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Weitere Gewerkschaft versagt SPD Rückhalt

Kürzlich gab IG-Metallchef Huber bekannt, dass die Gewerkschaft dieses Jahr auf eine ausdrückliche Wahlempfehlung für die SPD verzichtet. Auch der Vorsitzende der IG Bergbau, Chemie, Energie will sich nicht festlegen.

Hubertus Schmodt im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    Tobias Armbrüster: Guten Morgen, Hubertus Schmoldt!

    Hubertus Schmoldt: Ja, guten Morgen, Herr Armbrüster!

    Armbrüster: Wen empfehlen Sie denn zur Wahl?

    Schmoldt: Die Partei, die in den vergangenen Jahren bewiesen hat, dass sie etwas für die Menschen, für Arbeit, für gute Arbeit, für Bildung in diesem Land tut und die das auch in ihrem Wahlprogramm erneut zusagt, wenn sie denn Regierungsverantwortung bekommt.

    Armbrüster: Heißt das die Linkspartei?

    Schmoldt: Nein, natürlich nicht, sondern ich will glauben, dass man aus dem Parteienspektrum außerhalb der Linkspartei diejenigen Parteien findet und auch wählen muss, die diesem Anspruch, dem Anspruch der Menschen in diesem Lande, am ehesten gerecht werden. Und das ist eine Frage, die wir unseren Mitgliedern empfehlen. Und dazu wird es seitens der Organisation ein paar Vergleiche der Aussagen der Parteien geben, und dann ist es Aufgabe des Wählers, sein Votum zu fällen.

    Armbrüster: Noch mal, heißt das die Linkspartei?

    Schmoldt: Nein, Herr Armbrüster, das heißt nicht die Linkspartei. Wir waren als IG BCE weder an der Gründung dieser Partei beteiligt, wir halten ihre Wahlaussagen für illusionär, für nicht bezahlbar, sie sind populistisch, und deshalb ist es für uns keine Partei, die wir in der Regierungsverantwortung sehen möchten oder überhaupt dahin kommen darf.

    Armbrüster: Okay, dann gehen wir weiter zum nächsten Kandidaten. Heißt das, Sie machen sich stark oder sprechen aus eine Wahlkampfempfehlung für die SPD?

    Schmoldt: Nein, das haben wir in den letzten Wahlen nie getan, das ist für eine Einheitsgewerkschaft, die parteiunabhängig ist, auch überhaupt nicht möglich und auch nicht zulässig. Wir als Gewerkschaften müssen unsere Position benennen, wir müssen die Schwerpunkte der künftigen Arbeit und Herausforderung beschreiben, und dann muss man sie vergleichen mit dem bisherigen Verhalten der Parteien, mit ihrer Regierungstätigkeit der Parteien – bei den beiden großen Volksparteien kann man das ja auch tun –, und man muss sich genau die Wahlprogramme und die Parteiprogramme ansehen.

    Armbrüster: Verabschieden sich die Gewerkschaften also aus der Politik?

    Schmoldt: Nein, natürlich nicht. Wir haben ein Instrument, das wir in eigener Verantwortung wahrnehmen können, das ist die Tarifpolitik, alle anderen Lebensbedingungen und Zukunftsbedingungen in unserem Land und damit für die Menschen und auch für unsere Mitglieder durch die Politik gestaltet. Und deshalb müssen wir auf die Politik Einfluss nehmen. Und das ist auch, weil es ja im Vorspann gesagt worden ist, die Aussage im Interview meines Kollegen Berthold Huber. Er hat das gesagt, was in den letzten Wahlen Selbstverständnis für die Gewerkschaften war: keine Parteiempfehlung, keine Wahlempfehlung, sondern eine deutliche Beschreibung unserer Positionen und damit auch unserer Anforderungen an die Parteien.

    Armbrüster: Heißt das nun, wenn eine Mehrheit der Mitglieder Ihrer Gewerkschaft sagen würde, die Lebensbedingungen werden für uns am besten gestaltet durch eine schwarz-gelbe Regierung, das wäre für Sie völlig in Ordnung?

    Schmoldt: Herr Armbrüster, wir müssen natürlich als Demokraten demokratische Wahlentscheidungen respektieren. Wir haben das in der Vergangenheit immer wieder getan, es hat auch und gibt auch bei unseren Wählern größere Bereiche – bei unseren Mitgliedern, Entschuldigung – Wähler, die die CDU, also die Christdemokraten, oder die CSU wählen, das ist ganz Selbstverständnis, und im Wettstreit der Parteien um die Zustimmung der Wähler ist das ein normaler Vorgang. Und hier werden auch die Gewerkschaftern ihrer Verantwortung dann am ehesten gerecht, wenn sie sich auf ihre Position beziehen und – ich wiederhole mich – das Verhalten und insbesondere dann auch die Regierungstätigkeit der Parteien, die jetzt an der Regierung sind, vor diesem Hintergrund bewerten. Und daraus müssen die Mitglieder nun ihre Schlussfolgerung ziehen.

    Armbrüster: Wie bewerten Sie denn nun die vier Jahre Große Koalition?

