Jochen Spengler: Das Gutachten trägt die Überschrift "Auslandseinsätze der Bundeswehr". Es wurde im Auftrag vom Bundesverteidigungsministerium erstellt. Es wurde von sieben hochrangigen ehemaligen Generälen verfasst. Es ist 55 Seiten dick und es wurde zu einer Generalabrechnung mit der katastrophalen Planung bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Seit einem halben Jahr etwa liegt es im Verteidigungsministerium. Die Wochenzeitung "Die Zeit" machte seine Existenz gestern publik und erst durch die journalistischen Recherchen erfuhr der Wehrbeauftragte des Bundestages Reinhold Robbe davon. Er ist jetzt am Telefon. Guten Morgen Herr Robbe!
Reinhold Robbe: Guten Morgen, Herr Spengler. Ich grüße Sie!
Spengler: Als Wehrbeauftragter helfen Sie dem Parlament, die Bundeswehr zu kontrollieren, und Sie gelten gemeinhin als recht gut informiert. Wie geht das an, dass Sie erst über eine Journalistenrecherche von so einem brisanten Bericht erfahren? Sind Sie ihrer Kontrollpflicht nicht nachgekommen?
Robbe: Nein, das würde ich nicht behaupten, zumal niemand innerhalb oder außerhalb des Parlamentes bis zum heutigen Tage von diesem Bericht erfahren hat. Es ist in der Tat so, dass Journalisten es gelungen ist, an diesen Bericht heran zu kommen. Auch ich habe, um es gleich deutlich zu sagen, noch nicht den originalen Wortlaut des Berichtes, sondern bin angewiesen auf die Dinge, die in der Presse zu sehen sind.
Spengler: Warum wird denn der Bericht im Ministerium so unter Verschluss gehalten?
Robbe: Offensichtlich ist es so, dass man auf der Grundlage dieses Berichtes im Ministerium Strukturen verändern will. Nun weiß jeder, dass das Bundesministerium der Verteidigung ein Riesenapparat ist. Jeder weiß auch, wer hier etwas verändern will. Ich denke einmal, dass zum Beispiel der Generalinspekteur, aber auch der Minister ein Interesse daran haben, die Dinge, die in der Vergangenheit nicht rund gelaufen sind, die auch zu Problemen geführt haben, zu enormen Problemen geführt haben bei den Einsätzen, dass hier ein Interesse besteht, diese überkommenen Strukturen zu verändern. Da ist es halt wichtig, und da kann ich sogar nachvollziehen, dass derartige Dinge so lange unterm Deckel gehalten werden, bis es hier entscheidungsreife Vorlagen gibt. Das kann ich mir vorstellen ist der Hintergrund dieser ganzen Geschichte, und dann habe ich sogar ein gewisses Verständnis dafür.
Spengler: Ich wollte sagen, das klingt sehr wohlmeinend, Herr Robbe. Könnte es nicht auch sein, dass dem Ministerium es schlichtweg peinlich ist, was in diesem Bericht steht?
Robbe: Nein, das denke ich nicht. Denn wenn man sich einmal ganz genau anschaut, was hinter den Kulissen inzwischen gelaufen ist, dass man zum Beispiel daran denkt, ein neues Führungsgremium zu schaffen, was offensichtlich auf der Grundlage dieses Berichtes, dieses Mängelberichtes entstanden ist, dann hat man schon einen wichtigen Schritt getan. Also ich sehe es im Moment durchaus positiv, wenn auf der Grundlage dieses Berichtes jetzt aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt wurde und wenn hier etwas gemacht wurde. Aber ich sehe auch die Notwendigkeit, um es deutlich zu sagen, dass dem Parlament der Bericht vorgelegt wird. Er ist jetzt in der Öffentlichkeit, und deswegen muss das Parlament auch die Möglichkeit haben, über Einzelheiten zu diskutieren. Ich gehe aber auch davon aus - das ist meine ganze politische Erfahrung -, dass dieses dann irgendwann in den nächsten Tagen auch erfolgen wird.
