oswald Metzger, Finanzpolitiker der Bündnisgrünen in den Informationen am Mittag im Deutschlandfunk. Herr Metzger, vielen Dank für dieses Gespräch!
Metzger: Bitteschön, Herr Breker!