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Welchen Einfluss nehmen PR-Berater und Lobbyisten auf die Politik?

    Meurer: Was spielt sich ab zwischen PR-Beratern, Lobbyisten und der Politik? Kommt die Politik auf den Hunzinger? Darüber möchte ich mich mit Horst Eylmann unterhalten. Bis 1998 war er Mitglied im Bundestag, Vorsitzender des Rechtsausschusses, und in den 80er Jahren saß er im Flick-Untersuchungsausschuss. Herr Eylmann, haben Sie Herrn Hunzinger damals in Bonn kennen gelernt?

    Eylmann: Ich glaube, flüchtig, auf irgendwelchen Empfängen mal, aber ich kann mich an ein konkretes Gespräch nicht erinnern. Er hat nie ein Gespräch mit Wirtschaftsleuten für mich vermittelt.

    Meurer: Aber Sie haben schon gewusst, dass es einen Moritz Hunzinger gibt?

    Eylmann: Ja, natürlich.

    Meurer: Wie haben Sie ihn damals eingeschätzt? Was hat man so über ihn geredet?

    Eylmann: Da habe ich auch keine konkrete Erinnerung. Er gehörte zu den Leuten, die Kontakte zwischen der Wirtschaft und den Abgeordneten vermitteln, und dagegen ist im Grunde auch nichts zu sagen. Ich habe mich eigentlich immer gerne mit Interessensvertretern unterhalten, denn man erfährt da so manches, was man von der Ministerialbürokratie nicht erfährt. Man muss nur diese Informationen, die man dort bekommt, kritisch bewerten, und man muss mit verschiedenen Leuten, auch mit Leuten gegensätzlicher Interessen sprechen. Dann ist das alles eine nützliche Geschichte.

    Meurer: Wie anrüchig ist denn das, was der PR-Unternehmer Hunzinger macht, oder ist es letztlich in Ordnung?

    Eylmann: Grundsätzlich ist nichts dagegen einzuwenden, dass es PR-Leute gibt, die diese Gespräche zwischen Politikern und Vertretern der Wirtschaft oder anderer Interessengruppen vermitteln. Wenn sie das auf Veranlassung der Interessengruppen tun und sich von denen bezahlen lassen, ist ja alles in Ordnung. Sie dürfen nur keine finanziellen Geschäfte mit den Politikern machen, oder andersrum ausgedrückt: Die Politiker müssen auf strikten Abstand halten und dürfen kein Geld annehmen. Mag das auch noch so legal sein, die Politiker müssen einsehen, dass sie manches nicht dürfen, was andere Menschen dürfen. Ich wundere mich immer wieder über die Unverfrorenheit, mit der dann erwischte Politiker erklären, das sei doch alles völlig legal gewesen. Darauf kommt es eben nicht an. Der Pfarrer darf nicht ins Bordell gehen, und der Politiker darf kein Geld von Wirtschaftsleuten annehmen, mag auch beides legal sein.

    Meurer: Und was würden Sie dann konkret sagen, Cem Özdemir zum Beispiel mit seinem Kredit oder Roland Koch mit den 200.000 Mark für sein Buch?

    Eylmann: Ich halte das in beiden Fällen für falsch, und das haben wohl auch beide eingesehen, denn da entsteht sofort der Verdacht, der böse Schein, dass auf diese Weise ja der Politiker doch sanft beeinflusst werden soll, zugunsten der einen oder anderen Sache, und das ist eben verkehrt.

    Meurer: Glauben Sie, dass Hunzinger ein Einzelfall ist?

    Eylmann: Nein. Einmal sind Politiker aus allen Parteien betroffen, das wissen wir ja schon seit Jahren. Und ich glaube, dass alle oder viele PR-Agenten und natürlich auch viele Vertreter der Interessengruppen versuchen, auf diese Weise die Politik zu beeinflussen. Das wird man kaum verhindern können. Der entscheidende Schlüssel liegt bei den Politikern selbst. Sie müssen den Abstand halten, und sie müssen von vorne herein klar machen, dass sie auf diesem Feld nicht ansprechbar sind. Ich bin gerade in den letzten Tagen gefragt worden, ob ich denn auch in Versuchung geraten sei. Ich kann mich an keinen konkreten Fall erinnern, was aber daran liegen mag, dass ich gar nicht angesprochen worden bin.

    Meurer: Sie haben vielleicht im falschen Ausschuss gesessen.

    Eylmann: Ja, das mag sein. Ich habe natürlich nun auch mit Verbänden zu tun gehabt wie dem Anwaltsverein oder dem Richterbund. Die klimpern nicht mit dem Geld in der Tasche. Aber es hat natürlich auch viele Gespräche mit Wirtschaftsvertretern gegeben, die natürlich an manchem Gesetzgebungsverfahren, zum Beispiel erinnere ich mich an die Insolvenzreform, auch ein großes Interesse haben. Aber das waren sachliche Gespräche. Da hat das andere nie eine Rolle gespielt.

    Meurer: Erinnert Sie das, was jetzt geschieht, an Flick, oder war das doch eine ganz andere Dimension?

    Eylmann: Ja, das waren andere Dimensionen, aber ähnlich ist natürlich, dass auch dort versucht worden ist, mit finanziellen Zuwendungen politische Entscheidungen zu beeinflussen. Da gibt es natürlich in der Dimension riesige Unterschiede zwischen dem Fall Özdemir und dem, was damals passiert ist, aber im Kern ist es immer wieder dasselbe. Man versucht, Politiker durch finanzielle Vergünstigungen und Zuwendungen zu beeinflussen. Das ist ein altes Problem der Demokratie.

    Meurer: Sind keine Lehren aus der Flick-Affäre von damals gezogen worden?

    Eylmann: Kaum. Wenn Sie mal in dieser Größenordnung bleiben, wenn dann einige Jahre später ein Kanzler zwei Millionen annimmt und nicht sagt, wer der Spender ist, obwohl er genau weiß, dass das nun wirklich illegal ist, dann kann man nur sagen: Es ist keine Lehre daraus gezogen worden.

    Meurer: Haben Sie eine Idee, was man machen könnte? Das Abgeordnetengesetz beispielsweise verschärfen?

    Eylmann: Immer wenn so etwas passiert, ruft man nach dem Gesetzgeber. Man verkennt dabei, dass der Gesetzgeber nicht alles regeln kann. Es gibt außerhalb des gesetzlichen Rahmens Regeln des Anstands. Ich glaube, feststellen zu müssen, dass nicht nur in der Politik, sondern auch in anderen Bereichen - ich nenne nur die Wirtschaft in den USA und bei uns - zunehmende ein Gefühl dafür verschwunden ist, was man tut, und was man nicht tut, was also anständig und unanständig ist. Es gibt vieles, was unanständig ist, was aber nicht verboten. Man kann nicht alles per Gesetz regeln. Die Selbstreinigung der Parteien funktioniert sicherlich sehr stockend, aber es bringt natürlich auch immer etwas, wenn diese Fälle in die Öffentlichkeit kommen, wenn sie aufgedeckt werden und dann natürlich die betroffenen Politiker merken, dass ihr Ruf stark gelitten hat, wenn sie noch dafür ein Gefühl haben. Und sie müssen natürlich auch wissen, dass sie damit unser politisches System beschädigen, denn wir wissen doch alle, dass das Ansehen der Politiker gerade in den letzten Jahren stark gesunken ist.

    Meurer: Vielen Dank für das Gespräch.

    Link: Interview als RealAudio