Spengler: Herr Robbe, Sie haben angesprochen, dass da ein neues Gremium geschaffen werden soll zur Koordinierung der Auslandseinsätze. Soweit ich den Bericht kenne - und ich kenne ihn offenbar auch nur so wie Sie, nämlich aus der Presse - steht darin, dass das Problem ein Grundproblem der Bundeswehr ist, dass eben für die Auslandseinsätze mindestens fünf verschiedene Stellen zuständig sind - das Ministerium, das Einsatzführungskommando in Potsdam und die Teilstreitkräfte -, was eben dazu führe, dass es keine vernünftige Planung und Führung gebe. Wenn jetzt noch ein zusätzliches Gremium geschaffen wird, dann wird die Sache doch nur schlimmer?
Robbe: Nein. Mit diesem zusätzlichen Gremium soll der Versuch unternommen werden, diese bisherigen unterschiedlichen quälenden langen Befehlsstränge zusammenzuführen, insbesondere wenn es um neue Einsätze geht. Wissen Sie, der Kongo-Einsatz im vergangenen Jahr war ein Musterbeispiel dafür, dass Entscheidungsstränge nebeneinander herliefen.
Spengler: Was ist da passiert?
Robbe: Dort hat man zu spät erkannt, dass die Notwendigkeiten vor Ort erstens überhaupt nicht erkannt wurden, und als sie erkannt wurden, wurden falsche Schlüsse gezogen. Dort wurde zum Beispiel die Schaffung eines Feldlagers an eine private Firma übergeben, weil man nicht in der Lage war, diese Dinge aus nationalen Mitteln bereitzustellen. Wenn man es national gemacht hätte, wären aus meiner Sicht nicht die Probleme entstanden, die dann vor Ort zu erkennen waren.
Spengler: Herr Robbe, der Bericht spricht ja noch von einem anderen Punkt. Er spricht davon, dass man bei der Bundeswehr in Afghanistan drei Jahre lang auf angeforderte Störsender warten musste. Die hätten Convoys schützen können gegen Sprengfallen, die mit einem Handy gezündet werden. Das ist doch fahrlässig auch gegenüber den Soldaten, wenn man drei Jahre warten muss.
Robbe: Die Bewertung will ich an dieser Stelle nicht vornehmen. Sie haben aber vollkommen Recht: Wenn es um die Sicherheit unserer Soldatinnen und Soldaten geht, dann darf es keine Ausreden geben. Dann darf es auch nicht das Argument geben, haben wir nicht gewusst, haben wir nicht gekonnt, sondern da muss man die Verantwortlichen identifizieren und dann muss ganz schnell gehandelt werden in der Weise, wie es offensichtlich jetzt auch getan wird. Also wie gesagt, ich stehe im Moment in dem Problem, dass ich den gesamten Bericht nicht kenne und insofern auch nicht alle Einzelheiten, auch nicht die Beispiele im Moment bewerten kann. Ich kann Ihnen aber jetzt schon sagen: alle Dinge, die sich aus diesem umfänglichen Bericht ergeben, werden sofort einer Prüfung unterzogen. Ich habe bereits erste Dinge veranlasst. Das heißt das, was in der Presse jetzt bekannt geworden ist, habe ich bereits in die Überprüfung ergeben und werde dann, wenn der Bericht vorliegt, auch dezidiert dazu Stellung nehmen.
Spengler: Die Generäle fordern eine Art Generalstab, um eine kohärente Führung zu gewährleisten. Wäre das ein geeignetes Mittel?
Robbe: Das ist für viele in der Bundeswehr offensichtlich ein Reizthema, weil die Bundeswehr sich nach dem Kriege anders entwickelt hat als viele Armeen unserer Partner. Dort gibt es Generalstäbe. Dort gibt es all das, was in diesem Bericht offensichtlich - muss ich immer wieder dazu sagen - eingefordert wird. Wir haben eine andere Struktur, aber ich sehe nach 50 Jahren Bundeswehrgeschichte auch die Notwendigkeit, dass man sich über überkommene Strukturen unterhält und dass man ganz schnell - darauf haben die Soldatinnen und Soldaten wirklich einen Anspruch; insbesondere diejenigen im Einsatz - sich einigt auf die Notwendigkeiten, auf notwendige Reformen, auf notwendige Strukturveränderungen, damit in Zukunft insbesondere mit Blick auf die Sicherheit der Soldaten all das gewährleistet ist, was die Soldaten wie gesagt mit Recht einfordern.
