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Welches Gericht soll internationale Terroristen aburteilen dürfen?

    Engels: US-Präsident Bush hat kürzlich die Regelung erlassen, wonach ausländische Terroristen künftig vor Militärtribunale gestellt werden können. Dies würde den Sondergerichten im Unterschied zu regulären Richtersprüchen außergewöhnliche Vollmachten geben. Zuletzt waren Verurteilungen vor US-Militärtribunalen während des Zweiten Weltkrieges möglich. Bei Menschenrechtsgruppen in den USA und in Deutschland sorgt dieses Vorgehen für Kritik. Am Telefon ist nun Fritz Behrens, der Innenminister in Nordrhein-Westfalen und Mitglied der SPD. Guten Morgen Herr Behrens!

    Behrens: Guten Morgen Frau Engels.

    Engels: Herr Behrens, die UN-Menschenrechtskommission kritisiert, in solchen US-Tribunalen sei für die Angeklagten das Recht auf juristischen Beistand während der Haft nicht garantiert. Ist das denn für einen Rechtsstaat hinnehmbar?

    Behrens: Ich bin nicht sicher, dass dies wirklich richtig ist, dass rechtlicher Beistand nicht ausreichend garantiert sei, aber ich bin aus anderen Gründen sehr skeptisch, ob die Verurteilung von internationalen Terroristen - man stelle sich Bin Laden dort vor - der richtige Weg ist, um zum Frieden und zum Rechtsfrieden in der Welt zu kommen. Deshalb habe ich alternativ vorgeschlagen, doch einmal zu überlegen, ob der Internationale Strafgerichtshof, den es ja schon theoretisch und teilweise auch praktisch mit den Tribunalen in Den Haag gibt, ein geeigneteres Gremium, ein geeigneteres Gericht wäre, vor dem man auch internationalen Terrorismus aburteilen kann.

    Engels: Sorgen Sie sich denn grundsätzlich um die Rechtsstaatlichkeit in den USA, wenn jetzt mit zweierlei Maß zwischen In- und Ausländern gemessen werden soll?

    Behrens: Nein, das ist nicht mein Problem. Mir geht es nicht um die Rechtsstaatlichkeit in den USA. Ich habe sogar großes Verständnis für den Strafanspruch der USA, denn die ganz große Mehrzahl der Opfer der Anschläge vom 11. September sind ja US-Amerikaner. Der US-amerikanische Staat hat sicherlich zurecht den Anspruch, die Täter auch verurteilen zu dürfen. Auf der anderen Seite muss man sich fragen, was denn wirklich erreicht würde durch solche Urteile und durch solche Strafverfahren. Noch einmal: Ich habe großen Zweifel, dass dies zum Frieden in der Welt beitragen könnte. Auch das Strafrecht - das sage ich als Jurist - ist dazu da, Rechtsfrieden und damit Frieden unter den Menschen zu stiften. Dazu halte ich ein Verfahren oder auch mehrere Verfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof für besser. Es gibt ihn ja, eingerichtet seit 1998 als eine Einrichtung der UN. Deutschland hat ein Ratifizierungsgesetz schon beschlossen. Das heißt wir unterstützen diese Einrichtung. Es fehlen noch entsprechende Unterschriften und Gesetze in anderen Ländern. Das könnte man sicherlich relativ schnell zu Wege bringen. Dann wären solche Verfahren vor diesem Tribunal möglich, so wie sie jetzt ja in Den Haag offensichtlich doch mit hoher Akzeptanz durchgeführt werden gegen Kriegsverbrecher aus dem ehemaligen Jugoslawien und aus Ruanda.

    Engels: Aber die USA trauen offenbar dem Internationalen Strafgerichtshof nicht genug Härte im Vorgehen gegen Terroristen zu?

    Behrens: Das müsste man zunächst einmal abwarten, denn bisher hat nach meinem Dafürhalten der Strafgerichtshof in Den Haag durchaus Härte gezeigt und richtige und gerechte Urteile gefunden. Dass die USA dort ein gewisses Misstrauen haben und dass sie selber den Strafanspruch erheben - ich sage es noch einmal -, das kann man verstehen. Dennoch ist es die Frage, ob es mittel- und langfristig politisch klug ist, darauf zu bestehen.

