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Weinführer
Wein muss man riechen und schmecken

Bücher über Wein sind interessant und oft auch lehrreich, aber Wein muss man auch probieren, sagt die Autorin Paula Bosch. In ihrem neuen Buch stellt sie Rotweine aus Europa vor. Die Inhaltsstoffe von Rotwein sollen auch gesundheitlich positive Wirkungen haben.

Paula Bosch im Gespräch mit Sandra Hoffmann | 16.04.2014
    Sandra Hoffmann: Frau Bosch, 2001 ist ihr Buch "Weingenuss" erschienen, das den Leser sehr detailreich über die Welt des Weins und des Weinbetriebs aufklärt, und in dem folgende Passage geschrieben steht:
    "Schön, dass Sie dieses Buch lesen. Aber: Das hier ist nur Theorie. Durchs Lesen entwickeln Sie kein Gespür für Wein und dessen Geschmacksvarianten. Ich kann nur sagen: Probieren Sie!" Ihr Zitat!
    Ist das der Grund, dass Sie uns nun lieber gleich mit Empfehlungen auf eine Weinreise durch Europa schicken?
    Paula Bosch: Ja, in erster Linie schon, weil über Wein kann man, wie über Musik und andere Künste sehr viel lesen, aber das Entscheidende ist, dass man Wein riechen und schmecken muss. Man kann Landschaften sehen, man kann Weingüter sehen, wie der Wein gemacht wird, aber Wein beschreiben, das reicht, um die Fantasie anzuregen, aber um ihn letztendlich zu sich nehmen zu können, ganz in sich aufnehmen, muss man ihn probieren können, riechen und schmecken.
    Hoffmann: Warum ein Buch nur über Rotwein? "Rotwein" heißt das neue Buch.
    Bosch: Ja. Hier geht's um Anti-Aging, das ganze nennt sich Resveratrol, und Resveratrol ist festgestellt worden, schon vor vielen Jahren, in Rotweinschalen, und wenn Rotwein im Holzfass, sprich im Barrique, im neuen Barrique ausgebaut wird, wird dort auch etwas (davon) ausgelöst, und das bedeutet, dass Rotwein eben doch wesentlich mehr Inhaltsstoffe, sprich Resveratrol hat, um dem Syndrom Herzinfarkt zum Beispiel vorzubeugen. Daher eine Sammlung von verschiedenen Weinbeschreibungen, die zusammengefasst in einem europäischen Bereich, Rotweine aus Europa, im nächsten Jahr machen wir wahrscheinlich Übersee.
    Hoffmann: Es sind 30 Weingüter, die sie beschreiben, das Terroir, die Leute, die das Weingut führen. Wie haben Sie sich dafür entschieden, oder für diese 30?
    Eine bunte Mischung aus Bekanntem und Neuem
    Bosch: Ja, letztendlich ist es eine bunte Mischung aus Bekanntem, altbekanntem, Klassikern, von allem ein bisschen etwas, auch etwas Neues dazu, wie zum Beispiel Ungarn und Kroatien. Es sind aber im großen und ganzen auch Weingüter, die ich seit vielen Jahren schon kenne und besucht habe, wo ich vor Ort gewesen bin, wo ich die Besitzer kenne, wo ich schöne Erlebnisse hatte. Und wo ich eben auch weiß, dass die Weine (dementsprechend) genügend Gerbstoffe besitzen, genügend Tannine, um eben auch letztendlich den Anspruch an einen höheren Anteil des Resveratrols genüge tun zu können.
    Hoffmann: Das Besondere an diesem Buch ist ja, im Vergleich zu ihrem Buch davor, Weingenuss, da hatten Sie einen Co-Autor, Harald Willenbrock, er hat formuliert, was Sie ihm vorgegeben haben, und dieses Mal ist es ja ganz ihr Eigenes. Was reizt Sie am eigenen Schreiben?
    Bosch: Nun, ich hab eigentlich den Reiz als solchen erst einmal gar nicht empfunden, ich wollte dem Ganzen auch überhaupt aus dem Weg gehen, als ich mein erstes Buch geschrieben habe, und gar nicht diesen Wunsch hatte, das zu tun, weil ich einfach der Meinung war, es gibt genügend Menschen, die meinen, dass sie sich als Lebenswerk oder zur Vollendung ein Buch gönnen müssen. Das wollte ich eigentlich nicht. Ich gehöre auch nicht zu den Leuten, die literarisch sehr veranlagt sind, oder das Schreiben gelernt haben. Ich habe ganz einfach gelernt, den Menschen Wein in Worten näher zu bringen, am Tisch. Und aus dieser Tatsache heraus hat man mir immer wieder bestätigt, dass ich doch so schön über Wein sprechen kann, warum ich das denn nicht aufs Papier bringe.
