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Wellness und Kultur

Die Benediktinermönche, die vor neun Jahrhunderten auf dem Mühlenberg von Zülpich einen Brunnen bohrten, hatten keine Ahnung davon, dass sie mitten in eine antike Thermenanlage gestoßen waren und den Boden des Tepidariums, eines römischen Warmbades, zerstört hatten. Aber mit ihrer Brunnenbohrung waren sie schon am richtigen Ort: Bereits die Römer hatten an derselben Stelle ihr Thermenwasser gewonnen.

Von Katja Lückert | 01.09.2008
    All das kam zwar schon vor rund achtzig Jahren im Zuge von Kanalbauarbeiten ans Licht, aber obwohl sich Zülpich in der Eigenwerbung selbstbewusst "Die Römerstadt" nennt, gab man sich mit der Präsentation dieses archäologischen Bodendenkmals keine große Mühe, wie sich Heinz Günter Horn, Vorsitzender des wissenschaftlichen Museums-Beirats erinnert:

    "Wenn Sie vor 15 Jahren dieses Museum besucht hätten, man ging durch einen sehr engen Raum in einen Kellerraum, es war ganz feucht, es waren überall die üblichen Feuchtlampen zu sehen, die dann auch vermost waren und es waren überall die Tropfnasen dran, also vor fünfzehn Jahren, da war das abgestützt, ein Stollenbau im Ruhrgebiet hätte nicht anders aussehen können."

    Das hat sich jetzt gründlich geändert. In einer hohen Halle mit weißen Wänden wird der Besucher von Lichtinstallationen begrüßt, die das Spiel von Wellen in blauem Licht auf den Boden projizieren - aus Lautsprechern kommen platschende und klatschende Geräusche, wie sie angeblich in einem frigidarium, einem römischen Kaltbad, zu hören waren.
    Und dann sieht man sie, die Römer, wie sie mit weißen Baumwolltüchern um die Hüften geschlungen im Warmbad sitzen, sich mit flachen Metalllöffeln - denn Seife gab es nicht - das Öl und den Schweiß von der Haut schaben, sich massieren lassen und immer wieder in die großen Wannen steigen. Fast scheinen sie über den Ruinen des vierhundert Quadratmeter großen Areals des ehemaligen römischen Bades zu schweben. Es sind natürlich bloß Filmsequenzen, die mit Schauspielern im archäologischen Park in Xanten gedreht wurden, und die auf Leinwänden an verschiedenen Stellen der ungefähr im Jahr 150 nach Christus errichteten Badeanlage zu sehen sind.

    Tatsächlich hat man in Zülpich versucht, nicht nur die bauliche Entwicklung der Thermen über mehr als dreihundert Jahre hinweg - bis zur ihrer Umnutzung als Herberge - zu verfolgen, sondern auch ihren ursprünglichen Gebrauch durch die Bewohner Niedergermaniens so lebendig wie möglich darzustellen. Denn das Baden war in römischer Zeit eine angenehme Selbstverständlichkeit - fast wie heute in unseren Breitengraden, meint die Kunsthistorikerin Iris Hofmann-Kastner:

    "Ich denke, egal welche Zeit und welcher Ort ist, dass man sich gerne im Wasser aufhält, wenn es friedlich ist, also nicht wenn ein Tsunami kommt oder Sonstiges, aber der Körperkontakt mit Wasser ist sehr angenehm. Es ist einfach ein Bedürfnis, es ist einfach ein leichter Druck, den wir dann spüren und es ist in bestimmter Weise auch ein Zurückbeamen in den Mutterleib, wo wir ja auch im Wasser waren und es ist ein Bedürfnis von uns allen zum Beispiel zu relaxen und sich in die Badewanne zu legen."

    Die urmenschliche Sehnsucht nach einem Bad und wie ihr in den Badestuben des Mittelalters, in den prunkvollen, aber technisch fast funktionslosen Badezimmern des Barockzeitalters, oder in den Badehäusern der Arbeiter im Zuge der Industrialisierung nachgegangen wurde, zeigt das Museum streifzugartig. Auch Badewannen gibt es hier in den verschiedensten Ausführungen zu sehen: Hölzerne Badezuber, eine Schaukelbadewanne aus Gusseisen, eine praktische Truhenbadewanne aus den 50er Jahren des vergangen Jahrhunderts, die man tagsüber mit einer Holzplatte abdecken konnte, sodass sie zur Sitzbank wurde und natürlich eine Badewanne aus jener römischen Zeit, in der Zülpich noch wesentlich mehr Bedeutung hatte, als heute, erklärt Heinz Günter Horn:

    "Zülpich liegt heute etwas abseits aller großen Verkehrsadern, in römischer Zeit war das anders. In römischer Zeit lief hier unter anderem die bedeutende Staatsstraße von Trier, Köln, Lyon bis an die Mittelmeerküste Marseille, gleichzeitig zweigten hier Straßen ab, die einmal nach Neuss ging, da war ein Legionslager und ein zweites Legionslager war in Bonn. Das heißt Zülpich war früher so etwas, wie ein Dreh- und Angelpunkt des Verkehrs und dort entwickelte sich fast städtisches Leben und zum städtischen Leben gehörte es auch eine Thermenanlage zu haben. "

    Doch Herzstück und wichtigstes Exponat sind sicher die Reste der besterhaltenen römischen Thermenanlage nördlich der Alpen- wie es selbstbewusst überall zu lesen steht. Übrigens tut man sicher gut daran, die antiken Wurzeln des Badens in Zentrum der Badekultur Zülpich zu betonen. Vielleicht findet sich ja ein Investor, der der Stadt wieder ein Hallenbad beschert. Das ist nämlich im Sommer 1981 abgebrannt. Schuld war ein durchgeschmorter Ventilator - moderne Technik eben.