Reinhold Robbe: Guten Morgen, Herr Spengler. Ich grüße Sie!
Spengler: Als Wehrbeauftragter helfen Sie dem Parlament, die Bundeswehr zu kontrollieren, und Sie gelten gemeinhin als recht gut informiert. Wie geht das an, dass Sie erst über eine Journalistenrecherche von so einem brisanten Bericht erfahren? Sind Sie ihrer Kontrollpflicht nicht nachgekommen?
Robbe: Nein, das würde ich nicht behaupten, zumal niemand innerhalb oder außerhalb des Parlamentes bis zum heutigen Tage von diesem Bericht erfahren hat. Es ist in der Tat so, dass Journalisten es gelungen ist, an diesen Bericht heran zu kommen. Auch ich habe, um es gleich deutlich zu sagen, noch nicht den originalen Wortlaut des Berichtes, sondern bin angewiesen auf die Dinge, die in der Presse zu sehen sind.
Spengler: Warum wird denn der Bericht im Ministerium so unter Verschluss gehalten?
Robbe: Offensichtlich ist es so, dass man auf der Grundlage dieses Berichtes im Ministerium Strukturen verändern will. Nun weiß jeder, dass das Bundesministerium der Verteidigung ein Riesenapparat ist. Jeder weiß auch, wer hier etwas verändern will. Ich denke einmal, dass zum Beispiel der Generalinspekteur, aber auch der Minister ein Interesse daran haben, die Dinge, die in der Vergangenheit nicht rund gelaufen sind, die auch zu Problemen geführt haben, zu enormen Problemen geführt haben bei den Einsätzen, dass hier ein Interesse besteht, diese überkommenen Strukturen zu verändern. Da ist es halt wichtig, und da kann ich sogar nachvollziehen, dass derartige Dinge so lange unterm Deckel gehalten werden, bis es hier entscheidungsreife Vorlagen gibt. Das kann ich mir vorstellen ist der Hintergrund dieser ganzen Geschichte, und dann habe ich sogar ein gewisses Verständnis dafür.
Spengler: Ich wollte sagen, das klingt sehr wohlmeinend, Herr Robbe. Könnte es nicht auch sein, dass dem Ministerium es schlichtweg peinlich ist, was in diesem Bericht steht?
Robbe: Nein, das denke ich nicht. Denn wenn man sich einmal ganz genau anschaut, was hinter den Kulissen inzwischen gelaufen ist, dass man zum Beispiel daran denkt, ein neues Führungsgremium zu schaffen, was offensichtlich auf der Grundlage dieses Berichtes, dieses Mängelberichtes entstanden ist, dann hat man schon einen wichtigen Schritt getan. Also ich sehe es im Moment durchaus positiv, wenn auf der Grundlage dieses Berichtes jetzt aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt wurde und wenn hier etwas gemacht wurde. Aber ich sehe auch die Notwendigkeit, um es deutlich zu sagen, dass dem Parlament der Bericht vorgelegt wird. Er ist jetzt in der Öffentlichkeit, und deswegen muss das Parlament auch die Möglichkeit haben, über Einzelheiten zu diskutieren. Ich gehe aber auch davon aus - das ist meine ganze politische Erfahrung -, dass dieses dann irgendwann in den nächsten Tagen auch erfolgen wird.
Spengler: Herr Robbe, Sie haben angesprochen, dass da ein neues Gremium geschaffen werden soll zur Koordinierung der Auslandseinsätze. Soweit ich den Bericht kenne - und ich kenne ihn offenbar auch nur so wie Sie, nämlich aus der Presse - steht darin, dass das Problem ein Grundproblem der Bundeswehr ist, dass eben für die Auslandseinsätze mindestens fünf verschiedene Stellen zuständig sind - das Ministerium, das Einsatzführungskommando in Potsdam und die Teilstreitkräfte -, was eben dazu führe, dass es keine vernünftige Planung und Führung gebe. Wenn jetzt noch ein zusätzliches Gremium geschaffen wird, dann wird die Sache doch nur schlimmer?
