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Welche Interessen verfolgt die Türkei im Irak-Konflikt

Durak: Welche Interessen verfolgt die Türkei entlang dieses Irak-Krieges. Wir haben ja das wochenlange, tagelange Hin und Her in den Verhandlungen mit den USA erlebt. Die EU schaut mit Argusaugen auf den potentiellen Beitrittskandidaten, ähnlich die NATO und auch die türkische Kurdenpolitik ist wichtig. Worin bestehen die türkischen Interessen an den Kurden? Ich will darüber mit Professor Nail Alkan sprechen. Er ist Leiter des Instituts für Europaforschung an der Universität in Ankara. Schönen guten Morgen!

    Alkan: Guten Morgen!

    Durak: Wie erklären Sie sich, dass die Europäer, vor allem aber auch die USA außerordentlich wachsam auf die Absichten der Türkei im Nordirak schauen?

    Alkan: Ich glaube, dass vor allen Dingen die USA und auch die europäische Union die Türkei etwas passiv haben möchten. Sie möchten, dass sich die Türkei nicht allzu aktiv in die Region mit einmischen soll. Es kann sein, dass dort eventuell ein Kurdenstaat gegründet wird. Da versucht man, so glauben wir, zu erreichen, dass sich die Türkei zurückhält. Dabei ist natürlich nicht ganz verständlich, dass gesagt wird, dass sich die Türkei bitte nicht aktiv in den Irak-Krieg einmischen solle, sie soll also keine Soldaten schicken. Dann ist die Frage, was die Engländer dort machen. Irgendwie versuchen wir zu verstehen, warum die Türkei nicht an dem Irak-Krieg teilnehmen soll. Die Türkei will ja auch im Irak keinen Boden gewinnen. Darum geht es ja nicht. Es geht einfach darum, dass die Türkei stark betroffen ist, denn der Irak ist ein Nachbar der Türkei. Wenn also Probleme mit dem Irak auftauchen, ist die Türkei als nächster Staat betroffen. Deshalb möchte die Türkei auch aktiv an der Irak-Politik teilnehmen.

    Durak: Die Türkei hätte ja auch aktiver als jetzt teilnehmen können, wenn sie die Überflugrechte und die Stationierung der amerikanischen Truppen gestattet hätte. Dies ist, wie man hört wegen finanziellem Hin- und Herrechnen, nicht geglückt. Nun unterscheidet die Türkei von Großbritannien das Kurdenproblem. Täuscht der Eindruck oder traut die türkische Regierung den Versicherungen der autonomen irakischen Kurden nicht, dass sie eben kein Großkurdistan anstreben?

    Alkan: Ja, ich glaube, die Türkei vertraut eben nicht ganz den Worten der Kurden. Was ist denn, wenn der Staat wirklich gegründet wird? In der Türkei gibt es selber ein Problem mit den Kurden, so dass sie nicht ganz vertraut. Sie möchte also schon die Kontrolle selbst über dieses Problem beibehalten. Auf der anderen Seite hat die Türkei nicht aktiv an dem Irak-Konflikt teilgenommen. Sie hat der USA die Überflugrechte zuerst nicht gegeben. Vielleicht kann man das auch so verstehen, dass sich die Türkei noch nicht genau entschieden hatte, auch welcher Seite sie im Irak-Konflikt teilnehmen wollte. Sie hat sich wohl bei den Überlegungen, ob sie sich den USA oder Frankreich und Deutschland anschließen sollte, ein bisschen Zeit genommen. Sie wollte einfach wissen, ob der Krieg stattfinden würde. Findet er statt, wollten sie mit den USA teilnehmen. Findet er nicht statt, wollten sie sich Deutschland und Frankreich anschließen. Die Türkei ist ja auch ein Staat, der in die EU aufgenommen werden will. Deshalb darf sich die Türkei auch die Politik mit Deutschland und Frankreich nicht verscherzen.

    Durak: Wie wichtig ist denn der Türkei die Regelung des Kurdenproblems aus der Sicht Ankaras? Würde der EU-Beitritt unter Umständen gefährdet und man wendet sich eher der islamischen Welt zu?

    Alkan: Nein, die Türkei wird sich nicht der islamischen Welt zuwenden. Für die Türkei ist das Kurdenproblem natürlich sehr wichtig. Das ist eben ein Problem, womit sich die Türkei seit mehreren Jahrzehnten beschäftigt. Sie wissen, dass die Türkei ein großes PKK-Problem hatte. Da sind im Konflikt mit der PKK auf beiden Seiten an die 30.000 Personen gestorben. Die Türkei hat diesen Konflikt zur Zeit unter Kontrolle und möchte nicht, dass er wieder aus den Fugen gerät. Deshalb will sie die Kontrolle, wenn ein solcher Staat gegründet werden soll, behalten. So ein Kurdenstaat wäre ein Nachbarstaat der Türkei. Da will die Türkei einfach mitreden.

    Durak: Das ist aber ein Nachbarstaat.

    Alkan: Ja, das ist ein Nachbarstaat. Deshalb will die Türkei, sollte ein Nachbarstaat von den Kurden gegründet werden, mitreden.

    Durak: Wenn sich denn die Kurden im Irak weiter autonom bewegen können, dann müsste es doch eigentlich kein türkisches Interesse geben, da weiter zu intervenieren.

    Alkan: Ja, das ist richtig. Wie gesagt, es ist ja noch nicht klar, wie das Ganze jetzt weitergeht. Es ist noch nicht klar, in wieweit der Krieg jetzt fortgeführt wird. Es ist noch nicht klar, was mit den Kurden passiert und ob jetzt ein Kurdenstaat gegründet wird. In der Türkei wird doch zur Zeit die gesamte Lage beobachtet. Man schaut was jetzt geschieht, wie es mit dem Krieg weitergeht, ob die Türkei jetzt noch aktiver eintreten soll, was mit den Kurden geschieht. Es wird also zur Zeit in der Türkei beobachtet. Die Türkei möchte einfach die Kontrolle in der Außenpolitik beibehalten.

    Durak: Teilen denn die Studenten, die Sie haben, Ihre Meinung? Wie ist die Stimmung in der Bevölkerung zu diesem Problem. Soll die Türkei das Kurdenproblem auf jeden Fall in der Hand behalten und auch einmarschieren?

    Alkan: Insgesamt sind auch viele Teile der Türkei gegen den Krieg. Das ist erst einmal der Hauptaspekt. Die Bevölkerung der Türkei ist gegen den Krieg. Das Kurdenproblem ist ein Problem, womit die Türkei schon seit Jahren kämpft. Es sind auch sehr viele Menschen dadurch gestorben. Deshalb versuchen die Menschen in der Türkei, das Problem zu kontrollieren. Es geht jetzt gar nicht darum, etwas aktiv zu unternehmen, sondern zu kontrollieren. Wenn etwas entschieden wird, will die Türkei mit entscheiden. Darum geht es der Türkei.

    Durak: Vielen Dank, Herr Alkan!

    Link: DeutschlandRadio- Aktuell

    Link: Interview als RealAudio