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Welche Korrekturen am Preissystem der Bahn sind notwendig?

    Heuer: Über die Zukunft der Deutschen Bahn wollen wir jetzt mit Albert Schmidt sprechen, dem verkehrspolitischen Sprecher der Grünen. Guten Tag, Herr Schmidt.

    Schmidt: Guten Tag, Frau Heuer.

    Heuer: Der Vertrag von Herr Mehdorn ist verlängert worden bis 2009, zwei Vortandsmitglieder sollen aber gehen. Kann Mehdorn denn unter diesen Umständen blieben? Denn auch er ist ja verantwortlich für das Desaster mit dem neuen Preissystem.

    Schmidt: Die Verlängerung des Vertrages ist natürlich ein Vertrauensvorschuss, der darin begründet liegt, dass mit der Entlassung sowohl des Führungspersonals im Personenverkehr als auch mit der Ankündigung, jetzt endlich Korrekturen beim Fahrpreissystem zu machen, nicht länger die Resistenz vorherrscht, sondern die Bereitschaft, den Fahrgästen wieder ein großes Stück entgegenzukommen. Zweifellos wird es, wie bei jedem anderen Unternehmen in den nächsten Monaten und Jahren darauf ankommen, inwieweit es gelingt, mit einer offensiven und überzeugenden Strategie, wieder mehr Fahrgäste für die Bahn zu gewinnen und damit auch bessere Zahlen zu schreiben. Der wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens ist sicherlich immer eng verbunden mit der persönlichen Verantwortung des Spitzenmanagements.

    Heuer: Das Preissystem soll verändert werden, im Vorfeld der heutigen Sitzung des Aufsichtsrates war auch davon die Rede, es könne möglicherweise ganz abgeschafft werden. Hielten Sie letzteres für notwendig, Herr Schmidt?

    Schmidt: Warum lassen wir nicht die Fahrgäste entscheiden? Zweifellos bietet ja das neue Fahrpreissystem für all diejenigen durchaus Vorteile, die bereit sind, sich frühzeitig auf einen bestimmten Zug festzulegen. Die können in der Tat mit der Kombination aus verschiedenen Rabatten durchaus Schnäppchenpreise erzielen. Nun gibt es aber ganz offensichtlich eine große Gruppe von Fahrgästen der Bahn, die gerade den Systemvorteil der bahn, nämlich zum Bahnhof gehen und losfahren, nutzen wollen, die also als Spontanreisende auch attraktive Preise wollen. Und da wäre doch durchaus denkbar, dass man diesen Fahrgästen mit diesen Bedürfnissen eine Bahncard anbietet, ergänzend zur Auswahl stellt, die im Einstandspreis möglicherweise teurer ist, aber bei der Einzelfahrt, auch für spontane und flexible Zugentscheidung ordentliche Rabatte bietet vergleichbar mit der früheren Bahncard 50. Das kennt man übrigens auch im Bereich des mobilen Telefonierens, wo man auch verschiedene Vertragsarten wählen kann. Das wäre eigentlich die Möglichkeit, den Fahrgast selbst zur Abstimmung zu bitten.

    Heuer: Herr Schmidt, Sie haben gerade gesagt, man solle die Fahrgäste entscheiden lassen - die haben sich ja deutlich entschieden, sonst wäre ja die Bahn nicht in Schwierigkeiten geraten mit ihrem neuen Preissystem.

    Schmidt: Da sie nur die Alternative hatten, sich entweder frühzeitig an einen Zug zu binden, wenn sie die Sonderpreise haben wollen oder es eben bleiben zu lassen oder dann noch unvertretbar hohe Stornogebühren, die als Strafgebühren empfunden wurden, zu bezahlen. Und da haben sie sich im Zweifel im Einzelfall auch mal entschieden, auch mal ganz draußen zu bleiben.

    Heuer: Und das alles wollen Sie jetzt mit dieser Änderung, die Bahncard wieder einzuführen mit starken Rabatten, ändern?

