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Weiterhin Importverbot für britisches Rindfleisch

Müller: Am Telefon begrüße ich nun Bundeslandwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke. Guten Morgen!

    Funke: Schönen guten Morgen.

    Müller: Herr Funke, nein aus Paris, nein aus vielen Bundesländern, auch nein aus Berlin?

    Funke: Bisher eindeutig, weil - so auch, glaube ich, die klare Position der Bundesgesundheitsministerin - gesagt wird, dass Verbraucherschutz an erster Stelle steht. Wenn wir eben gehört haben, dass es noch um Abklärung einiger Punkte geht, sicherlich auch technischer Einzelheiten, aber ebenso darum, über das Herkunftssicherungssystem mit Großbritannien zu reden, dann sieht man, dass man ja, ohne dass man schon den Handelskrieg oder was auch immer an die Wand malt, vernünftigerweise auch mit Großbritannien noch einige Fragen abklärt. Darum muss es gehen, und ich habe den Eindruck, dass auch die Bundesländer, die jetzt schon angekündigt haben, dass sie auf dem Hintergrund der jetzt vorliegenden Informationen gegen die Aufhebung des Importverbotes sein werden, entsprechende Informationen bekommen müssen, dass sie ihnen zur Verfügung gestellt werden müssen.

    Müller: Sagt denn, Herr Funke, die EU-Expertenkommission, die vergangenen Freitag geäußert hat, britisches Rindfleisch ist unbedenklich, die Unwahrheit?

    Funke: Nein, überhaupt nicht. Ich kann Ihnen nur auf Grund meiner Erfahrung sagen, die ich mit diesen Kommissionen aus den verschiedensten Bereichen in den vielen Jahren der Vergangenheit gehabt habe: das sind Kommissionen, die sehr sorgfältig arbeiten, sehr sorgfältig urteilen, sich sehr genau die Dinge ansehen. Wenn diese Kommission wiederholt in Großbritannien gewesen ist, auch deshalb, weil Deutschland das ganz entschieden im Agrarrat gefordert hat, und festgestellt hat, dass Großbritannien nun alle Vorsichtsmaßnahmen ergriffen hat, dass Großbritannien die entsprechenden Kontrollen, die notwendig sind, auch selber durchführt, so dass Sicherheit gewährleistet ist, so hat man überhaupt gar keinen Zweifel, das etwa als nicht richtig oder nicht wahr hinzustellen.

    Müller: Warum dann gegen die Freigabe, Herr Funke?

    Funke: Es ist ja so, dass es auch und gerade bei diesem Thema sehr viel psychologische Vorbehalte gibt, auch und gerade in der Verbraucherschaft. Das kann man ja gar nicht bestreiten. Dort ist viel an Aufklärung notwendig, wie führend denn nun die Großbritannier ihre Kontrollen durch, ist Aufklärung notwendig hinsichtlich des Herkunftssicherungssystems in Großbritannien und in der Frage - die bekommt man ja auch immer wieder gestellt -, wie kommt es eigentlich dazu, dass es in Großbritannien immer noch eine beträchtliche Anzahl von BSE-Fällen gibt. Ich finde, über diese Punkte soll man vernünftigerweise reden. Ich weiß, dass das auch multilateral mit den Großbritanniern seitens der EU-Staaten teilweise erfolgt, dass es auch auf Ebene der Briten mit Vertretern der EU-Kommission erfolgt. Das ist der richtige Weg, um auch die letzten Zweifel auszuräumen.

    Müller: Herr Funke, ich muss dort noch mal einhaken. Ich habe das nicht ganz verstanden. Sie sagen also, die Kommission beziehungsweise diese Expertenrunde in Brüssel hat sorgfältig gearbeitet, gibt grünes Licht, aber es reicht nicht aus. Warum?