Robbe: Nein. Mit diesem zusätzlichen Gremium soll der Versuch unternommen werden, diese bisherigen unterschiedlichen quälenden langen Befehlsstränge zusammenzuführen, insbesondere wenn es um neue Einsätze geht. Wissen Sie, der Kongo-Einsatz im vergangenen Jahr war ein Musterbeispiel dafür, dass Entscheidungsstränge nebeneinander herliefen.
Spengler: Was ist da passiert?
Robbe: Dort hat man zu spät erkannt, dass die Notwendigkeiten vor Ort erstens überhaupt nicht erkannt wurden, und als sie erkannt wurden, wurden falsche Schlüsse gezogen. Dort wurde zum Beispiel die Schaffung eines Feldlagers an eine private Firma übergeben, weil man nicht in der Lage war, diese Dinge aus nationalen Mitteln bereitzustellen. Wenn man es national gemacht hätte, wären aus meiner Sicht nicht die Probleme entstanden, die dann vor Ort zu erkennen waren.
Spengler: Herr Robbe, der Bericht spricht ja noch von einem anderen Punkt. Er spricht davon, dass man bei der Bundeswehr in Afghanistan drei Jahre lang auf angeforderte Störsender warten musste. Die hätten Convoys schützen können gegen Sprengfallen, die mit einem Handy gezündet werden. Das ist doch fahrlässig auch gegenüber den Soldaten, wenn man drei Jahre warten muss.
Robbe: Die Bewertung will ich an dieser Stelle nicht vornehmen. Sie haben aber vollkommen Recht: Wenn es um die Sicherheit unserer Soldatinnen und Soldaten geht, dann darf es keine Ausreden geben. Dann darf es auch nicht das Argument geben, haben wir nicht gewusst, haben wir nicht gekonnt, sondern da muss man die Verantwortlichen identifizieren und dann muss ganz schnell gehandelt werden in der Weise, wie es offensichtlich jetzt auch getan wird. Also wie gesagt, ich stehe im Moment in dem Problem, dass ich den gesamten Bericht nicht kenne und insofern auch nicht alle Einzelheiten, auch nicht die Beispiele im Moment bewerten kann. Ich kann Ihnen aber jetzt schon sagen: alle Dinge, die sich aus diesem umfänglichen Bericht ergeben, werden sofort einer Prüfung unterzogen. Ich habe bereits erste Dinge veranlasst. Das heißt das, was in der Presse jetzt bekannt geworden ist, habe ich bereits in die Überprüfung ergeben und werde dann, wenn der Bericht vorliegt, auch dezidiert dazu Stellung nehmen.
Spengler: Die Generäle fordern eine Art Generalstab, um eine kohärente Führung zu gewährleisten. Wäre das ein geeignetes Mittel?
Robbe: Das ist für viele in der Bundeswehr offensichtlich ein Reizthema, weil die Bundeswehr sich nach dem Kriege anders entwickelt hat als viele Armeen unserer Partner. Dort gibt es Generalstäbe. Dort gibt es all das, was in diesem Bericht offensichtlich - muss ich immer wieder dazu sagen - eingefordert wird. Wir haben eine andere Struktur, aber ich sehe nach 50 Jahren Bundeswehrgeschichte auch die Notwendigkeit, dass man sich über überkommene Strukturen unterhält und dass man ganz schnell - darauf haben die Soldatinnen und Soldaten wirklich einen Anspruch; insbesondere diejenigen im Einsatz - sich einigt auf die Notwendigkeiten, auf notwendige Reformen, auf notwendige Strukturveränderungen, damit in Zukunft insbesondere mit Blick auf die Sicherheit der Soldaten all das gewährleistet ist, was die Soldaten wie gesagt mit Recht einfordern.