    Den Wein bildlich darstellen
    Hoffmann: Es gibt eine Seemannssprache, eine Fliegersprache, eine Computersprache. Um über Wein sprechen zu können, muss man auch ein ganz bestimmtes Vokabular besitzen für die Farbe, für die Konsistenz, für den Duft, für den Geschmack, und wissen, was man schmeckt. Warum lachen die Leute so häufig über die Weinsprache?
    Bosch: Naja, man kann sich über alles lustig machen im Leben. Wenn Sie die Weinsprache von vor 15 Jahren oder vor 20 Jahren anschauen, wie berühmte Leute wie Michael Broadbent über Wein schreibt, oder Serena Sutcliffe, oder auch Robert Parker. Das ist eine ganz andere Sprache, was heute im neuen Journalismus versucht wird darzustellen, in welchen Farben, in welchen Bildern. Nun ja, das entspricht heute halt der Moderne. Ich versuche, mit Wein oder der Weinsprache den Menschen den Wein bildlich darzustellen, dass man sich darunter vorstellen kann, wie was in der Summe riecht und schmeckt. Es nützt ja gar nichts, wenn man den Leuten irgendein Kunststück sozusagen oder ein Musikstück versucht in Wein darzustellen, das geht einfach nicht. Da erwarte ich vom Gegenüber, dass es das wirklich auch kennt und sich damit auseinandersetzt. Wenn Sie aber von Erdbeeren, Himbeeren, Tomaten und Blättern sprechen, oder eben auch von Waldboden, von Unterholz, von Kräutern, von Gewürzen, da weiß doch jeder, um was es geht. Es ist nicht einfach, sondern man muss sich wahnsinnig konzentrieren, um nicht alles in der Summe alles zusammenzufinden, sondern die Hauptkomponenten zu entdecken, und dann eben über die Konsistenz zu sprechen, damit man sich vorstellen kann, wie dickflüssig oder wie dünnflüssig etwas ist, oder wie sauer oder, wie süß, wie angenehm, wie rund. Wie sich das anfühlt. Und dann kann man von Texturen sprechen, von Stoffen auch sprechen, das macht schon sehr wohl Sinn. Und mir macht das überhaupt gar nichts aus, wenn Menschen darüber lachen.
    Was man niedergeschrieben hat, bleibt viel besser im Gedächtnis
    Hoffmann: Sie können sich ja eine unglaublich große Zahl von Weinen merken, und ich weiß, Sie machen sich zu jedem Wein, den Sie probieren, Notizen. Erfasst man, oder erfassen Sie einen Wein erst dann, wenn Sie seine Merkmale benennen können?
    Bosch: Ja, in jedem Fall. Und es ist auch viel Konzentration notwendig, um das in Worte zu fassen. Und Sie werden feststellen, dass sich das nicht immer so charmant liest, wie man das gerne hätte, und dass man oft nach Worten sucht, und ringt. Es ist nicht einfach, aber es fördert die Konzentration. Und die Aufmerksamkeit einem Produkt gegenüber ist wesentlich höher, wenn man sich zwingt, etwas niederzuschreiben. Das ist eine Fleißarbeit. Und man kann natürlich auch ein Glas Wein probieren oder trinken, ohne dass man sich in die strenge Klausur begibt, um alles niederzuschreiben, was man entdeckt. Entscheidend ist aber für die Arbeit, wenn man sich später wieder daran erinnern möchte, das was man niedergeschrieben hat, bleibt viel besser im Gedächtnis haften.
    Hoffmann: Das heißt, das Benennen-können von Merkmalen ist eigentlich das Geheimnis des Merkens?
    Bosch: Ja, so könnte man das ausdrücken. Das würde ich unterschreiben!
    Hoffmann: Jetzt noch ganz zum Schluss: Drei Rot-Weine für die Insel?
    Bosch: Diese Frage ist von mir schwer zu beantworten. Weil es ist eine Situation, was ich gerade im Gedächtnis habe: Aber am Ende möchte ich vielleicht damit aber gar nicht auf die Insel gehen. Natürlich hat man so seine Lieblingsweine, oder seine Lieblingsregionen. Ich komme gerade aus der Toskana und habe dort wunderbare Weine probiert. Wenn ich sagen müsste, welchen Wein auf die Insel, ich würde es mal mit dem Typ benennen: Typ Bordeaux und reif.
    Hoffmann: Warum?
    Bosch: Weil, Bordeaux ist und bleibt für mich, nach wie vor, der Weincharakter, den ich am meisten liebe!
    Paula Bosch und Prof. Dr. Markus Metka: "Rotwein. Eine Genussreise durch Europa", Wien, Brandstätter Verlag 2013, 224 Seiten, 29,90 Euro