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Weltbischofssynode
Katholische Kirche ringt um Familienbild

Die Gräben sind tief. Auf der Weltbischofssynode vom 4. bis 25. Oktober in Rom diskutieren rund 300 Bischöfe und weitere vom Papst ernannte Experten über die künftige Haltung der katholischen Kirche zu Ehe und Familie. Homosexuelle Paare und geschiedene Katholiken sind nach wie vor die großen Streitthemen der Kirchenführer.

Von Burkhard Schäfers | 01.10.2015
    Ein junges Paar mit Kind sitzt auf einer Wiese unter einem Baum.
    Eigentlich ist die kirchliche Lehre eindeutig: Eine Ehe wird zwischen Mann und Frau geschlossen, sie ist unauflöslich, und die beiden sollen offen dafür sein, Kinder zu bekommen. (picture alliance / dpa / Hans Wiedl)
    "Es ist einfach Unfug, weil gleichgeschlechtlich liebende Menschen hat es in allen Zeiten gegeben. Dass das wider die Natur ist, ist empirisch nicht haltbar."
    Genau das aber behauptet die katholische Kirche in ihrer offiziellen Lehre – und den Theologen Michael Brinkschröder bringt das auf die Palme. Der Endvierziger arbeitet als katholischer Religionslehrer an einer städtischen Schule in München. Seine ursprünglichen Berufspläne hat ihm seine Kirche verwehrt, weil er homosexuell ist.
    "Die größte Enttäuschung war, dass ich nach meinem Theologiestudium zunächst nicht in der Kirche arbeiten konnte. Ich wollte eigentlich nach dem Diplom in Theologie promovieren über das Thema Homosexualität, die Wurzeln der Anti-Homosexualität in der katholischen Kirche. Und das war nicht möglich. Ich bin dann in die Soziologie ausgewichen. Und es war auch anschließend nicht möglich, im Bereich der Pastoral oder der Universität zu arbeiten."
    Das liegt an hohen Kirchenführern wie Raymond Burke. Der US-amerikanische Kardinal war bis vor kurzem ein wichtiger Mann im Vatikan. Burke ist der Meinung, "die homosexuelle Veranlagung" sei "eine Form des Leidens, das bestimmte Menschen befällt".
    "So ein Quatsch. Meine homosexuelle Veranlagung ist überhaupt kein Leiden. Kardinal Burke ist einer der Extremisten auf der konservativen Seite. Der Hardliner, muss man ganz klar sagen. Ich halte das für ein vollkommen verfehltes Verständnis von schwulem Leben. Das als Leiden zu betrachten, greift zurück in die Mottenkiste der Pathologisierung, Aber das ist heute kein angemessenes Verständnis mehr."
    Die Gräben kirchenintern sind tief: Bewahrer der katholischen Lehre einerseits und Reformer andererseits streiten um den richtigen Weg. Der Religionslehrer Michael Brinkschröder findet es wie viele seiner Kollegen in Deutschland absurd, was die Kirche offiziell zum Thema Homosexualität lehrt. Oder zum Thema unverheiratet zusammenleben. Und zum Umgang mit Gläubigen, deren Ehe in die Brüche ging und die noch einmal heiraten wollen. Um diese Fragen geht es bei der bevorstehenden Weltbischofs-Synode. Papst Franziskus versammelt dazu von Sonntag an in Rom Bischöfe aus aller Welt um sich. Sie debattieren drei Wochen lang über Partnerschaft, Familienbilder, gesellschaftliche Trends und die Rolle der Kirche dabei.
    "Der Papst hat einen sehr guten Riecher. Weil's ein Thema ist, das ganz, ganz viele Menschen betrifft, und zwar zu innerst betrifft. Wie gestalten wir Beziehungen, wie wollen wir leben miteinander.
    Die Gräben innerhalb der katholischen Kirche sind tief
    Ute Eberl leitet die Ehe- und Familienseelsorge im Erzbistum Berlin. Sie war vor einem Jahr als Expertin bei der außerordentlichen Bischofssynode in Rom dabei – zum gleichen Thema. Dort berichtete sie den Bischöfen aus dem Alltag der Menschen in Deutschland.
    "Ich lebe hier in Berlin, in einer Stadt, in der über die Hälfte ohne Religion leben. Und die Themen, die wir ansprechen, die kommen genauso vor in einer Familie oder in einer Partnerschaft, wo beide Partner mit Kirche gar nichts zu tun haben. Unser Grundprinzip ist, wir wollen für die Menschen da sein. Und wir sortieren nicht vor."