    Funke: Ich habe eben davon gesprochen, dass es doch Vorbehalte gibt, die auch und gerade im psychologischen liegen, wo zusätzliche Fragen gestellt werden. Die Frage ist beantwortet, machen die Engländer denn ein Herkunftssicherungssystem und wie organisieren sie dieses Herkunftssicherungssystem. Darüber muss Aufklärung geschehen. Sonst kriegen wir eine entsprechende positive Beschlussfassung nicht zu Stande. Ich will eines dabei deutlich machen - und das zeigt auch, wie psychologisch besetzt das Thema ist und dass deshalb diese Aufklärung auch der technischen Einzelheiten erfolgen muss. Wir importierten in der Vergangenheit, als dieses Importverbot noch nicht galt, Fleisch aus Großbritannien in der Größenordnung von noch nicht mal 100 Tonnen pro Jahr. Das bedeutet eine Größenordnung, die wir wirklich vergessen können. Ich bin überzeugt, selbst wenn das Importverbot aufgehoben würde, niemand, kein Verarbeiter würde etwa Fleisch aus Großbritannien einführen. Das ist also völlig klar. Wir müssen aber auch darauf Rücksicht nehmen, dass große Teile der Verbraucherschaft - und deswegen kommt ja die Haltung der Länder auch zu Stande - sagt, Moment mal, wir wollen es aber auch noch genauer wissen. An dieser Stelle sind wir!

    Müller: Herr Funke, trägt denn diese Haltung der Bundesländer, Ihre Haltung, die der Gesundheitsministerin, auch die Haltung aus Paris nicht dazu bei, dass das Votum der Expertenkommission erschüttert wird beziehungsweise dass das Vertrauen der Verbraucher verloren geht?

    Funke: Nein, es kommt darauf an, wie man damit umgeht. Die Kollegin Fischer genau wie ich wir haben ja auch mit dem Kollegen Brown darüber gesprochen. Was man nicht machen kann ist, wie es ja teilweise zumindest in einem anderen Land geschehen ist, dass man nun versucht, mit Gewalt etwas zu ändern, dass man propagandistisch das Thema aufarbeitet. Das führt dann dazu, dass man in Großbritannien französische Waren aus den Regalen herausnimmt, praktisch als Akt der Wiedervergeltung. Das alles können wir überhaupt gar nicht gebrauchen. Wir können auch nicht handelskriegerische Zustände gebrauchen. Nein, diese Gespräche, die wir miteinander führen, um eine vernünftige Grundlage zu haben, um das, was an Informationen noch gewünscht wird, auch zu bekommen, die entsprechenden Kommissionen beziehungsweise Institutionen der Kommissionen, die sich um die Frage der Sicherheit in Großbritannien gekümmert haben, die werden zusätzliche Informationen geben müssen. Das werden sie auch tun; das ist zugesagt. Dann gibt es noch eine Frage, die in dem Zusammenhang auch zu klären ist: Wie setzen wir denn in Europa das Herkunftssicherungssystem in Sachen Rindfleisch in den nächsten Jahren generell um.

    Müller: Warum ist das so schwer, Herr Funke, mit der Etikettierung?

    Funke: Ganz einfach, weil einige Länder in Europa - ich sage es mal etwas vorsichtig - nicht so schnell ihre Hausarbeiten gemacht haben, wie sie es als gute und gelehrige Schüler hätten tun sollen.

    Müller: Können Sie sich an die Länder erinnern?

    Funke: Ja. Das sind die Länder, die sicherlich manchmal auch von ihrem staatlichen Aufbau her nicht so schnell reagieren können, wie wir es bei uns gewohnt sind. Die Südschiene in Europa ist damit noch nicht so weit, als dass wir es jetzt schon, wie eigentlich beschlossen und gefordert, zum 1.1.2000 umsetzen könnten. Ich hoffe sehr, dass wir das nicht auf die lange Bank schieben müssen, dass wir es dann spätestens ab 2001 haben werden. Ich werde in der nächsten beziehungsweise übernächsten Woche im Agrarrat noch einmal darauf drängen und das auch hervorheben, wie notwendig es ist, um auch die Sicherheit für die Verbraucherschaft zu schaffen, gerade auf dem Hintergrund dieser BSE-Krise.

