Spätestens seit der Brexit-Entscheidung in Großbritannien ist offenkundig, wie notwendig eine grundlegende EU-Reform ist. Auch wenn manche hoffen, dass die Unsicherheit, für die US-Präsident Trump sorgt, die EU-Staaten wieder zusammenschweißen könnte.
"Da habe ich einige Zweifel, weil die Briten werden es schaffen, ohne große Anstrengungen, die anderen 27 Mitgliedsstaaten auseinander zu dividieren. Man verspricht dem Land A dieses, man verspricht dem Land B jenes."
Fürchtet Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im Interview mit dem Deutschlandfunk. Wie also weitermachen mit den 27 EU-Staaten nach dem Brexit? Vor zwei Wochen erst hatte das EU-Parlament über verschiedene Vorschläge diskutiert. Nun will der Kommissionspräsident seine Ideen in einem Weißbuch vorlegen. Laut Insidern heißt es darin, die Staaten sollten ihren Bürgern entweder weniger Versprechungen machen oder selbst mehr tun. Sie sollten die EU-Institutionen nicht mit Aufgaben überladen, die diese nicht leisten könnten. Vielmehr müsse die EU die notwendige Macht bekommen, um die ihr übertragenen Aufgaben auch erfüllen zu können.
Gestaffelte Teilnahme der EU-Mitgliedsstaaten an Projekten
Da sich oft nicht alle Staaten auf einen Kompromiss einigen können, schlägt Juncker unter anderem eine Union verschiedener Kreise vor, wie er sie bei einer Rede in der vergangenen Woche dargestellt hat:
"Ich denke, die Zeit ist da, um aus Europa ein Gebilde mit verschiedenen Zirkeln zu machen, man muss sich einen Kontinent mit konzentrischen Kreisen vorstellen. Um das Zentrum Europas finden dann jene ihren Platz, die nicht alle Ambitionen teilen wollen."
Das käme dem Status Quo schon recht nahe, gibt es doch bereits jetzt unzählige Ausnahmen für Mitgliedsstaaten, an bestimmten Projekten nicht teilzunehmen. Sei es beim Euro, beim Schengen-Raum oder der polizeilichen Zusammenarbeit. Wollten Staaten sich nicht an allen Projekten beteiligen, dürften sie die anderen dadurch nicht ausbremsen, so Juncker:
"Wollen wir zu 28 vorankommen - den 28. haben wir ja schon verloren- oder ist es nicht angezeigt, dass die, die schnellere Fortschritte möchten, dies umsetzen können, ohne die anderen zu behindern, indem wir eine strukturiertere, für alle offene Konstruktion schaffen? Wir könnten mit weniger Aufwand mehr erreichen."
Weißbuch als Diskussionsgrundlage
Ähnliches hatten die Staats- und Regierungschefs bereits Anfang Februar beim informellen Gipfel auf Malta diskutiert. Bundeskanzlerin Merkel hatte damals konstatiert:
"…dass es auch eine Europäische Union mit verschiedenen Geschwindigkeiten geben wird, dass nicht alle immer an den gleichen Integrationsstufen teilnehmen werden."
Sein Weißbuch zur Zukunft der EU will Kommissionschef Juncker heute Nachmittag im EU-Parlament vorstellen. Beim Gipfel in Rom Ende des Monats, wo die Staaten den 60. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge begehen wollen, sollen Junckers Vorschläge dann diskutiert werden. Eine breite Debatte wolle Juncker anstoßen, im EU-Parlament, den nationalen Parlamenten und auf regionaler und kommunaler Ebene – schreibt das Online-Portal politico. Ziel sei, dass sich die Staats- und Regierungschefs bis Jahresende auf eine der von Juncker vorgeschlagenen Optionen einigten.