    Bei der am Sonntag beginnenden Familiensynode geht es um viel: Um die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche – darum, ob eine der größten Organisationen der Welt mit ihren 1,2 Milliarden Mitgliedern in der Gesellschaft noch für voll genommen wird. Deshalb wurden weltweit Gläubige befragt. Theologen haben Expertisen verfasst, Bischöfe ihre Positionen dargelegt. Eigentlich ist die kirchliche Lehre eindeutig: Eine Ehe wird zwischen Mann und Frau geschlossen, sie ist unauflöslich, und die beiden sollen offen dafür sein, Kinder zu bekommen.
    Ein lesbisches Brautpaar.
    Gleichgeschlechtliche Partnerschaften sind in der katholischen Kirche tabu und spalten damit die Gläubigen. (picture alliance /Chinafotopress/ MAXPPP / Yuan Liyang)
    Gleichgeschlechtliche Partnerschaften sind tabu. Aber: Diese Regeln haben mit dem Leben der Menschen weltweit immer weniger zu tun, sie spalten die Gläubigen. Das hat mit einem zunehmend aufgeklärten Glauben zu tun – und mit gesellschaftlichen Entwicklungen: In vielen Ländern, nicht nur im Westen, steige die Zahl der Scheidungen und von unehelichen Kindern, konstatiert die katholische Kirche in einem Papier zur Synode. Die Kluft ist unübersehbar: Hier die Paragrafen, dort die komplizierte Wirklichkeit. Dass die nun beginnende Familiensynode überhaupt stattfindet, liegt in erster Linie an Papst Franziskus. Er hebt sich ab von seinen konservativen Vorgängern Benedikt und Johannes Paul, spricht weniger von Ge- und Verboten, sagt die Berliner Theologin Ute Eberl.
    "Der Papst hat eine wunderbare Predigt über Familie gehalten. Und er hat es so gemacht, dass er ins Wohnzimmer der Familien schaut und nicht ins Schlafzimmer. Er hat also hingeschaut, was in den Familien gelebt wird und hat nicht eine Ordnung aufgestellt, wie es denn sein soll."
    Gleichgeschlechtlich liebende Menschen hat es schon immer gegeben
    Bei der Synode stehen die Positionen der Kirche zu zentralen gesellschaftlichen Fragen zur Debatte: Umgang mit Sexualität, Modelle von Partnerschaft, gleichgeschlechtliche Liebe. Bislang diskriminiere die katholische Kirche Lesben und Schwule, meint Michael Brinkschröder.
    "Homosexuelle Handlungen sind Sünde. Egal ob sie in einer festen Partnerschaft, in einer Liebesbeziehung passieren, oder mit einem schnellen, anonymen Sex. Da wird überhaupt nicht differenziert. Dann kommt noch dazu, dass auch gesagt wird, Menschen mit einer homosexuellen Orientierung neigen schon zu dieser Sünde, sozusagen intrinsisch. In sich neigen sie dazu. Das ist natürlich eine Diskriminierung."
    Das prinzipielle Denken müsse sich ändern, fordert Alois Glück. Als Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, kurz ZdK, vertritt er die katholischen Laien in Deutschland.
    "Es geht darum, dass Gebote Orientierung sein können und sollen für ein gelingendes Leben. Aber es geht nicht darum, möglichst starre Gesetze aufzustellen und Menschen dann abzustrafen."
    Selbst viele gläubige Katholiken wissen nicht einmal genau, was ihre Kirche offiziell erlaubt und was sie verbietet. Sie leben unverheiratet mit ihrem Partner zusammen, heiraten zwei Mal, haben Kinder aus verschiedenen Partnerschaften.
    "Wo man in der kirchlichen Diskussion immer wieder feststellt, dass in vielen solcher Beziehungen, die nicht eine eben amtlich dokumentierte Ehe sind, gleichwohl in vielen solchen Partnerschaften genau die Werte gelebt werden, die aus christlicher Sicht von großer Bedeutung sind: Nämlich füreinander Verantwortung übernehmen, Verlässlichkeit, Treue, Kinder erziehen."
    Fixiert auf die Beziehung der Geschlechter im Sexuellen
    ZdK-Präsident Alois Glück meint: Das, was die Mehrheit der Deutschen als persönliches Ideal beschreibt und das, was die katholische Kirche lehrt, sei gar nicht so weit auseinander.
    "Nach den Daten von 2012, Untersuchung Bundesfamilienministerium, haben über 80 Prozent der jungen Menschen bis zum 30. Lebensjahr als Leitbild Ehe und Familie. Die Menschen haben Sehnsucht nach Verbindlichkeit. Von daher gesehen ist das sogar eine Entwicklung, die sich verstärkt hat. Denn vor wenigen Jahren waren es nicht 80 Prozent der jungen Menschen, sondern 60 Prozent."
