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Weinbau
Schädlinge bedrohen Rebschulen

Sie sind winzig klein, unansehnlich und bedrohen den Weinbau: Schildläuse saugen Rebstöcken den Pflanzensaft aus und übertragen dabei Viren. Die Schädlinge können sich zunehmend ausbreiten, weil ihre natürlichen Feinde schwinden - und zwar durch den Einsatz von Pestiziden im Weinbau.

Von Volker Mrasek | 24.09.2019
Weinstöcke im Weinbaugebiet Mosel werden vom Hubschrauber mit einem Pflanzenschutzmittel gegen Pilzbefall gespritzt.
Auch im konventionellen Weinbau werden Pestizide eingesetzt - die töten jedoch nicht nur Schädlinge, sondern auch nützliche Insekten (picture alliance / Walter G. Allgöwer)
"Das ist ein Ei-Gelege. Mit dem bloßen Auge wirkt es nur wie ein brauner Klumpen."
"Das sind einige hundert. Die kleben zusammen."
"Die wollen nicht abgehen hier. Normalerweise befinden die sich unter dem Schild des Muttertiers."
"Und daraus entwickeln sich irgendwann die Schildläuse, die dann an der Rebe saugen."
Schädlinge breiten sich zunehmend aus
Daniela Kameke an ihrem Arbeitsplatz im Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinpfalz in Neustadt an der Weinstraße. Als Entomologin hat sie schon mal Insekten unter dem Mikroskop, denen andere überhaupt nichts abgewinnen können. Zum Beispiel Schildläuse. Nicht nur Gärtner und Obstbauern ärgern sich über die Pflanzenschädlinge, sondern auch immer mehr Winzer.
"Wir haben vor allen Dingen eine Art, die sich zunehmend ausgebreitet hat. Das ist die Ahorn-Schmierlaus. Wir sind jetzt in unserem Gewächshaus. Jetzt gehen wir zu den Schildläusen rüber."
Der Name Ahorn-Schmierlaus täuscht: Das Insekt befällt durchaus nicht nur Ahornbäume, sondern auch andere Holzgewächse - wie zum Beispiel Weinreben.
"In dieser Kammer haben wir unsere Rebstecklinge. Wir haben hier auch an einigen ein, zwei Tiere. Aber wenn dann erst mal die Larven da sind, sind das natürlich etliche hundert."
Läuse schaden Reben auf vielfältige Weise
Ein Trend zu einem stärkeren Auftreten der Art zeigt sich vor allem in den Anbaugebieten an der Nahe, in Rheinhessen, in Württemberg und in der nördlichen Pfalz. Ein Befall mit Ahorn-Schmierläusen ist gar nicht so leicht auszumachen. Die Tiere sind nur wenige Millimeter groß. Am leichtesten erkennt man noch die Weibchen. Sie tragen zeitweilig helle, längliche Säcke mit sich herum. Darin stecken Hunderte von Eiern.
Schildläuse schädigen Weinreben auf unterschiedliche Weise.
"Zum einen sitzen sie an der Pflanze selber und saugen den Pflanzensaft, das heißt sie entnehmen Nährstoffe. Und dann gibt es noch Viren, die übertragen werden können."
Gerade bei der Ahorn-Schmierlaus bestehe diese Gefahr, weiß die Biologin. Sie sei nämlich viel mobiler als andere Schildlaus-Arten:
"Dadurch, dass sie ein sehr aktiver Läufer ist, und zwar nicht nur als Larve, sondern bis ins Erwachsenenstadium hinein, kann sie natürlich an einer viruskranken Pflanze saugen und dann auf eine nächste hinüberwechseln und die dann auch infizieren."
Es sind sogenannte Blattrollviren, die die Schildläuse übertragen. Sie lassen die Blätter der Rebe vorzeitig welken und verkürzen die Reifezeit der Weinbeeren. Befallene Rebstöcke bleiben ein Leben lang infektiös.
Besonders Rebschulen sind bedroht
Beides geht in den letzten Jahren Hand in Hand: der zunehmende Befall mit Ahorn-Schmierläusen und Blattrollviren in Weinbergen von Rheinhessen bis Württemberg. Die Ertragsausfälle hielten sich zwar noch in Grenzen, sagt Daniela Kameke. Aber für Rebschulen sei die Lage kritisch. Von dort beziehen Winzer ihre Rebstöcke, wenn sie neue pflanzen.
"Es kann dahinführen, dass, wenn eine Vermehrungsanlage sowohl das Virus wie auch den Überträger hat, die ganzen Rebstöcke viruskrank sind. Oder ein zu großer Prozentsatz. Und dann wird diese ganze Anlage aus der Anerkennung genommen, das heißt also das wäre ein Totalausfall für den Winzer. Es standen einige davor, dass das passieren kann."
Trauben der Sorte Müller-Thurgau hängen im Weinberg in Hohberg-Diersburg (Baden-Württemberg) vor Beginn der Weinlese am Rebstock.
Pilzwiderstandsfähige Rebsorten: Der Wein der Zukunft?
Kupfer ist das einzige Mittel, das der Bioweinbau gegen Mehltau und Fäulnisbefall anwenden darf. Doch die Schadpilze namens Peronospora stellen die Winzer vor Probleme. Pilzwiderstandsfähige Reben könnten eine Lösung sein.
Die Ahorn-Schmierlaus ist keine neueingeschleppte Art. Und wahrscheinlich ist es auch nicht der Klimawandel, der sie begünstigt. In der Pfalz breitet sie sich zum Beispiel von Norden nach Süden aus, wie Daniela Kameke sagt. Und nicht von Süden nach Norden.
Experten des Bundesforschungsinstituts für Kulturpflanzen in Siebeldingen vermuten etwas anderes: dass wichtige natürliche Feinde der Schildläuse zurückgehen. Und zwar durch Pestizide im Weinbau, die nicht nur Schadinsekten töten, sondern auch Nützlinge wie etwa parasitische Schlupfwespen. Das ließ sich inzwischen für verschiedene gebräuchliche Präparate nachweisen. Eine unerwünschte Nebenwirkung, die sicher weitergehende Untersuchungen lohnt.