    Schmoldt: Wir haben ja zu denen gehört, die gesagt haben, es war sicherlich für dieses Land eine gute Konstellation. Die Große Koalition hat mehr Positives bewirkt als man ihr zugetraut hat. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie unser Land aussehen würde, wenn wir gerade jetzt auch in der Krise eine schwarz-gelbe Koalition gehabt hätten. Ich glaube, die Große Koalition hat die notwendigen Schritte getan. Sie muss noch nachlegen bei dem Thema Beschäftigungssicherung, also Schutzschirm, wie man das ja heute nennt, für die Menschen in diesem Lande. Das heißt, wir müssen weiter alles tun, damit niemand seinen Arbeitsplatz verliert, damit wir schnell durch die Krise kommen und damit die Menschen nach der Krise noch im Unternehmen sind und die Unternehmen dann den beginnenden Aufschwung mit den qualifizierten Belegschaften gestalten können. Und zum Zweiten muss die Politik – das hat sich nun hoffentlich auch bei vielen Politikern, die eher auf der ökologischen Seite sich sehen – erkannt , dass die Zukunft unseres Landes wie auch die Vergangenheit in einer positiven und auch gesunden industriellen Basis liegt. Und diese sogenannte Realwirtschaft muss gestärkt werden, dafür muss die Politik die Rahmenbedingungen treffen. Das, glaube ich, sind zwei ganz wesentliche Bereiche. Und der Dritte ist das Thema Bildung und damit Zukunftsförderung.

    Armbrüster: Sie haben jetzt gesagt, Schwarz-Gelb hätten sie nicht so gern gesehen in den vergangenen vier Jahren. Was würde passieren Ihrer Meinung nach, wenn es nach dem 27. September eine schwarz-gelbe Regierung gibt?

    Schmoldt: Na ja, die FDP gehört ja zumindestens zu den Parteien, die eine Marktwirtschaft gefordert haben, die ohne jegliche soziale Verpflichtung operieren kann. Das sind ja genau die Rezepte, die wir aus Amerika kennen, die zu dieser Krise geführt haben. Und FDP ist ja auch die Partei, die sich ausgesprochen schwer tut mit der Akzeptanz der Gewerkschaften, mit der Tarifautonomie, mit der Mitbestimmung und Betriebsverfassung. Das sind schon alles zentrale Elemente, die unabdingbar zu einer Marktwirtschaft gehören und die wir bei der FDP vermissen. Und deshalb sagen wir ganz deutlich, das wäre für Gewerkschafter und unsere Position die schlechteste Lösung.

    Armbrüster: Das heißt, das Übel in einer solchen Koalition wäre die FDP, nicht etwa die Union?

    Schmoldt: Es gibt mit der Union ja in vielen Bereichen Übereinstimmungen. Die Union des Jahres 2009 ist ja nicht mehr die Union des Jahres 2005. Die Bundeskanzlerin und die Union haben sich ja von vielen ihrer damaligen Forderungen aus dem Jahr 2005 verabschiedet. Es gibt ein Zugehen auf die Gewerkschaften, es gibt eine Bereitschaft, mit uns auch über Lösungen in der gegenwärtigen Situation gemeinsam zu reden. Das ist eine Partei, die als Volkspartei die Gesamtverantwortung wahrnimmt. Und deshalb bewerten wir natürlich die CDU ganz anders als die FDP.

    Armbrüster: Das klingt jetzt für mich nach einem Wahlaufruf für eine Große Koalition: Leute, wählt Rot-Schwarz!

    Schmoldt: Nein, Herr Tobias, die Menschen müssen das wählen, was sie vor dem Hintergrund auch ihrer Ansprüche und ihrer Erfahrungen für eine Partei halten, mit der man die kommenden vier Jahre positiv auch im Sinne von Zukunft, von Beschäftigung, von mehr Bildungsgerechtigkeit gestalten kann. Diese Entscheidung kann niemand den Menschen in unserem Lande abnehmen, wir wollen das auch gar nicht den Menschen abnehmen, wir wollen ihnen nur sagen, wo stehen wir, was waren die Erfahrungen in den vergangenen Jahren mit dieser und mit jener Partei. Und ich glaube, das ist eine gute Grundlage, auf der jeder dann seine Entscheidung fällen kann.

    Armbrüster: Herr Schmoldt, wenn wir jetzt auf die Sorgen kommen, die die Arbeitnehmer in Deutschland umtreiben, dann steht sicher ganz oben Arbeitsplatzsicherheit, Thema Arbeitslosengeld, Rente mit 67. Lassen sich solche Themen eigentlich nicht viel besser im Gewerkschaftssinne durchsetzen mit der Linkspartei?

    Schmoldt: Nein, weil trotz aller Anforderungen, die wir stellen, am Ende das auch alles bezahlbar sein muss. Und wenn eine Partei, die weder jetzt Regierungsverantwortung hat und auch künftig Regierungsverantwortung im Bund haben wird, Forderungen stellt, die sich gut anhören, aber die am Ende unrealistisch sind, dann wird das in diesem Land niemanden helfen. Ganz im Gegenteil, es wird unsere Verschuldungsprobleme ja sogar nur noch erhöhen. Und deshalb muss man realistische Forderungen aufstellen, man muss den Menschen die Wahrheit sagen und nicht mit irgendwelchen blumigen Versprechungen nur auf den Wahltag schielen.

    Armbrüster: Die Gewerkschaften im Wahlkampf 2009. Dazu sprachen wir mit dem Vorsitzenden der IG Bergbau, Chemie, Energie. Vielen Dank, Hubertus Schmoldt!

    Schmoldt: Vielen Dank, Herr Armbrüster!