    Engagierte Katholiken fordern von ihrer Kirchenleitung einen Perspektivwechsel. Auch Alois Glück plädiert für weniger Sexualethik und mehr Beziehungsethik.
    "Die Kirche ist aus ihrer Tradition unglaublich fixiert auf die Beziehung der Geschlechter im Sexuellen. Beziehungsethik heißt, den Akzent stärker darauf setzen: Verantwortung übernehmen. Alles andere ist eigentlich eine Engführung, die zu unheimlichen Verkrampfungen und Fehlentwicklungen in der Kirche führt und geführt hat."
    Papst Franziskus hat schon bald nach seinem Amtsantritt vor zweieinhalb Jahren klargestellt: Er will keine erstarrte Kirche, sondern eine, die aus sich herausgeht. Sollte sie sich dabei Beulen holen, nehme er das bereitwillig in Kauf. Ein kluger Schachzug dabei: Der Papst ließ nicht – wie früher vor Synoden üblich – nur Theologen und Experten befragen. Sondern alle Katholiken konnten sich in einer Umfrage des Vatikans zu Wort melden. Es gab Rückmeldungen aus über 100 Ländern weltweit. Der Wiener Religionssoziologe Paul Zulehner spricht von einem neuen Stil in Rom.
    "Das ist meines Erachtens sensationell, dass er als der oberste Lehrer der Kirche keine Lehre vorlegt, sondern zur Diskussion stellt. Wenn es um eine so sensible Frage von glaubenden Menschen geht, dann können nicht Unbetroffene – nicht verheiratete und nicht geschiedene Kardinäle – über die Wege von verheirateten Paaren entscheiden. Und jetzt werden sie sich hinsetzen müssen und sagen: Welche Lehren ziehen wir jetzt aus dem, was wir von den Menschen gelernt haben."
    Laut Vatikan gibt es weltweit 1,2 Milliarden römisch-katholische Christen. Fast die Hälfte davon in Süd- und Nordamerika, ein knappes Viertel in Europa. In Afrika sind 16 Prozent der Katholiken beheimatet, in Asien 11 Prozent. Obwohl die gesellschaftlichen Kontexte völlig unterschiedlich sind, hadern etliche Katholiken, so die Umfrage des Vatikans, mit dem klassischen Familienbild der Kirche. Das stamme eben aus einer anderen Zeit, erklärt Religionssoziologe Zulehner.
    "Damals hat ein Land zum Land geheiratet, in der ländlichen Region eine Wiese zur Wiese. Weil die Ehe eigentlich nichts mit der Liebe zu tun hatte, mit den Personen. Sondern das war ein gesellschaftliches Ereignis, welche die Stabilität der Erbfolge, des Kinderkriegens, des Aufwachsens der Kinder sichern sollte."
    Papst Franzsiskus während er Mitternachtsmesse an Heiligabend im Sankt Petersdom.
    Laut Vatikan gibt es weltweit 1,2 Milliarden römisch-katholische Christen. Obwohl die gesellschaftlichen Kontexte völlig unterschiedlich sind, hadern etliche Katholiken, so die Umfrage des Vatikans, mit dem klassischen Familienbild der Kirche. (dpa/picture alliance/epa/Alessandro di Meo)
    Dort die lange Tradition der Kirche – hier die Lebenswirklichkeit im 21. Jahrhundert: Das Bild von Partnerschaft hat sich fundamental gewandelt. Immer weniger Menschen sind bereit, beim Eheversprechen ihre Autonomie aufzugeben.
    "Wenn man sie fragt: Wollt ihr in guten und in bösen Tagen ein Leben lang miteinander verbleiben, dann sagen sie insgeheim: Gott segne unsere guten Tage. Aber, liebe Kirche, halt uns nicht fest in der Ehe, wenn die Tage nicht mehr gut sind. Dann wollen wir keine Bindung mehr. Was da passiert, in weniger als 200, 300 Jahren, war, dass die Ehe vom Vertrag zum Vertragen gewandert ist."
    Aber die katholische Kirche lehrt bis heute: Wer sich von seinem Partner trennt, darf nicht noch einmal heiraten. Katholiken, die das doch tun, leben in schwerer Sünde und dürfen nicht zur Kommunion gehen. Offiziell zumindest. Denn viele Pfarrer handeln längst anders, als es Rom verlangt, sagt der Religionssoziologe. Sie teilen auch Gläubigen, die geschieden sind und wieder geheiratet haben, die Kommunion aus.