    Engels: Nun sind auch mehrere hundert Personen in den USA nach den Anschlägen unter Verdacht festgenommen worden. Allerdings ist dieser Tatverdacht wohl nicht sonderlich konkret. Menschenrechtsorganisationen beklagen jetzt diesen Zustand. Die Verdächtigen seien quasi interniert. Wie ist Ihre Haltung dazu?

    Behrens: Das kann man von hieraus sehr schwer beurteilen, denn die Amerikaner sind auch mit Informationen über das, was sie an Verdachtsmomenten haben, sehr zurückhaltend. Ich gehe bis zum Beweis des Gegenteils davon aus, dass dort in den USA, dem Mutterland der Demokratie, ein rechtsstaatliches Verfahren durchgeführt wird und dass die Freiheitsrechte und die Verteidigungsrechte auf internationalem Niveau dort auch den Inhaftierten gewährt werden.

    Engels: Kommen wir auf die deutsche Innenpolitik zu sprechen. CDU-Chefin Angela Merkel greift heute in der "Bildzeitung" einmal mehr die Bundesregierung scharf an. Man müsse schärfer gegen die 31000 in Deutschland registrierten radikalen Islamisten vorgehen und sie ohne Zögern ausweisen. Auch der Bürger fragt sich, warum das nicht geschieht?

    Behrens: Das ist natürlich eine sehr pauschale Behauptung, die so in der Allgemeinheit nicht stimmt und auch deutlich zurückgewiesen werden muss. Es ist zunächst einmal nicht Aufgabe der Bundesregierung, hier etwas zu tun, außer die Rechtsgrundlagen zu verändern. Das tut die Bundesregierung mit dem Gesetzentwurf, der jetzt in Bundestag und Bundesrat beraten wird zur Antiterrorismusbekämpfung. Das Problem ist, dass man Vereinen und einzelnen Mitgliedern nachweisen muss, dass sie sich in bestimmter Weise verhalten haben. Bisher war es sehr schwierig, an entsprechende Informationen und damit an Beweise heranzukommen, die gegebenenfalls auch vor Gericht standhalten. Deshalb wollen wir alle, ob nun CDU- oder SPD-regiert, in den Ländern unsere Erkenntnisse über solche extremistische Organisationen verbessern. Wir wollen bessere Zugänge bekommen. Wir wollen die Rechte der Sicherheitsbehörden, der Verfassungsschutzämter verbessern. Wir statten sie erheblich besser aus, in Nordrhein-Westfalen allein zusätzlich 71 Mitarbeiter im Verfassungsschutz, um dort an Beweise heranzukommen, die dort gesammelt werden müssen. Dann wird es sicherlich auch Verbote von Vereinen und Ausweisungen von führenden Vereinsmitgliedern geben. Das allerdings wird sich ganz gewiss nicht in einer Größenordnung von 30000 abspielen, denn in der Regel sind das einfache Mitglieder, sind das Mitläufer, denen man so nicht zu Leibe rücken kann.

    Engels: In welchem Umfang werden denn möglicherweise Ausweisungen vorgenommen werden?

    Behrens: Es wird zunächst einmal - davon gehe ich aus - zum Verbot von einzelnen Vereinen kommen. Das ist möglich, wenn etwa Mitte Dezember die Änderung des Vereinsgesetzes in Kraft tritt. Damit ist das Religionsprivileg dort dann gestrichen und wir können Vereine, die unter dem Deckmantel, ihre Religion ausüben zu wollen, anderes im Schilde führen, Hetze etwa betreiben, gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung aufrühren, verbieten und das wird sicherlich geschehen. Etwas anderes ist die Frage: was geschieht mit den Führern solcher Vereine. Da braucht man in jedem Einzelfall Begründungen dafür, dass man sie außer Landes bringen kann. Das scheitert an der einen oder anderen Stelle dann, wenn der Betreffende in seinem Heimatland - nehmen wir das Beispiel Türkei - mit der Todesstrafe bedroht ist. In einem solchen Fall brauchen wir zuvor vom Heimatland, also von der Türkei, wenn ich etwa an Metin Kaplan denke, eine Garantieerklärung, dass die Türkei auf den Vollzug der Todesstrafe verzichten wird. Dann können wir ihn auch ausweisen; dann werden wir ihn ausweisen.

    Engels: Der nordrhein-westfälische Innenminister Fritz Behrens war das in den "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk. - Ich danke Ihnen für das Gespräch!

    Behrens: Bitte sehr Frau Engels.

    Link: Interview als RealAudio