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Wegsparen des portugiesischen Bildungssystems

In den nächsten zwei Jahren will Portugal seinen Staatsapparat um 50.000 Beamte verkleinern. Kritiker befürchten eine schleichende Privatisierung der Staatsaufgaben in wichtigen Bereichen wie der Gesundheit.

Von Jochen Faget | 24.05.2013
    Der portugiesische Regierungssprecher und Parlamentsminister Luís Marques Guedes gibt sich entschlossen, wenn er über den Abbau des Staatsapparates spricht. Wegen der eingegangenen Sparverpflichtungen habe die Regierung keinen Spielraum:

    "Der Stellenabbau bei den Beamten steht in der Vereinbarung mit der Troika. Wir haben uns bis jetzt an diese Abmachung gehalten und wir werden sie weiter einhalten."

    In den nächsten zwei Jahren sollen von insgesamt 600.000 Beamtenstellen mehr als 30.000 abgebaut werden. Denn Portugal habe zu viele Staatsdiener, hat die Troika festgestellt – vor allem im Erziehungs- und Bildungsbereich. Die Folge: Noch mehr Lehrern droht die Arbeitslosigkeit, noch mehr könnten im nächsten Schuljahr ihren Job verlieren. Auch, weil die Klassenstärken weiter erhöht und die Wochenarbeitszeit im öffentlichen Dienst auf 40 Stunden steigen sollen. Serafina Costa, Mitte 40 und Mutter zweier Kinder, macht sich Sorgen:

    "Niemand weiß, wie es weiter geht. Auch im kommenden Schuljahr muss ich mich wieder anderswo bewerben. Aber es werden immer weniger Stellen ausgeschrieben, an manchen Schulen gar keine. Ich habe keine große Hoffnung."

    Portugals modernes und eigentlich vorbildliches Bildungssystem wurde erst nach der Nelkenrevolution von 1974 aufgebaut. Bis dahin betrug die Schulpflicht nur vier Jahre, waren die Analphabetenzahlen mit die höchsten Europas. Diese Errungenschaften sind wegen der Sparpolitik in Gefahr, stellt der Universitätsprofessor Viriato Soromenho Marques fest:

    "Tausende wurden schon entlassen. Wenn das so weiter geht, wird viel von dem, was wir mühsam aufgebaut haben, wieder verschwinden."

    Überhaupt, die Grenze sei bereits erreicht, kritisiert der Professor. Schließlich sei seit dem Beginn der Sparmaßnahmen der Staatsapparat schon um 50.000 Beamte geschrumpft. Und zwar in allen Bereichen vom Landwirtschafts- bis hin zum Bauministerium - durch Pensionierungen, Einstellungsstopp und Vorruhestandsregelungen.

    Doch die Regierung will weiter abbauen, wenn sie auch nicht sagt, wo und wie. Also hat sie erst einmal alle staatlichen Institutionen aufgefordert, überflüssige Stellen zu finden und zu melden. Anschließend soll mit den betroffenen Beamten zunächst über freiwillige Vertragsauflösungen und Abfindungen verhandelt werden, am Ende könnte auch die Entlassung drohen.

    Spiegelfechtereien nennt das die Wirtschaftshistorikerin Raquel Varela. Die jahrelange Arbeit ihrer Forschungsgruppe habe ergeben, dass Portugals Beamtenapparat durchaus im europäischen Durchschnitt liege, die staatlichen Einrichtungen mit wenigsten Ausnahmen sogar bereits unterbesetzt seien. Weiterer Personalabbau sei keine Verschlankung mehr, sondern ein radikaler Umbau des Staates:

    "Das ginge nur mit einer Übertragung staatlicher Aufgaben auf den privaten Bereich, der damit dann natürlich Geld verdienen will. Lebenswichtige Bereiche wie Erziehung, Gesundheit und Wohlfahrt müssten privatisiert werden."

    Dem jedoch steht das portugiesische Grundgesetz entgegen. Darum, so meinen viele Verfassungsrechtler, seien die Pläne zum Beamtenabbau unrealistisch, dürften spätestens an einer Klage vor dem Verfassungsgericht scheitern.