    "Nach meinen neuesten Studien gehe ich davon aus, dass das in 85 Prozent etwa aller Pfarrgemeinden faktisch und ohne Widerspruch und ohne große Aufregung gelebt wird. Und so ist es glaube ich ganz gut, dass man diese Kluft zwischen der Praxis, die es in vielen Ländern gibt, und dem, was offiziell pastorale Weisung der Weltkirche ist, dass diese Kluft geschlossen wird. Und das hat Papst Franziskus klar gesehen und hat die Synoden angefangen."
    Der Umgang mit geschiedenen Wiederverheirateten ist kein Randaspekt. Denn viele Katholiken sind entweder selbst betroffen oder sie kennen Leidtragende – in der eigenen Familie, im Freundeskreis, in der Pfarrgemeinde. Die Kirche will verhindern, dass ihr auch die treuen Anhänger aus Ärger heraus den Rücken kehren. So sagt der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode zum Thema Wiederheirat:
    "Ob das in jedem Fall nach sich zieht, von Beichte und Kommunion ausgeschlossen zu sein, wie wir das jetzt haben, halte ich für eine ganz wichtige Frage auch der Glaubwürdigkeit der Kirche. Ob es nicht doch Umstände und einen Reifungsweg zu einer neuen Situation geben kann, der nicht von vornherein und für immer von den Sakramenten ausschließt."
    Bode ist einer der drei deutschen Delegierten, die an der Familiensynode mit insgesamt knapp 300 Bischöfen teilnehmen. Er will erreichen, dass die Kirche beim Thema Partnerschaft und Familie auch künftig noch in der Gesellschaft gehört wird und nicht nur belächelt. Zusammen mit Franz-Josef Bode fahren der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx aus München, und der Berliner Erzbischof Heiner Koch nach Rom. Dort wollen sie sich für einen Beschluss einsetzen, den die deutschen Bischöfe mit großer Mehrheit getroffen haben: Geschiedene Wiederverheiratete sollen künftig wieder zur Kommunion gehen dürfen, wenn die erste Ehe endgültig gescheitert ist und sie ihre mögliche Schuld daran bereuen.
    "Wir möchten eigentlich in der größeren Mehrheit dafür eintreten, dass man eben diese Situation prüft, unter bestimmten Kriterien und in Gesprächen mit Geistlichen, ob dann die Zulassung zu den Sakramenten möglich ist. In diesen einzelnen Fällen, also nicht einfach generell. Und ich denke, das ist ein Weg, der der Tradition nicht völlig widerspricht."
    Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, blickt am 25.02.2015 in Hildesheim (Niedersachsen) in die Kamera.
    Zusammen mit Franz-Josef Bode fahren der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx aus München, und der Berliner Erzbischof Heiner Koch nach Rom. (Holger Hollemann/dpa)
    "Eigentlich", "prüfen", "nicht generell" – Bischof Bode argumentiert ziemlich defensiv. Denn führende Kirchenmänner sind in dieser Frage tief gespalten. In Rom zeigt sich das beispielhaft an zwei deutschen Kardinälen: Gerhard Ludwig Müller, Präfekt der Glaubenskongregation und damit dritthöchster Mann im Vatikan, will keine Veränderungen. Müller fürchtet, dass die Unauflöslichkeit der Ehe relativiert werden könnte. Das könne die Gläubigen verwirren. Anders Walter Kasper: Der emeritierte Kurienkardinal warnt davor, das Wort Jesu – "was Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen" – dieses Wort fundamentalistisch auszulegen. Kasper wirbt dafür, mit Wiederverheirateten barmherzig umzugehen. Bischof Bode aus Osnabrück erklärt, was mit Barmherzigkeit gemeint ist. Es gehe um eine Art Einzelfallentscheidung.
    "Im Recht gibt es immer für bestimmte Situationen eine differenziertere Anwendung. Barmherzigkeit muss so angewandt werden, dass es grundsätzlich einen Wert gibt und eine Wahrheit auch, die auf jeden Fall richtig ist, aber sich doch noch mal in Einzelsituationen übersetzen lassen muss. Dass wir – ich sag mal – fast solche Durchführungsbestimmungen haben, in denen die Dinge verschieden ausgelegt und angewandt werden."