    Schmidt: Man muss noch mal deutlich sagen, es gibt Menschen, die sind Spontanreisende und die wollen sich diesen Vorteil nicht nehmen lassen dadurch, dass die dann höhere Preise bezahlen müssen. Diesen Menschen muss man entgegenkommen, die finden bisher kein Angebot. Das würde ich nach wie vor befürworten. Allerdings muss ich auch sagen, die Verkehrspolitik kann hier nur Ratschläge erteilen, die Verantwortung für den operativen Job liegt beim Vorstand.

    Heuer: Herr Schmidt, Sie selber waren im Aufsichtsrat der Bahn bis zum Jahreswechsel, Sie haben das Preissystem also mitgebilligt?

    Schmidt: Nein, als im Frühjahr letzten Jahres das Fahrpreissystem dem Aufsichtsrat vorgestellt wurde, wurde es ja nur zur Kenntnis gegeben. Das hat nicht der Aufsichtsrat beschlossen, das ist Sache des Vorstandes. Ich war damals in dieser Sitzung der einzige, der laut und deutlich mit kritischen Rückfragen genau die Dinge in Zweifel gezogen hat, die jetzt geändert werden sollen. Die hohen Straf- oder Stornogebühren, die vielen Einschränkungen, ich höre jetzt zum Beispiel, dass man endlich bereit ist, die Wochenendbindung für den Plan- und Sparpreis 40 abzuschaffen. Das heißt, es muss nicht mehr ein Wochenende zwischen Hin- und Rückfahrt liegen, wenn man die höchste Rabattstufe bekommen will. Das sind Dinge, die ich damals kritisiert habe und in Frage gestellt, ohne dass der Aufsichtsrat allerdings darüber beschließen kann.

    Heuer: Hartmut Mehdorn möchte daran festhalten, die Bahn an die Börse zu bringen. Ist denn dieses Unternehmen in der jetzigen Lage überhaupt börsenfähig?

    Schmidt: Die Botschaft des heutigen Tages ist eine dreifache. Erstens: man zieht Konsequenzen beim Management und löst vor allen diejenigen ab, die aus der Luftfahrt gekommen sind. Zweitens: man ist endlich bereit, beim Fahrpreissystem nachzuarbeiten und den Fahrgästen entgegenzukommen. Die dritte Botschaft ist: der Börsengang wird faktisch auf absehbare Zeit verschoben. Das macht doch keinen Sinn, jetzt vom Börsengang zu phantasieren, während man in die roten Zahlen fährt. Man muss erst mal positive Geschäftsergebnisse herstellen und dann kann man über Kapitalmarktfähigkeit reden. Ich sehe jedenfalls derzeit nicht, dass die Aktionäre für die B-Aktien Schlange stehen.

    Heuer: Derzeit sehen Sie es nicht, würden Sie eine Prognose wagen, wann Sie es sehen?

    Schmidt: Ich glaube, es geht überhaupt nicht um Börsengang in dem Sinne, wie man sich das vielleicht bei der Telekom vorgestellt hat sondern es geht wenn, dann darum, die Bahn in die Lage zu versetzen, wie jedes andere Unternehmen auch auf dem Kapitalmarkt selbst Kredite aufzunehmen und deren Bedienung wieder zu erwirtschaften. Das verstehe ich unter Kapitalmarktsfähigkeit und davon sind wir noch ein gutes Stück entfernt. Es hängt ja von allen möglichen Bedingungen ab: von der Konjunkturentwicklung, von der Arbeit des Vorstandes, vom Fahrgastverhalten, ich wage hier keine Prognose. Jedenfalls die ursprüngliche Zielzahl 2005 halte ich für völlig illusorisch.

    Heuer: Albert Schmidt war das, der verkehrspolitische Sprecher der Grünen. Ich danke Ihnen für das Gespräch, guten Tag nach Berlin.

    Schmidt: Ich danke auch. Tschüs.