Freitag, 19. April 2024

Archiv

Weißbuch der Bundesregierung
Bundeswehrverband will nur Deutsche in der Bundeswehr

An den neuen Leitlinien zur Sicherheitspolitik gibt es Kritik. Die Linkspartei hält sie für verfassungswidrig und warnt indirekt vor Koalitionen mit fragwürdigen Staaten. Der Bundeswehrverband fordert, die angekündigte Trendwende auch umzusetzen. Dass auch Nicht-Deutsche mitkämpfen sollen, lehnt er ab.

Von Klaus Remme | 13.07.2016
    Das Weißbuch in den Händen von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen
    Am neuen Weißbuch für die Bundeswehr von Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen gibt es Kritik. (dpa / Michael Kappeler)
    Die Abstände, in denen die Bundesregierung Leitlinien zur deutschen Sicherheitspolitik neu definiert, sind beträchtlich. 2006 geschah dies zum letzten Mal, es war auch eine Antwort auf die veränderte Weltlage nach dem 11. September. Davor wurde ein Weißbuch 1994 vorgelegt, die logische Konsequenz aus dem Mauerfall und dem Ende des Kalten Kriegs.
    Mit dem neuen Weißbuch reagiert die Bundesregierung einmal mehr auf Veränderungen der letzten Jahre: die zunehmende Dichte der Krisen, die globalen Zusammenhänge, die Betonung völlig neuer Gefahren - Stichwort Cyberkrieg - und das neue Verhältnis zu Russland, das sicherheitspolitisch als Herausforderung gesehen wird.
    Insgesamt wird viel beschrieben und wenig konkret gefolgert. Dazu kommt: Der Grundtenor, Deutschlands gewachsene Verantwortung in der Welt, ist seit der Rede des Bundespräsidenten anlässlich der Sicherheitskonferenz 2014 bekannt.
    "Trendwende auch unterfüttern"
    Dieser Anspruch passt nicht zum aktuellen Bild der Truppe, beklagt André Wüstner, der Vorsitzende des Bundeswehrverbands heute im Morgenmagazin. Die Streitkräfte befinden sich am tiefsten Punkt ihrer Einsatzbereitschaft seit 1990, sagte Wüstner. Er weiß, Ursula von der Leyen hat als Konsequenz bereits die Trendwende beim Personal und beim Verteidigungsetat eingeleitet. Wüstner fordert:
    "Es geht darum, diese jetzt angekündigten Trendwenden von Frau von der Leyen, die absolut richtig sind, auch definitiv zu unterfüttern. Es geht um Glaubwürdigkeit, um Vertrauen und zwar einmal in Richtung Gesellschaft, in Richtung Bündnis und in Richtung Bundeswehr, das muss folgen."
    Es gibt vor allem drei konkrete Punkte im neuen Weißbuch, die für Diskussionen sorgen. Da ist erstens das Thema von Einsätzen der Bundeswehr im Inneren. In der Großen Koalition ist eine Erweiterung der Einsatzmöglichkeiten umstritten. Die SPD hat sich erfolgreich gegen Bestrebungen der Union durchgesetzt, den vom Grundgesetz vorgegebenen engen Rahmen zu erweitern.
    Bundeswehr soll auch im Inneren eingesetzt werden
    Im Weißbuch wird aber auf die Möglichkeit hingewiesen, nach Artikel 35, Absatz 2, Satz 2, die Bundeswehr im Katastrophennotstand einzusetzen, weiter heißt es: "Das Vorliegen eines besonders schweren Unglücksfalls kommt auch bei terroristischen Großlagen in Betracht." Die dann notwendige Kooperation mit Bundes und Landesbehörden soll durch Übungen vorbereitet werden.
    Zweitens wird streiten Regierung und Opposition über die verfassungsrechtliche Absicherung von Auslandseinsätzen. Neben traditionellen sogenannten Systemen kollektiver Sicherheit wird im neuen Weißbuch von der zunehmenden Rolle sogenannter ad-hoc-Kooperationen gesprochen. Bei Oppositionspolitikern tönen Alarmsignale. Agnieszka Brugger, Abgeordnete der Grünen spricht im Deutschlandfunk von einem Tabubruch:
    "Das ist eine der Passagen, die ich am schlimmsten finde am neuen Weißbuch: Ad-hoc-Koalitionen bedeutet übersetzt eigentlich Koalition der Willigen, außerhalb von Systemen kollektiver Sicherheit, wie Vereinte Nationen, Europäische Union oder NATO. und auch da haben wir in den letzten Jahren Auslandseinsätze gesehen, die genauso konstruiert sind. Und für mich steht diese Formulierung mit den ad-hoc-Koalitionen in klarem Widerspruch zu den Vorgaben aus dem Grundgesetz für die Auslandseinsätze der Bundeswehr, aber auch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts."
    Soldaten auch aus anderen EU-Ländern
    Dritter Punkt: Die Nachwuchssorgen der Bundeswehr sind bekannt. Im Weißbuch ist in diesem Zusammenhang zu lesen: "Nicht zuletzt böte die Öffnung der Bundeswehr für Bürgerinnen und Bürger der EU nicht nur ein weitreichendes Regnerationspotenzial, sondern wäre auch ein starkes Signal für eine europäische Perspektive." Aufgabe der deutschen Staatsbürgerschaft als Vorausssetzung für den Soldatenberuf? André Wüstner vom Bundeswehrverband ist alles andere als begeistert:
    "Für uns ist elementar, dass die deutsche Staatsbürgerschaft bleiben muss. Es geht natürlich um einen bestimmten Bezug zum Thema Grundgesetz, zum Thema Werte und Führungsphilosophie, und da sind wir sehr skeptisch, was diesen Ansatz anbelangt."