    Das wollen die Bewahrer rund um Kurienkardinal Müller verhindern. Sie fürchten ums katholische Profil, haben Angst vor Relativismus und pochen auf die kirchliche Lehre. Die habe eine lange Tradition und sei nicht vom jeweiligen Zeitgeist abhängig. Der katholische Sozialethiker Wolfgang Ockenfels sagt:
    "Ich glaube nicht, dass die kirchliche Lehre sich verbiegen oder irgendwie völlig verändern lässt. Das hat auch Papst Franziskus inzwischen sehr deutlich gemacht, der keineswegs die Kaspersche Rolle sozusagen zu seiner eigenen macht."
    Der Dominikanerpater lehrte bis zu seiner Emeritierung im Frühjahr 2015 als Professor für Christliche Sozialwissenschaften an der Universität Trier. Ockenfels beschäftigt sich unter anderem mit dem Familienbild der Kirche. Einer Ehe für alle kann er nichts abgewinnen.
    "Sodass hier der Unterschied verwischt wird zwischen dem Wesen der Ehe, die nämlich zwei unterschiedliche Geschlechter voraussetzt, und eben wesentlich auch zur Fortpflanzung. Eine Ehe zwischen Homosexuellen ist schon deswegen keine Ehe, weil hier eine naturale Unbeliebigkeit im Spiel ist, dass nämlich es bisher noch nicht den Homosexuellen gelungen ist, für ihre eigene Fortpflanzung zu sorgen. Hier versucht man, die Ehe nachzumachen, zu imitieren."
    Zwei Lager stehen sich gegenüber
    Vor der Familiensynode stehen sich zwei Lager gegenüber. Das wird sich auch bei den Beratungen in Rom widerspiegeln. Etliche Bischöfe wollen nicht am katholischen Eheverständnis rütteln, darunter Kurienkardinal Robert Sarah aus Guinea oder Kardinal Jorge Liberato Urosa Savino aus Venezuela.
    "Wenn Sie mal sehen: Die Gewichte weltweit gesehen, da wo die Kirche ganz massives Wachstum verspüren kann, das ist vor allem in Afrika, in Teilen Asiens und in Südamerika der Fall. Das verglichen mit dem etwas degenerierten und frustrierten westlichen Staaten und deren Theologien und deren Kirchen macht eben doch ein Gegengewicht aus. Und das wird sich auch in den Ergebnissen dieser Synode auswirken."
    So sieht es auch die Berliner Familien-Seelsorgerin Ute Eberl, die vor einem Jahr als Beraterin der Bischofssynode in Rom war.
    "Die Synode ist eine Weltsynode. Also nur zu gucken, beschreibt Synode die Situation in Deutschland richtig, das war meine Erfahrung, so einfach geht das nicht, wenn Weltkirche sich versammelt."
    Eine Gläubige hält eine brennende Kerze.
    Die Kirche in Afrika legt die Regeln anders aus als in Europa. (dpa / Armin Weigel)
    Die knapp 300 Bischöfe aus aller Welt werden also ihre jeweiligen Standpunkte vertreten, Strippen ziehen, über Formulierungen streiten. In Rom wird die nächsten drei Wochen Kirchenpolitik gemacht. Und das sicherlich mit Leidenschaft, den vielen Teilnehmern geht es um den Kern der kirchlichen Lehre und Seelsorge.
    "Es gibt natürlich diese Gräben. Gut finde ich, wenn jetzt wirklich offen weiter diskutiert wird. Dass das einfach wird, das glaube ich nicht."
    Jede Seite wird versuchen, den Papst zu überzeugen. Denn die Synode ist kein Parlament. Sondern sie dient dazu, das Kirchenoberhaupt zu beraten. Entscheiden muss am Ende Franziskus, dessen Aufgabe es nach den Beratungen ist, ein zusammenfassendes Lehrschreiben zu veröffentlichen. Der Papst ließ zuletzt mehrfach durchblicken, dass ihm die bisherige kompromisslose Gangart nicht gefällt. Frage an den Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode: Kann es sein, dass das katholische Familienbild am Ende doch nicht reformiert wird?
    "Ich will das nicht hoffen, denn es sind Erwartungen geweckt worden. Und ich denke, man kann aus doch so starken Richtungen, wie sie in den letzten zwei Jahren benannt worden sind, auch an der Breite der Kirche nicht vorbei gehen."
    Franziskus gilt zwar als charismatisch und als wortmächtig. Aber nicht als Verfechter radikaler Entscheidungen. Die Familiensynode wird also wohl vor allem auf Kompromisse hinauslaufen. Einer davon, vermuten Experten, könnte lauten: Die Kirche in Afrika legt die Regeln anders aus als in Europa. Und damit wäre in der katholischen Welt doch vieles beim Alten geblieben – mit allen Widersprüchlichkeiten zwischen Lehre und Praxis.