    Müller: Wie groß, Herr Funke, ist denn das wirtschaftliche Interesse - wir haben es eben schon ganz kurz angesprochen - der französischen und auch der deutschen Bauern, Importe zu verhindern?

    Funke: Ich habe eben die Größenordnung genannt. Wir haben vor in Kraft treten des Importstopps maximal 100 Tonnen britischen Rindfleisches importiert.

    Müller: Und das ist irrelevant?

    Funke: Es ist ökonomisch völlig ohne Bedeutung. Das geht dann in die Verarbeitung oder ist in die Verarbeitung bei uns gegangen, ist also auch nicht als Braten auf den Tisch gekommen. Ich gebe zu, in Frankreich hat das andere Größenordnungen. Aber Rindfleisch aus Großbritannien hat bei uns auf dem Markt noch nie eine Rolle gespielt. Nein, wichtig ist - und da beginnt das ökonomische Interesse -, dass die Verbraucherschaft weiß, Sicherheit liegt bei uns an erster Stelle, damit die Verbraucherschaft wieder Vertrauen hat und Rindfleisch kauft und Rindfleisch genießt. Das ist das entscheidende. Hier beginnt die Ökonomie, nicht in den 100 Tonnen, die maximal mal bei uns importiert worden sind.

    Müller: Ist der wahre Grund, Herr Funke, der Überschuss an Produktion?

    Funke: Nein, auch nicht. Wie gesagt, bei uns spielt das englische Rindfleisch überhaupt gar keine Rolle. Sie kriegen ja dadurch die Überschussgeschichte, die Überschussproduktion in Rindfleisch überhaupt nicht weg, indem sie einen Importstopp machen, denn das Fleisch ist ja nun zumindest in England vorhanden. Damit lösen Sie, wenn die Vorstellung irgendwo im Kopfe sein sollte, überhaupt nicht das Überschussproblem in Europa, was Rindfleisch anbelangt. Sie lösen das Überschussproblem nur, wenn die Käuferschaft wieder Vertrauen fasst, Rindfleisch kauft in Europa, und wenn sie gleichzeitig qualitativ hochwertiges Rindfleisch aus den verschiedensten Ländern Europas, ob aus Irland, ob aus Frankreich oder aus Deutschland, in außereuropäische Länder exportieren können. Dann läsen sie es. Alles andere, ob in Form des Boykottes bis hin zur Einlagerung, löst die Überschussprobleme auf einem Markt oder einem Sektor des Marktes überhaupt nicht. Das wissen wir alle auch aus der Vergangenheit.

    Müller: Letzte Frage, Herr

    Funke: Wie groß ist der politische Flurschaden jetzt schon?

    Funke: Er liegt natürlich vor allem auch im Atmosphärischen. Da gebe ich Ihnen völlig Recht. Ich habe das schon in den letzten Wochen auch auf europäischer Ebene gespürt, dass man doch meint, hier würde aus vordergründigen Gründen, aus politischen Gründen zum Beispiel Richtung Großbritannien Stellung bezogen. Man muss - und das haben sowohl die Kollegin Fischer als auch ich getan - immer wieder den Großbritanniern deutlich machen, dass es darum auf gar keinen Fall geht. Das versteht im übrigen der britische Kollege auch sehr gut, wenn man ihm vernünftig darüber redet und nicht den Eindruck erweckt, wir sagen jetzt mal nein und damit hat sich’s. Wir wollen ja auch nicht provozieren, dass Großbritannien zum Europäischen Gerichtshof schreitet. Das ist ja alles nicht erfreulich, wenn die Länder sich gegenseitig verklagen. Wir sind ja auch auf anderen Gebieten förmlich auf uns angewiesen, müssen zusammenarbeiten. Da können wir es uns eigentlich nicht leisten, uns aus welchen Gründen auch immer gegenseitig vor Gericht zu bringen. Also miteinander reden, wie wir es in Deutschland zumindest in den vergangenen Wochen immer getan haben, und versuchen, gegenseitig auch Verständnis zu entwickeln.

    Müller: Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke war das. - Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören nach Berlin.